Langenfeld Jeder nach seinen Möglichkeiten

Langenfeld · Wir haben Talente, um mit ihnen zu wuchern, sagt Jürgen Steinbrücker. Er selbst tut dies unermüdlich, besonders in der Behindertenarbeit. Gestern erhielt der Ehrenamtler von WFB und Lebenshilfe das Bundesverdienstkreuz.

Als junger Mann ist der heute 76-jährige Jürgen Steinbrücker nach eigenem Bekunden kaum je einem geistig behinderten Menschen begegnet. Das ist kaum verwunderlich, denn bis in die 1970er Jahre hinein wurden die "Zurückgebliebenen" oft von der Öffentlichkeit ferngehalten. Sie lebten überwiegend in Heimen. Oder in ihren Familien, die dafür mitunter Blicke des Bedauerns wohlmeinender Leute ernteten. Und angesichts der mörderischen Exzesse der Rassenwahnsinnigen im "Dritten Reich" war diese subtile Ausgrenzung noch nicht einmal ein (historisch betrachtet) sonderlich furchtbarer Zustand.

Heute leben die Menschen mit geistiger Behinderung immerhin so weit unter uns, dass wir ihre Anwesenheit nicht für ungewöhnlich halten. Zumindest in Langenfeld mit seiner LVR-Klinik, seiner Virneburgschule, dem Heilpädagogischen Netz, den WFB-Werkstätten und Wohngruppen der Lebenshilfe. Der junge Mann, der an der Bushaltestelle Auguste-Piccard-Weg jeden Vorbeikommenden lauthals grüßt, gehört erfreulicherweise ebenso zum "Stadtbild" wie die city-bekannte "Frau mit dem Rollator" und ihren Liedern der Saison. Dass wir über Menschen wie sie und deren ganz normalen Alltag einigermaßen im Bilde sind, verdanken wir Menschen wie Jürgen Steinbrücker. Gestern wurde dem Reusrather das Bundesverdienstkreuz verliehen — für seinen unermüdlichen ehrenamtlichen Einsatz vor allem in der Behindertenarbeit.

Steinbrücker macht seit 1995 die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der WFB-Werkstätten des Kreises Mettmann GmbH, seit 1999 zudem die der Kreisvereinigung der Lebenshilfe und seit 2002 auch noch die der Langenfelder Weik-Stiftung mit ihrem cSc-Sportfest und anderen integrativen Unternehmungen. Außerdem engagiert sich der gebürtige Ostpreuße seit Jahrzehnten in der evangelischen Kirche, der er seit seiner Tätigkeit als Hilfsküster in einem Ort in der Nähe von Leipzig auch im Ehrenamt verbunden ist.

Stets bescheiden

Im christlichen Glauben wurzelt auch sein Entschluss, nach einem anstrengenden Arbeitsleben in der Werbe- und Kosmetikbranche den "Ruhestand" nicht wörtlich zu nehmen, sondern sich abermals in die Pflicht nehmen zu lassen. "Der liebe Gott hat uns unsere Talente gegeben, damit wir mit ihnen wuchern", erinnert der stets bescheiden auftretende Kaufmann a.D. im RP-Gespräch an das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden.

Das besagt auch: Jeder nach seinen Möglichkeiten. Wie verblüffend reich die Möglichkeiten von Menschen mit stark eingeschränkten geistigen Fähigkeiten sind, das macht Steinbrücker in seiner Pressearbeit deutlich. Fast im Tagesrhythmus versorgt er die Medien der Region mit Beiträgen in Wort und Bild. Stets steht dabei der Mensch im Mittelpunkt, selbst in der kleinsten "Teestuben"-Notiz. Erst recht gilt dies für seine Porträts, ob über die Musiker der WFB-eigenen "Kellergang", den Mitarbeiter, der Kartons für Werkzeugkoffer faltet, oder die junge FSJlerin, die in ihrem Freiwilligen Sozialen Jahr dieselbe glückliche Erfahrung gemacht hat wie Steinbrücker selbst: "Die Begegnung mit Menschen mit Behinderung bietet nicht nur die Gelegenheit, zu helfen und zu geben. Man wird selber beschenkt: durch die Offenheit, die Ehrlichkeit und die Zuneigung, die diese Menschen einem entgegenbringen."

Info Mehr über J. Steinbrücker unter

(RP/rl/jco)
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