Unternehmer hilft bei der Integration Schüren beschäftigt zwölf Geflüchtete

Langenfeld/HILDEN · Sie stammen aus Albanien, Syrien oder Afghanistan und machen eine Ausbildung oder arbeiten bereits als Fachverkäuferin, Hilfskraft oder Bäcker. Warum beschäftigt ein Unternehmer so viele Geflüchtete? „Weil die Erfahrungen mit diesen Mitarbeitern überwiegend positiv sind“, erzählt Roland Schüren.

 Perwin Rashed bereitet Croissants vor. Sie ist Kurdin und floh mit ihrer Familie aus dem vom Bürgerkrieg verwüsteten Syrien.

Perwin Rashed bereitet Croissants vor. Sie ist Kurdin und floh mit ihrer Familie aus dem vom Bürgerkrieg verwüsteten Syrien.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Manchmal begegnen Journalisten unerwartete Geschichten: Da will man eine Frau mit Migrationshintergrund treffen, die eine Ausbildung bei der Bäckerei Schüren macht. Und zwei Telefonate später wird klar, dass sie elf Kollegen und Kolleginnen hat, die ebenfalls als Flüchtlinge nach Deutschland kamen und nun in Lohn und Brot bei dem Hildener Unternehmen sind.

Aber der Reihe nach: Narges Rahimi hat im August letzten Jahres ihre Lehre als Fachverkäuferin im hiesigen Bäckerei-Betrieb mit insgesamt 250 Mitarbeitern begonnen. Die 28-Jährige stammt aus Afghanistan, studierte Islamwissenschaft und arbeitet jetzt in der Hochdahler Filiale. Das erfährt die RP bei einem Treffen mit weiteren sieben Migranten, die zu einem Gespräch in die Unternehmens-Zentrale eingeladen wurden. Insgesamt zwölf Flüchtlinge arbeiten teilweise schon über fünf Jahre in einer der 19 Schüren-Filialen.

Neben Narges sitzt ihre Kollegin Mitless Jacky Nirvan. Sie ist 30 Jahre alt und stammt aus Indien. Die alleinerziehende Mutter von drei Kindern hat in ihrer Heimat studiert und den akademischen Grad „Bachelor of Art“ erworben. Sie lebt seit vier Jahren hier und konnte nicht ahnen, dass ihr Ehemann sie vor kurzem verlassen würde. Jetzt verkauft sie Brötchen, um die Kinder zu ernähren.

Beiden Frauen, die so propper in weißen Blusen und schwarz-weißen Schürzen hinter Verkaufstheken stehen, könnten manche Menschen intellektuell nicht das Wasser reichen.

Perfekt Deutsch können sie aber nicht. „Manchmal werden wir dann angesprochen, als könnten wir nicht bis Drei zählen.“ Das verletze. Andererseits, so sagt die zierliche Frau aus Indien, müsse sie hier keine Angst haben, nach der Arbeit allein im Bus zu fahren.

Kollege Halit Margjoka kam vor fünf Jahren im Alter von 16 Jahren ohne Begleitung aus Albanien nach Deutschland. „Ich wollte eine Ausbildung suchen“, strahlt der frischgebackene Bäckergeselle heute. Manchmal vermisst er seine Familie und unbeschwertes Zusammensein.

Sein Kollege Safir Sedigi wollte in erster Linie den Bomben in seiner Heimat Afghanistan entkommen. Er konnte dort die Schule nur bis zur 9. Klasse besuchen und musste erleben, dass Angehörige getötet wurden. Nur in Begleitung seiner Cousine hat er sich über zwei Monate lang über die Türkei und dann per Boot nach Europa aufgemacht. Jetzt ist der 22-Jährige im dritten Lehrjahr als Bäcker in Hilden beschäftigt.

Es gäbe noch viele persönliche Geschichten von den Migranten zu erzählen, aber nicht alle wollen die in der Zeitung lesen. Für manche sei das einfach zu schmerzlich, heißt es nach dem Gespräch.

Dass berufliche Integration nicht immer einfach ist, weiß Tatiana Boxhorn aus eigener Erfahrung. Sie stammt aus Sibirien, lebt seit 20 Jahren hier und ist heute verantwortlich für Personaleinstellung und die Team-Besetzung des Unternehmens: „Menschen aus Agrarländern wie Afghanistan tun sich in Handwerker-Berufen leichter.“

Sie kann sich noch gut erinnern, dass für sie vor zwei Jahrzehnten die Kombination von Pelzmänteln mit Lackschuhen völlig fremd war. „Wir trugen zuhause Fell zum Wärmen.“

Lazkin Almohammad floh aus Syrien. Er hat in seiner Heimat Jura studiert, war Rechtsanwalt und vier Jahre Bürgermeister seiner Stadt an der Grenze zur Türkei. Als die 2013 bombardiert wurde, flüchtete er.

Rund 10 000 Euro musste er für die Fluchthilfe bezahlen, die er durch den Verkauf seiner Wohnung aufbrachte. Zwei seiner drei Söhne studieren in Deutschland. Er selbst arbeitet als Fahrer bei Schüren. „Wir sind zufrieden. Hier leben wir in Freiheit und einer Demokratie. Das war uns als Kurden zu Hause unmöglich.“

Deshalb will die Familie auch nicht zurück. Seine Frau, Perwin, arbeitet im Schichtdienst als Produktionshilfe in der Backstube.

Bei allen positiven Entwicklungen im Leben der Migranten bleiben die Probleme mit hiesigen Behörden und Asyl-Gesetzen im Fokus des Arbeitgebers. „Es wurden selbst bei Anträgen auf Praktika immer wieder Steine von den Arbeitsagenturen in den Weg gelegt“, kritisiert Inga Liebich, Assistentin der Geschäftsleitung.

Völlig unverständlich sei auch, dass Menschen, die hier eine wertvolle Arbeit leisten, wieder abgeschoben würden. „Ein Spurwechsel muss möglich sein“, ergänzte Inhaber Roland Schüren in der Gesprächsrunde.

Warum beschäftigt der Unternehmer so viele Geflüchtete? „Weil die Erfahrungen mit diesen Mitarbeitern überwiegend positiv sind“, meint Schüren: „Viele Geflüchtete sind in der Dualen Ausbildung. Im Handwerk ist es Tradition, dass wir als Betriebe und die Berufsschulen uns gemeinsam intensiv um die Azubis kümmern. Vielleicht sind sie dadurch insgesamt besser integriert.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort