Monheim Industrie fürchtet No-Deal-Brexit

Monheim · Die Unternehmen BASF, UCB und Bayer Crop Science bereiten sich auf Großbritanniens EU-Austritt vor.

 Der Monheimer Standort von BASF liegt im Gewerbegebiet Rheinpark.

Der Monheimer Standort von BASF liegt im Gewerbegebiet Rheinpark.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

15 Mal hat das Londoner Unterhaus bisher schon Nein gesagt; sowohl zu dem mit der Europäischen Union (EU) ausgehandelten Scheidungsvertrag als auch zu Alternativvorschlägen. Wenn die Zermürbungsstrategie der Premierministerin Theresa May nicht aufgeht, droht am 12. April der ungeordnete Austritt Großbritanniens. Wegen der engen Wirtschaftsbeziehungen zu NRW versetzt die unsichere Situation in Monheim ansässige internationale Unternehmen in Sorge.

„Oberste Priorität“ müsse es sein, „einen No-Deal-Brexit zu vermeiden“, erklärt Florian Tholey, Pressesprecher bei BASF. Der Ludwigshafener Konzern ist in Monheim mit Personal Care Europe und der BTC Europe GmbH vertreten. Ein reibungsloser, zollfreier Handel zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich, uneingeschränkte Mobilität von Fachkräften und regulatorische Konsistenz seien weiterhin von wesentlicher Bedeutung. BASF habe schon im Frühjahr 2017 ein interdisziplinäres Brexit-Team aus 40 Personen eingerichtet, das sich mit den möglichen Auswirkungen des Brexit befasst. Zudem stehe BASF in engem Kontakt mit Kunden, Lieferanten und Dienstleistern, um Lösungen für verschiedene Ausstiegszenarien zu erarbeiten. Hauptanliegen des Konzerns sei es, so Tholey, die Belieferung der Kunden bestmöglich sicherzustellen. Die Vorbereitungen umfassten auch ein „No-Deal“-Szenario: Für die dann erwarteten höheren Zölle und Tarife sowie bürokratischeren Zollverfahren rechne BASF mit zusätzlichen Kosten im zweistelligen Millionen-Bereich. Verzögerungen an der Grenze könnten darüber hinaus länderübergreifende Wertschöpfungsketten unterbrechen mit erheblichen negativen Folgen. Sollte zudem das Vereinigte Königreich dann nicht mehr der Europäischen Chemikalienverordnung (REACH) folgen, sondern ein eigenes System zur Registrierung, Bewertung und Zulassung von chemischen Stoffen einführen, würde dies zu deutlichem Mehraufwand führen. So bestehe die Sorge, dass chemische Produkte ihre Zulassung zunächst verlieren könnten. „Wir bereiten uns daher schon jetzt darauf vor, die Neuzulassung rechtzeitig sicherzustellen“, so Tholey. Da chemische Lieferketten überdies sehr komplex seien, sei BASF bei vielen Produkten darauf angewiesen, dass auch Lieferanten und Partner entsprechend gut vorbereitet sind.

 Auch bei UCB Pharma GmbH bleibt der Geschäftsführung zunächst nur die Rolle des passiven Beobachters. „Wir planen nicht, unsere engen Beziehungen zu britischen Forschern, der Industrie und akademischen Partnern sowie dem Gesundheitssektor im Allgemeinen zu verändern“, erklärt Pressesprecher Werner Bleilevens. UCB unterhält seinen Forschungsmittelpunkt in der Immunologie in Großbritannien. Und man sei davon überzeugt, dass dieser auch künftig eine starke Rolle bei der Suche nach neuartigen Lösungen für Menschen mit schweren Erkrankungen spielen werde. Schließlich würden „die Änderungen nicht über Nacht passieren“. Die gesamte pharmazeutische Industrie sowie viele Politiker und Meinungsbildner seien sich einig, dass „für den Fortbestand der engen Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und der EU bezüglich Forschung und Entwicklung in der Wissenschaft ein großer Bedarf“ bestehe.

Als eines der möglichen Szenarien bereitet sich auch Bayer Crop Science für den Fall vor, dass keine Einigung zustande kommt. „Dies beinhaltet eine Reihe von Maßnahmen, mit denen die größten identifizierten Risiken begrenzt werden sollen, beispielsweise Verzögerungen an den Grenzen wegen Zollformalitäten“, erklärt Pressesprecher Utz Klages. Wichtig sei insbesondere, die Medikamentenvorräte in Großbritannien für die Zeit unmittelbar vor und nach dem Austrittstermin aufzustocken. Bei den Medikamenten mit sehr kurzer Haltbarkeit, wie den Radiopharmazeutika, sei dies allerdings nicht möglich. „Diesbezüglich arbeiten wir daran, zollrechtliche Vereinfachungen bei den britischen Zollbehörden zu erreichen, um die Produkte reibungslos versenden zu können.“ In Großbritannien unterhalte Bayer keinen Produktionsstandort.

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