Langenfeld Farbenblinder führt durch "Black & White"-Schau

Langenfeld · Im Düsseldorfer Kunstpalast lässt sich nachempfinden, wie Achromatopsie-Betroffene ihre Umgebung wahrnehmen.

 Hans-Werner Merkelbach vor Gerhard Richters "Helga Matura mit Verlobtem" von 1966. Das Öl-Gemälde ist in der "Black & White"-Ausstellung im Museum Kunstpalast zu sehen.

Hans-Werner Merkelbach vor Gerhard Richters "Helga Matura mit Verlobtem" von 1966. Das Öl-Gemälde ist in der "Black & White"-Ausstellung im Museum Kunstpalast zu sehen.

Foto: Andreas Bretz

Hans-Werner Merkelbach interessiert sich nicht für abstrakte Kunst. Ob das an seiner Sehstörung liegt? "Oder es ist einfach nicht mein Geschmack", sagt er und lacht. Der 65-Jährige ist von Geburt an farbenblind, was nicht bedeutet, dass er Farben nicht unterscheiden kann. Er sieht gar keine, sondern alles in Grau, Schwarz oder Weiß.

Grau, Schwarz und Weiß sieht auch der Besucher der Ausstellung "Black & White" im Düsseldorfer Kunstpalast (Ehrenhof). Die Schau, die viel positive Resonanz bekommen hat, gibt einen Überblick über die Schwarz-Weiß-Kunst vom Mittelalter bis zur Gegenwart und zeigt die visuelle Kraft einer reduzierten Farbpalette. Und es ist die erste Kunstausstellung, die Hans-Werner Merkelbach interessiert. "Endlich konnte ich meiner farbensehenden Frau einmal zeigen, wie ich die Welt sehe", sagt er. Schließlich kennt er Farbunterschiede gar nicht, kann also auch nicht benennen, was er nicht sehen kann. Aber er sieht Schattierungen, kann dunkle Töne von helleren unterscheiden.

Achromatopsie heißt die seltene, genetische Erkrankung. Deutschlandweit haben sie schätzungsweise 2700 Menschen. Die unheilbare Krankheit ist meistens mit weiteren Symptomen verbunden: einer extremen Blendungsempfindlichkeit, gegen die Merkelbach eine Brille mit orangefarbenen Gläsern trägt, eine Kantenfilterbrille, die die Blautöne des Lichts herausfiltert. Und mit starker Sehschwäche - Merkelbach hat je nach Lichtverhältnissen eine Sehkraft von nur zehn Prozent. "Wenn ich eine der drei Symptome ablegen dürfte, wäre das die Blendung", sagt er. "Die Farbblindheit wäre es sicherlich nicht."

Die Exponate der "Black & White"-Ausstellung sind konzentriert auf die Ur-Elemente visueller Wahrnehmung, lenken die Aufmerksamkeit des Betrachters auf ihre Konzeption oder Technik, anstatt auf das Farbspektrum ihrer Kunst. Dadurch vermitteln sie Vielfalt, Tiefe und Ausdruck.

Wie das Öl-Gemälde von Gerhard Richter, "Helga Matura mit Verlobtem". Der Gegenwartskünstler verwendete ein Foto der ermordeten Prostituierten Helga Matura als Grundlage, und sein Gemälde wirkt wie eine unscharfe Fotografie. Darin sieht Merkelbach die drei Zeichen seiner Erkrankung vereint: Farblosigkeit und Unschärfe, vor einem grellen, ihn blendenden Hintergrund. Die Ausstellung zeigt auch einige farbige Werke, zum Beispiel den von Simon Marmion gestalteten Altarschrein mit der "Himmelfahrt der Seele von Sankt Bertin". Ist das Bild in kräftigem Dunkelblau gehalten, umrahmt ein gold-roter Heiligenschein den gen Himmel fahrenden Heiligen. Farbe und Symbolik des Bildes kann Merkelbach nur erahnen. "Solche Darstellungen erkenne ich nur durch kognitive Verbindungen. Ich weiß einfach, dass Feuer mit warmen Farben verbunden wird, und wenn mir jemand eine Farbpalette kennzeichnet, könnte ich so etwas auch realitätsgetreu nachmalen."

Seit zwei Jahren ist Merkelbach Vorsitzender des Achromatopsie Selbsthilfe-Vereins in Düsseldorf. Am Samstag, 7. Juli, veranstaltet er im Museum Kunstpalast eine Sonderführung für Betroffene und ihre Angehörigen. Auskünfte unter kontakt@achromatopsie.org.

(lhen)
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