Langenfeld Brand-Opfer sauer auf Justiz

Langenfeld · Fünf Monate nachdem eine Familie mit kleinem Kind Opfer von Brandstiftern wurde, kehrt sie in ihre Wohnung zurück. Und findet ein Schreiben im Briefkasten: Das Verfahren gegen die Täter wurde vorläufig eingestellt.

Es ist die Nacht auf den 23. Dezember 2011, den Freitag vor Weihnachten. Familie Issos* freut sich aufs Fest, hat die Wohnung geschmückt, die Geschenke verpackt. Doch dann wird sie jäh aus dem Schlaf gerissen. Sturmklingeln.

Rufe der Nachbarn. "Feuer!" Vater (35) und Mutter (31) holen ihren Vierjährigen aus dem Bett und laufen nach draußen auf die Karlstraße. Dort breiten sich die Flammen aus: von den Papiercontainern auf den Carport, auf vier Autos. Reifen platzen. Schließlich zerbirst die große Fensterscheibe zur Erdgeschosswohnung der Issos'. Flammen schlagen hinein. "Als das Feuer gelöscht war, sah unsere völlig verrußte Wohnung aus, als sei dort eine Bombe eingeschlagen", erzählt Leonidas Issos.

Bei Verwandten untergekommen

Mehr als fünf Monate dauert es, bis die 125 Quadratmeter in dem dreistöckigen Sechs-Parteien-Haus am südlichen Ende der Karlstraße renoviert sind und die Familie wieder einziehen kann. Die Issos kommen zunächst bei Verwandten in Witten unter, dann in einer Wohnung in Leverkusen. Sie leben, das ist das Wichtigste. Und sie sind dankbar für den Rückhalt durch Familie und Nachbarschaft. Den "Umständen entsprechend" scheint es für sie also noch glimpflich abgegangen zu sein. Doch so einfach ist die Sache nicht.

Nach dem Einsatzbericht der Feuerwehr ging der Alarm um 1.20 Uhr in der Feuerwache an der Lindberghstraße ein, um 1.26 Uhr war demnach der erste Wagen am rund ein Kilometer entfernten Einsatzort. "Ein guter Wert", sagt Stadtbrandmeister Heinz-Josef Brand auf RP-Anfrage. Laut Issos vermerkt dagegen die Schadensanzeige, die er von der Polizei erhalten hat, als "Ereigniszeit" 1.12 Uhr: "Bis zum Eintreffen der ersten Löschfahrzeuge verging mindestens eine Viertelstunde. Das war auch der Eindruck anderer Anwesender. Die Polizei war auf jeden Fall schon da, als die Feuerwehr kam."

Zudem hätten die Einsatzkräfte zwar die Unbewohnbarkeit der Wohnung festgestellt, aber niemand habe gefragt, wo er und seine Familie in der Nacht unterkommen würden. "Das kann ich mir nicht vorstellen", sagt dazu Feuerwehrchef Brand: "Wenn jemand zu erkennen gibt, dass er Hilfe braucht, dann kümmern wir uns darum."

Zu denjenigen, die Alarm schlugen, gehören auch die beiden Brandstifter, 19 und 20 Jahre alt. Wie die Ermittlungen später ergaben, legten sie das Feuer in den Papiercontainern. Als es auf den Carport und die Autos übergriff, weckten sie einige Hausbewohner und taten anschließend so, als hätten sie das Feuer entdeckt. "Nicht nur uns kamen die beiden gleich merkwürdig vor, und das habe ich wenige Tage nach dem Brand auch dem Ermittlungsbeamten gesagt", erzählt Elena Issos. Der habe sie darauf vor falschen Verdächtigungen gewarnt.

"Er hat das vielleicht nicht beabsichtigt: Aber in mir hat das ein schlechtes Gewissen geweckt", sagt die junge Mutter, die auf Empfehlung der Opferschutz-Organisation "Weißer Ring" die Trauma-Ambulanz der LVR-Klinik aufsuchte: "Ich konnte nach der Brandnacht nur sehr schlecht schlafen und essen, litt unter Zitter-Attacken und Konzentrationsschwächen. Auch unser Sohn hat nachts immer wieder geweint und geschrien." Laut Polizeipressesprecher Frank Sobotta liegt es ermittelnden Kollegen fern, Opfern und Zeugen ein schlechtes Gewissen zu machen: "Aber es gehört bei Ermittlungen dazu, Zeugen darauf hinzuweisen, dass sie sich durch etwaige Falschbeschuldigungen strafbar machen könnten."

Überführt wurden die Brandstifter knapp zwei Monate später, nachdem sie zusammen mit einem Komplizen (18) einen Getränkemarkt in Wiescheid überfallen hatten. "Schwerer Raub" lautete die Anklage in diesem Fall. Weil darauf nach Erwachsenen-Strafrecht mindestens fünf Jahre Freiheitsstrafe stehen, sah sich Staatsanwalt Matthias Ridder, der die Brandstiftung bearbeitet, nach eigenem Bekunden veranlasst, sein eigenes Ermittlungsverfahren einzustellen. Grund: Die wegen der Brandstiftung zu erwartende Strafe falle neben der Strafe, mit der wegen des bewaffneten Raubüberfalls zu rechnen ist, "nicht beträchtlich ins Gewicht". So steht es in dem Schreiben der Staatsanwaltschaft, das Leonidas Issos fast zeitgleich mit dem Wiedereinzug in die renovierte Wohnung erhielt.

Bewährungsstrafen für Überfall

Dumm nur, dass die Räuber, die auch Brandstifter sind, mit Bewährungsstrafen davongekommen sind: Das Düsseldorfer Amtsgericht verurteilte sie zu zehn und zwölf Monaten sowie je 60 Sozialstunden. Das war vor drei Wochen, zufällig am selben Tag, auf den auch das Schreiben der Staatsanwaltschaft an Issos datiert ist. Staatsanwalt Ridder wusste bis Montag noch nichts vom Ausgang des Raubüberfall-Prozesses: "Damit stellt sich die Sache natürlich anders dar", sagte er auf RP-Anfrage: "Unter diesen Umständen werde ich das Ermittlungsverfahren wegen der Brandstiftung voraussichtlich wieder aufnehmen."

Leonidas Issos hielte es nach eigenen Worten für einen "Skandal", wenn die Brandstifter wegen ihrer Tat nicht belangt würden. Von der Einklagung "etwaiger zivilrechtlicher Ansprüche", auf die das staatsanwaltliche Schreiben hinweist, will er jedoch nach Absprache mit seinem Anwalt absehen: "Das würde uns nur wieder aufwühlen. Und nach allem, was ich in dem Fall bisher erlebt habe, brächte so ein Verfahren sowieso nichts."

* Namen der Familie geändert

(RP/rl)
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