Langenfeld Klettermax macht Bäume zu Kleinholz

Langenfeld · Baumkletterer kommen zum Einsatz, wenn es um komplizierte Fällungen geht. Trotz Sicherungen bleibt der Beruf gefährlich.

 Sascha Daniel Radau hängt in der Eiche. Von einem Baum heruntergefallen ist er noch nicht, verletzt wurde er dennoch.

Sascha Daniel Radau hängt in der Eiche. Von einem Baum heruntergefallen ist er noch nicht, verletzt wurde er dennoch.

Foto: Ralph Matzerath

Sein Name ist Programm. Wenn Sascha Daniel Radau Hand anlegt, wird es in aller Regel laut. Für unser Gespräch stellt er die Motorsäge aus, nimmt die Ohrenschützer ab und klappt das Visier seines orangefarbenen Helms nach oben. "30 Meter Eiche, das wird heute noch eine Menge Arbeit", sagt der 34-Jährige. Baufeldräumung lautet an diesem Vormittag der Auftrag an ihn und drei Kollegen. An der Ecke Piusweg/Augustastraße in Richrath müssen sie Bäume bearbeiten. Jahrzehntelang stand auf dem Grundstück ein Einfamilienhaus. Demnächst sollen hier zwei neue hin. Eine Eiche wird deshalb weichen, ihre Artgenossin nebenan, noch etwas mächtiger als sie, ein wenig gestutzt werden müssen.

Sascha Daniel Radau ist nicht nur Gartenbaumeister, sondern auch Baumkletterer. Diese Zusatzqualifikation hat er in mehreren Lehrgängen erworben. Sie zogen sich insgesamt gut ein Jahr hin. "In einer ersten Prüfung durften wir nur mit der Handsäge ran. Dann mussten wir mindestens 300 Kletterstunden nachweisen, ehe wir mit der Motorsäge in den Baum hinauf sind."

Ein Erste-Hilfe-Kursus ist inklusive. Heruntergefallen vom Baum ist Radau zwar noch nicht - "aber gucken Sie mal hier": Der handfeste junge Mann schiebt den linken Ärmel seines Pullis nach oben und zeigt seinen Unterarm, Innenseite: "15 Zentimeter, 48 Stiche", kommentiert er die drei Jahre alte Narbe, bei deren Entstehung man nicht dabei gewesen sein will. Wie kam es dazu: "Bin auf einem glatten Ast weggerutscht und mit dem Arm voll auf die Säge mit der kreisenden Kette." Autsch!

Die anderen Narben, von denen Radau spricht, will man sich lieber nicht ansehen. "Unsere Baumkletterer kommen immer dann zum Einsatz, wenn für eine Fäll- oder Pflegeaktion nicht genügend Platz ist für einen Steiger", erklärt sein Chef Tim Averdiek (36), der unter dem Motto "Gärten leben" einen Garten- und Landschaftsbaubetrieb mit Sitz in Langenfeld und Münster betreibt.

Der Steiger, das ist ein ausfahrbarer Arm mit Hebebühne. Auf dem 1500-Quadratmeter-Eckgrundstück an der Augustastraße ist genug Platz für ihn. Also kommt er zum Einsatz, muss sogar. "Dann - so will es die Vorschrift - dürfen auch ausgewiesene Baumkletterer nicht mit der Motorsäge in den Baum", sagt Landschaftsbau-Ingenieur Averdiek.

Vorsicht ist aber auch im Steigerkorb die Mutter der Porzellankiste. Averdiek-Mitarbeiter Oliver Schnieder, ebenfalls mit der Lizenz zum Baumklettern ausgestattet, steuert den Korb per Joystick im Zickzackkurs durch die Baumkrone, 27 Meter über der Grasnarbe. Schwindelfrei? "Nicht unbedingt. Aber man gewöhnt sich dran", sagt der 36-Jährige. Dann sägt er einen riesigen Ast ab, der krachend zu Boden fällt.

Von hier oben erkennt man bestens, warum Averdieck diese Eiche "altersschwach", ihre Nachbarin aber "vital" nennt. Obwohl beide runde 80 Jahre auf der Rinde haben, steht die mächtigere der beiden bis in die Astspitzen hinein im Wuchs, während die kränkliche Eiche nach außen hin kahlkronig wird. "Sehen Sie den zersplitterten Aststumpf?", ruft der Ingenieur: "Den Ast hat ein Sturm heruntergeholt. Da ist schon die Fäulnis drin."

Wenn es zu eng ist für den Steiger, dann hat der Job der Kollegen Radau und Schnieder ein bisschen was von Spiderman. Die Männer hängen sich die Sicherungsgurte mit den Karabinerhaken um, werfen den Seilsack in den Baum und klettern mit dem Steigeisen los. Die Säge haben sie zunächst wie ein Schwert in der Scheide. "Wir sind immer doppelt gesichert, erst dann wird losgesägt", sagt Radau.

Sport in der Freizeit treibt er selten - bis aufs Reiten. "Ich bin bei der Prinzengarde Düsseldorf hoch zu Ross", erzählt der Jeck. "Als Landschaftsgärtner braucht man nicht noch extra ins Fitnessstudio - das trainiert genug." Die Leidenschaft zum Baumklettern hat er schon als Kind entdeckt, im elterlichen Garten an der Galkhausener Straße in Langenfeld. "Da gab's nicht nur Kaninchen und Hühner, sondern auch eine gut 25 Meter hohe Birke. Da hingen mein Bruder und ich regelmäßig drin. War super."

(gut)
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