Marion Kremerius "Endlich gibt's Cannabis auf Rezept"

Langenfeld · Beauftragte für Menschen mit Behinderung kennt die medizinische Wirkung.

Der Bundestag hat ein neues Gesetz beschlossen: Schwer kranke Menschen können Cannabis auf Rezept in der Apotheke erhalten. Wie haben Sie auf die Entscheidung reagiert?

Kremerius Ich bin begeistert, darauf haben viele chronisch Kranke sehr lange gewartet.

Was ändert sich durch das Gesetz?

Kremerius Die Ärzte können medizinisches Cannabis nun problemlos verschreiben. Die Patienten brauchen keine Ausnahmegenehmigungen mehr. Außerdem übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten. Früher mussten die Patienten, wenn sie denn eine Genehmigung hatten, das Cannabis selbst bezahlen. Das war eine teure Angelegenheit und von vielen Kranken nicht leistbar. Nun kann es jeder bekommen, der es braucht und nicht nur der, der es sich leisten kann. Die Betroffenen müssen auch nicht mehr chemische Medikamente mit schweren Nebenwirkungen einnehmen, um erst einmal nachzuweisen, dass ihnen nichts anderes hilft.

Bei welchen Krankheiten kann Cannabis helfen?

KRemerius Bei allen chronisch auszehrenden Krankheiten, zum Beispiel bei Krebserkrankungen, Epilepsie, Multiple Sklerose, Tourette-Syndrom, Parkinson oder ausgeprägten Ess- Schlaf- und Angststörungen. Cannabis hilft bei Spastiken. Auch wenn es nicht unbedingt heilende Wirkung hat, kann es Symptome lindern oder eine Verschlimmerung verhindern. Es macht das Leben lebenswerter.

Welchen Einfluss wird der Beschluss auf die Nachfrage haben?

Kremerius Die wird steigen, da bin ich sicher. Bisher ist es nur einem kleinen Kreis erlaubt, es aus medizinischen Gründen zu konsumieren. Ich habe zehn Jahre bei der DMSG (Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft) Ortsvereinigung Düsseldorf gearbeitet und über 700 Betroffene betreut. Allein da gibt es so viele, die es ersehnt haben und nun froh sind, dass es als medizinisches Mittel zugänglich wird.

Gibt es auch Patienten, die es sich auf illegalem Weg geholt haben?

Kremerius Ja natürlich. Das kann ich auch nachvollziehen. Zum Beispiel, wenn jemand chronisch schwer krank ist und Schmerzen erleidet. Das ist ein weiterer Grund, warum ich froh über den Beschluss bin. Die Menschen müssen nicht mehr in die Illegalität ausweichen und stehen unter medizinischer Kontrolle. Von den Apotheken wird nur sauberes Cannabis herausgegeben, das nicht gestreckt wurde.

Seit längerem gibt es für MS-Patienten schon die legale Variante als Mundspray. Wo ist der Unterschied?

Kremerius Die Mundsprays sind das erste Cannabis, das in synthetischer Form für MS-Patienten auf dem Markt war. Allerdings ist es schwer einzustellen wie viele "Hübe" man braucht, um zum Beispiel eine Spastik zu lockern, und mit synthetisch hergestelltem Cannabis sind oft schwerste Nebenwirkungen verbunden. Zudem sind sie sehr teuer: Die Sprays gibt es nur im Dreierpack zu kaufen für 590 Euro.

Im Internet melden sich Kritiker zu Wort. Sie sagen etwa, dass Cannabis abhängig macht. Andere monieren die berauschende Wirkung.

Kremerius So etwas kann nur ein Gesunder sagen. Jemand, der nicht nachvollziehen kann, wie sehr Menschen mit Schmerzen leiden müssen. Der Sinn des medizinischen Cannabis ist nicht, dass sich die Schwerkranken damit zudröhnen.

NATALIE URBIG FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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