Helfer mit Herz Familienvater rettet Nachbarn das Leben

Langenfeld · Die Ausnahmesituation kommt für Lutz Wolff (52) von einer Sekunde auf die andere. Gerade eben brachte er noch die Wochenendeinkäufe nach Hause. Da läuft seine Nachbarin aufgeregt auf ihn zu: "Herr Wolff, bitte helfen Sie, mein Vermieter ist abgestürzt. Und jetzt liegt er leblos am Boden."

 Lutz Wolff hat ein Leben gerettet und ist dafür ausgezeichnet worden. Als Dank hat er auch die Feuerwehr Langenfeld besucht. Andreas Katersdahl, Lutz Wolff und Jörg Ummelmann (v. l.) begleiten ihn.

Lutz Wolff hat ein Leben gerettet und ist dafür ausgezeichnet worden. Als Dank hat er auch die Feuerwehr Langenfeld besucht. Andreas Katersdahl, Lutz Wolff und Jörg Ummelmann (v. l.) begleiten ihn.

Foto: RALPH MATZERATH

Wolff lässt sämtliche Einkäufe stehen. Er eilt über die Straße und findet einen blau angelaufenen Mann, der bewusstlos auf dem Boden liegt. "Da habe ich nicht lange nachgedacht und mit der Herzmassage begonnen", sagt Lutz Wolff, der von der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft vor kurzem eine Belobigung für sein beherztes Eingreifen bekommen hat. Wolff hat ein Menschenleben gerettet.

So hart das auch klingt: Selbstverständlich ist das nicht. Erste Hilfe am Unfallort? Das liegt bei den meisten Menschen viele Jahrzehnte zurück. Ein ferner Kursus, irgendwann vor der Führerscheinprüfung. "Deshalb haben viele Bürger Angst, etwas falsch zu machen, den Verunglückten zu verletzen", sagt Langenfelds Feuerwehrchef Marcus Jagieniak. Und das ist falsch. Bei einem Atem- und Herzstillstand muss sofort mit der Herzmassage begonnen werden. Wer will, kann im Wechsel eine Mund-zu-Mund-Beatmung hinzufügen. Aber das Wichtigste ist die sofortige Herzmassage.

Rettungsassistent Andreas Katerndahl erklärt, wie es richtig geht: "Man muss bis zu 100 Mal pro Minute den Brustkorb mindestens fünf Zentimeter tief eindrücken. Und zwar mit dem Handballen auf die Stelle, die genau mittig zwischen den beiden Brustwarzen liegt." Wenn dabei Rippen brechen - egal. "Das Einzige, was man falsch machen kann, ist gar nichts zu tun." Und so makaber das auch klingt: Der Rhythmus des Bee-Gee-Hits "Staying alive" gibt genau das richtige Tempo vor, 100 Beats pro Minute.

"Davon hatte ich irgendwo einmal gehört", sagt Lebensretter Lutz Wolff. Als es bei ihm darauf ankommt, verbannt er das Lied aus seinem Kopf. "Ich habe stattdessen gezählt. Und gedrückt." Was um ihn herum passiert, blendet Wolff komplett aus. Weiterdrücken. Irgendjemand sagt ihm: "Der Rettungswagen kommt gleich." Die Minuten ziehen sich endlos. Drücken, drücken, drücken. Endlich: Mit Blaulicht und Sirene fahren die Langenfelder Rettungsassistenten Andreas Katerndahl und Jörg Ummelmann vor. Und jetzt wird Lutz Wolff immer noch nicht erlöst, eben weil er alles richtig macht.

"Normalerweise teilen wir beide uns die Aufgaben am Einsatzort", sagt Sanitäter Ummelmann. Einer übernimmt die Herzmassage, der andere spult ein festes Notfallprogramm ab. Bewusstlose müssen intubiert werden, brauchen Venenzugänge für die Medikamente, müssen an die Überwachungsgeräte abgeschlossen werden. "Weil Herr Wolff die Herzmassage so gut ausgeführt hat, haben wir ihn gebeten, damit weiterzumachen", sagt Ummelmann. So sind all die Standardhandgriffe doppelt so schnell erledigt. Im Hintergrund wird der Notarzt zur Unfallstelle beordert. In diesem Fall kommt der Hildener Notarzt direkt von einem Einsatz in Solingen. Und weil niemand weiß, wie lange das trotz Blaulicht und Sirene dauert, im Freitagsabends-Verkehr, wird zusätzlich ein Rettungshubschrauber angefordert.

Lutz Wolff massiert immer weiter. Kurzzeitig muss er die Hände vom Verletzten wegziehen. Ein Defibrillator stimuliert das Herz mit einem Starkstromstoß. Dann der erste Erfolg: Der Verletzte atmet wieder. Langsam normalisiert sich die Gesichtsfarbe. Dann schlägt er die Augen auf. Nach den strikten Regeln der Retter bedeutet das: Der Hubschrauber startet ohne den Verletzten. Katerndahl und Ummelmann bringen ihm im Rettungswagen ins Krankenhaus.

"Da hab ich die Einkäufe genommen, die da immer noch standen und bin nach Hause gegangen", sagt Wolff. Und erst jetzt wird ihm klar, was in der vergangenen Stunde passiert ist. "Da hab ich mich aufs Sofa gesetzt und war völlig fertig." Zugleich aber bekommt er Lob von denen, die seinen Einsatz verfolgt haben, von der Ehefrau und von Tochter Viktoria (heute 13 Jahre alt). Viktoria kann auch erzählen, was denn eigentlich passiert ist: Der Mann habe auf der Garage gearbeitet und sei plötzlich von der Leiter gefallen. Ein Stromschlag aus einer defekten Kabeltrommel war die Ursache. Seinen Lebensretter hat der Alleinerziehende Mann neulich eingeladen - zu seinem 60. Geburtstag. Und bei den Feuerwehrleuten hat er sich per Postkarte bedankt.

(dne)
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