Lokale Wirtschaft Die junge Meisterin auf dem Dach

Langenfeld · Gina Ixkes (26) setzt sich als Meisterin in einem Männerhandwerk durch. Sie hat viel Freude an ihrer Arbeit.

 Dachdeckermeisterin Gina Ixkes aus Langenfeld hat es nicht bereut, den für Frauen ungewöhnlichen Berufsweg gewählt zu haben.

Dachdeckermeisterin Gina Ixkes aus Langenfeld hat es nicht bereut, den für Frauen ungewöhnlichen Berufsweg gewählt zu haben.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

2013 war es für Gina Ixkes fast unmöglich, eine Lehrstelle zu bekommen. Keiner wollte sie, weil sie eine Frau ist. Außer Hubert Drößert aus Monheim. Heute, sechs Jahre später, hat die drahtige Langenfelderin die Meisterprüfung bestanden – als Dachdeckerin. Nur eine weitere Frau hat neben ihr unter 25 Gesellen die Meisterschule in Köln besucht und den gleichen Berufsweg eingeschlagen.

Gina Ixkes ist unbeirrbar. „Damals, als ich mein Studium in Kommunikations- und Multimediamanagement nach zwei Semestern abbrach, um den Beruf meines Großvaters zu ergreifen, stand eigentlich niemand hinter mir“, sagt sie. Eine Frau und dann noch mit Abitur –  auf dem Dach? Dieser Wunsch erregte in der Familie eher Missfallen. „Heute sind sie alle stolz“, sagt Ixkes. „Eine Meisterin hat doch noch ein anderes Image.“

Die Garage  von Gina Ixkes steht voller Dachdecker-Werkzeug. Ihr Wissen ist nicht das der normalen Berufstätigen. Sie kennt sich mit runden und eckigen Fallrohren aus, kann mit Gasbrenner, Lötkolben und Latthammer umgehen und Schieferkehlen bauen. Sie kann Hausfassaden verkleiden, Mauern abdichten, Schieferziegel behauen und Flachdächer begrünen.

Und sie hat keine Angst vor der Höhe und der männlichen Übermacht. „Wenn es sehr warm ist, arbeite ich im Sport-BH auf dem Dach“, sagt die durchtrainierte Surferin und Skateboarderin selbstbewusst. „Wenn die Kollegen sich dadurch von der Arbeit ablenken lassen, bitte. Ihr Problem.“ Ixkes grinst. Sprüche machen ihr nichts. „Ich bin nicht auf den Mund gefallen und kann mich wehren“, sagt sie. Andererseits fällt es ihr aber auch nicht schwer, die Männer auf dem Bau um Hilfe zu bitten, wenn nötig. „Wir müssen täglich mehrere Tonnen stemmen und  bewegen. Da fordere ich auch schon einmal Unterstützung ein“, sagt sie ganz ohne Angst vor Autoritätsverlust.

Seit Herbst 2018 müssen sich auch  gestandene Kerle bei der Zimmerei und Dachdeckerei Buchholz in Leverkusen von der kurzhaarigen Blondine auf der Baustelle etwas sagen lassen. Denn die Kompetenz liegt jetzt bei der Meisterin. „Ich bin aber nicht allwissend. Oft brauche ich auch den Rat der älteren Kollegen, die mir Kniffe und Tricks zeigen, die wir dann mit neuen Fachregeln verbinden.“

Mancher Kunde wundert sich, wenn er mit der jungen Dachdeckermeisterin über Materialien, Möglichkeiten und Preise einer Dachsanierung verhandeln muss. „Letztlich kommt das aber bei den meisten sehr gut an. Und es wirkt sich beim Trinkgeld sehr positiv aus“, sagt sie schmunzelnd.

Der Adrenalin-Kick auf dem Dach in sechs oder mehr Metern Höhe ist für Gina Ixkes ein Traum, der schöne Ausblick nicht zu ersetzen und die Arbeit jeden Tag ein Abenteuer. Auch wenn sie bei Wind und Wetter zu Noteinsätzen am Wochenende raus muss, um Dächer abzudichten, und im Sommer keinen Acht-Stunden-Tag hat, hadert sie nicht mit ihrer Berufswahl. Für diese hat wahrscheinlich Opa Helmut Köhler den Grundstein gelegt. „Mit ihm durfte ich schon im Grundschulalter aufs Dach“, berichtet sie. Er hat seiner Enkelin auch beim Fertigen des Meisterstücks zur Seite gestanden. „Wir sind ein sehr gutes Team“, sagt die junge Frau.

Sprüche wie: „Konntest  du eigentlich nichts Normales lernen?“, hört Gina Ixkes heute als Dachdeckermeisterin eigentlich nicht mehr.  Viele Freundinnen bewundern sie wegen ihrer Hartnäckigkeit. Nur manchen Jungs, die sie frisch kennenlernt, bleibt bei der Antwort auf die Berufsfrage „die Kinnlade offenstehen“. „Dachdeckermeisterin“, das errät wirklich niemand“, sagt sie feixend.

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