Alarmstimmung: Oscar Bruch warnt vor Corona-Folgen Sein Riesenrad könnte bis Ostern laufen

Schausteller Oscar Bruch kennt mindestens 30 Menschen, die 2021 keine Existenz mehr haben werden. Große Sorgen treiben ihn mit Blick auf die Schausteller und Veranstalter um. Trotzdem plädiert er für einen Lockdown an Silvester – zum Schutz der Allgemeinheit.

 Der Unternehmer Oscar Bruch vor seinem Riesenrad. Mit den Krücken muss er momentan sein lädiertes Knie entlasten.

Der Unternehmer Oscar Bruch vor seinem Riesenrad. Mit den Krücken muss er momentan sein lädiertes Knie entlasten.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

In sechster Generation – seit 1848 – liefert die Düsseldorfer Familie von Oscar Bruch Jr. (57) Emotionen, alles begann mit einem selbstgebauten „Caroussel“. Seither reisen die Bruchs von einem Volksfest zum nächsten. Dabei sind die Riesenräder von Bruch Jr. europaweit Attraktionen.

 Warnstufe Rot: Während es Lockdowns lässt Schausteller Oscar Bruch sein Riesenrad am Burgplatz ab 19 Uhr so erstrahlen. Ein weißer Lichtring soll jetzt wieder dazugeschaltet werden – als Zeichen der Hoffnung.

Warnstufe Rot: Während es Lockdowns lässt Schausteller Oscar Bruch sein Riesenrad am Burgplatz ab 19 Uhr so erstrahlen. Ein weißer Lichtring soll jetzt wieder dazugeschaltet werden – als Zeichen der Hoffnung.

Foto: Bruch

Seit zwei Wochen dreht sich das Riesenrad auf dem Burgplatz in Düsseldorf nicht mehr. Harte Zeiten. Wie geht es Ihnen?

Oscar Bruch Ich habe mein Leben so heruntergefahren, dass ich mir überhaupt nicht vorstellen kann, wie ich in den Vorjahren vier Riesenräder und die DEG-Winterwelt gleichzeitig betreiben konnte. Ich komme tatsächlich etwas zur Ruhe.

Tut das auch mal gut?

Bruch Na ja, die Sorgen sind groß, besonders wegen meiner Mitarbeiter. Im Moment sind es 44, um die ich mich besonders kümmere. Ich brauche sie für die Zukunft. Das war ein Grund für das Düsselland in der Messe. Meine Leute mussten alle ein wenig Geld verdienen. Langeweile habe ich aber nicht. Wir überholen hier am Burgplatz das komplette Riesenrad. Die Filter werden ausgetauscht, Lämpchen ersetzt. Ich telefoniere mit meinem Steuerberater. Ich kümmere mich um Schadensbegrenzung. Seit 30 Jahren bin ich selbständig, aber zum ersten Mal schreibe ich rote Zahlen – im Corona-Jahr 2020.

Dem Heimatsommer folgt ja der Heimatwinter, um die Schausteller-Branche zu unterstützen. Sind Sie beteiligt?

Bruch Nein, da bin ich nicht involviert.

Keiner würde es Ihnen verübeln, wenn Sie Zukunftsängste hätten. Ihre Branche ist arg gebeutelt. Kennen Sie das Gefühl der Angst?

Bruch Ich bin sehr gespalten. Angst habe ich persönlich nicht. Meine Großeltern im Zweiten Weltkrieg hatten Angst. Die Geschichte lehrt uns: Es geht immer weiter. Ich reiße mich zusammen. Corona flößt mir großen Respekt ein. Wovor ich Angst habe, das sind die Auswirkungen auf die Gesellschaft. Ich verstehe es auch nicht, wie ungehemmt die Menschen weitermachen. Auch im Lockdown gibt es Abende am Burgplatz und am Rheinufer, wo die Leute eng zusammenstehen und feiern, das schockiert mich. Abgesehen von den körperlichen Gefahren: Ich kenne sehr viele Menschen, die psychisch leiden unter der Krise, die Existenzängste haben. Das betrifft ja unsere Branche besonders.

Was waren oder sind Schlüsselmomente, die Sie nachdenklich stimmen?

Bruch Wenn die Bundesregierung hingeht und alle Volksfeste im Sommer und Weihnachtsmärkte verbietet, das sind Augenblicke, die mich an die Grenze bringen. Ich finde auch, dass wir Schausteller hinten überfallen. Klar geht es den meisten nicht gut, aber Schausteller und Veranstalter sind gar nicht richtig im Blickfeld. Wir haben eine schwache Lobby. Viele von uns machen sich Gedanken: Wovon wollen wir Weihnachten feiern? Ich kenne mindestens 30 Menschen, die 2021 keine Existenz mehr haben werden. Es ist eigentlich schon 5 nach 12. Ich sitze bei meiner Bank, und die will einen Liquiditätsplan. Und ich erkläre den Leuten dann: Wenn ich das sagen könnte, dann wäre ich ein Ober-Finanzexperte an der Börse. Die Überbrückungskredite nahm ich bei der KfW auf, ich weiß aber gar nicht, wovon ich die zurückzahlen soll. Und wenn ich mich umschaue in der Stadt: Leerstände ohne Ende, der Einzelhandel bricht auch langsam zusammen.

Gibt es Hoffnungsschimmer?

Bruch Dass es die Aussicht auf einen Impfstoff gibt, das stimmt mich zuversichtlich. Irgendetwas muss passieren.

Sie sind bekannt für Attraktionen wie DEG-Winterwelt und Riesenrad am Burgplatz. Die Winterwelt ist ausgesetzt, das Riesenrad steht still. Wie ist Ihr Plan? 

Bruch Eine Idee von mir könnte sein, das Riesenrad bis Ostern stehen zu lassen, um einigermaßen Umsätze wieder reinzuholen. Aber darüber habe ich noch mit niemandem gesprochen, plane aber zeitnah Gespräche mit den Verantwortlichen bei der Stadt. In der kommenden Woche wird mit dem Aufbau des Weihnachtsdorfes unter dem Riesenrad begonnen. Zehn Hütten sind geplant. Aber die werden erst nach Beendigung des Lockdowns eröffnet – dafür habe ich ein Hygienekonzept nach Coronaschutzverordnung erarbeitet. Ich möchte meinen Mitarbeitern und den Schaustellern, die am Burgplatz unter Vertrag stehen, eine Perspektive geben. Es wäre gut, wenn wir zumindest ein wenig Weihnachtsgeschäft machen könnten.

Sie gehen also davon aus, dass der Lockdown in zwei Wochen aufgehoben wird?

Bruch Das hoffe ich, allerdings plädiere ich für einen Lockdown an Silvester. Es wäre gut, Silvester genauso zu verfahren wie am 11.11. – zum Wohle aller.

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