Baumberg Die Erde lesen wie ein Buch

Baumberg · Die Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft (DBG) und der Bundesverband Boden (BVB) hat dem Auenboden, in Fachkreisen "Vega" genannt, den Titel "Boden des Jahres 2011" verliehen.

 Der Auenboden in der Urdenbacher Kämpe zwischen Düsseldorf und Monheim ist "Boden des Jahres 2011": Jennifer Morscheiser-Niebergall und Gerhard Milbert (vorne).

Der Auenboden in der Urdenbacher Kämpe zwischen Düsseldorf und Monheim ist "Boden des Jahres 2011": Jennifer Morscheiser-Niebergall und Gerhard Milbert (vorne).

Foto: Matzerath

Vorsichtig steigt Dr. Gerhard Milbert in eine über zwei Meter tiefe Grube hinab. Ein Team aus Archäologen, Bodenkundlern und freiwilligen Helfern der Biologischen Station Haus Bürgel hat das rund 12 Quadratmeter umfassende Erdloch in den vergangenen Wochen ausgehoben. An den Wänden sind verschiedene Schichten erkennbar. Dunkle und helle Ablagerungen wechseln sich ab.

Sie zeigen den "Boden des Jahres 2011". Die Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft (DBG) und der Bundesverband Boden (BVB) hat dem Auenboden, in Fachkreisen "Vega" genannt, diesen Titel verliehen.

Von Hochwasser überflutet

Die Urdenbacher Kämpe ist eine der wenigen nicht eingedeichten Auen im Rheintal und wird daher immer wieder von Hochwasser überflutet. Genau der richtige Ort also, um den äußerst fruchtbaren, aber durch Besiedlung, Kiesgewinnung und Flussregulierung gefährdeten Untergrund bekannter zu machen. "Hochwasser hinterlässt bei jeder Überflutung eine feine Lage aus braunem Bodenmaterial", erklärt Milbert. "Auf diese Weise ist der braune Auenboden entstanden.

Für den wissenschaftlichen Mitarbeiter des Geologischen Dienstes NRW ist das Areal auch ein "Archiv der Natur- und Siedlungsgeschichte des Rheintals". Für Fachleute wie Milbert liest sich der Boden wie ein Buch. Er gibt Auskunft über die verschiedenen Verläufe des Rheins im Laufe der Zeit.

Seit der Römerzeit hat sich das Flussbett mehrmals deutlich verlagert. Während das römische Kastell, dessen Reste in das heutige Haus Bürgel integriert sind, bei seiner Erbauung noch linksrheinisch lag, ist die Urdenbacher Kämpe heute eine rechtsrheinische Auenlandschaft. Auch sonst bietet der Boden viele interessante Aspekte.

"Ich war überrascht davon, wie viele von Menschenhand geschaffene Artefakte bei der Ausgrabung gefunden wurden", berichtet der Wissenschaftler. "Keramikscherben, Ziegelstücke und Haustierknochen geben Hinweise darauf, wie lange es in diesem Bereich menschliche Siedlungen gibt." Bei aller Freude über die Funde ist die Ausgrabung an Haus Bürgel aus wissenschaftlicher Sicht eher unbedeutend. Den Bodenschützern geht es vor allem darum, die Aufmerksamkeit auf die wenigen noch vorhandenen Auenlandschaften zu lenken.

"In einem dicht besiedelten Bundesland wie Nordrhein-Westfalen sind Flächen mit Auenböden durch Flächenverbrauch und Versiegelung stark gefährdet", unterstreicht Elke Löpke, Leiterin der Biologischen Station. Das sei auch einer der Gründe, warum sie an dem ehemaligen Römerkastell das Projekt "Auenblicke" etablieren will. "Dabei handelt es sich um ein mit Landesmitteln gefördertes Projekt, mit dem wir die Urdenbacher Kämpe stärker in die Umweltbildung einbeziehen wollen." Dazu zähle auch ein "sanftes Freizeitkonzept" für das naturbelassene Areal.

"Dermatologen der Erde"

Eine Idee, die auch Gerhard Milbert positiv sieht. "Wir sind im Grunde die Dermatologen der Erde", antwortet er auf die Frage, was einen Bodenkundler von einem Geologen unterscheidet. "Der Boden ist ein sensibles Gut. Er ist die Haut unserer Lebensräume. Mit der Ausrufung des Bodens des Jahres wollen wir ein Bewusstsein dafür schaffen und auch deutlich machen, wie verletzbar und gefährdet bestimmte Bodenarten in Deutschland sind."

(dora)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort