Interview: Serie Redensarten (10) Auf dem Schlauch stehen ist verboten

Langenfeld · Warum bei der Feuerwehr niemand auf dem Schlauch steht und jeder Einsatz ein Risiko ist. Ein Fachmann erklärt es.

Dietmar Wichmann ist sich seiner Sache völlig sicher. Dass bei der Feuerwehr jemand auf dem Schlauch steht - das mag mal vorkommen. In Ausnahmefällen. Auswirkungen hat das aber nicht. Denn je nachdem, welche Wasserpumpe angeschlossen ist, liegen in einem prall gefüllten Feuerwehrschlauch bis zu 15 bar Wasserdruck an. Und so ist das Gruppenfoto mit Schlauch und Stadtbrandmeister Wichmann (55) für den sprichwörtlichen Wochenbeitrag eine Balanceübung. Da staut sich nichts. Schließlich nennen die Retter von der Wehr die von ihnen eingesetzten Schläuche nicht umsonst "Rohr".

Schon die gut zwei Dutzend Mitglieder der Mettmanner Jugendfeuerwehr lernen das Rohr-Alphabet. Es reicht von A - mit 110 Millimetern Durchmesser bis hinunter zu "D" mit 25 Millimeter Querschnitt. Das C-Rohr ist der klassische Feuerwehrschlauch: 42 Millimeter Durchmesser, aus denen rund 100 Liter Wasser pro Minute schießen; also etwa eine halbe Badewannenfüllung innerhalb von 60 Sekunden. Das löscht - hat den gut 210 freiwilligen und hauptamtlichen Feuerwehrleuten Mettmanns aber auch einen zwiespältigen Ruf eingetragen. "Der Brand an sich war gar nicht so schlimm, aber der Schaden, der durch das Löschwasser entstanden ist..." ist eine ebenso gängige, wie veraltete Thekenweisheit.

"Wir setzen vor allem bei Wohnungsbränden mittlerweile viel weniger Wasser ein als früher", sagt Mettmanns oberster Feuerwehrmann. Seit einiger Zeit gehört eine Art mit Wasser befüllter Feuerlöscher zur Ausrüstung der Wehr. Ganze acht Liter Wasser werden mit Hochdruck in einen Wassertröpfchennebel verwandelt. "Da reicht im Zweifel eine Füllung, um einen Zimmerbrand komplett zu löschen." Nur wenn große Industriehallen zu löschen sind - oder benachbarte Gebäude vor einem Übergreifen der Flammen geschützt werden müssen, kommen A- und B-Rohre zum Einsatz. "Die muss man schon mit mehreren Männern festhalten, sonst geht das Rohr mit einem spazieren."

Dass mal jemand sinnbildlich auf dem Schlauch steht, also partout nicht auf eine ganz offensichtliche Lösung kommt, verbietet sich bei der Feuerwehr ohnehin. Rund 450 Einsätze pro Jahr fährt die Mettmanner Wehr. Das ist alles dabei - von der im Baum verirrten Katze bis hin zum Brand mit Gefahrstoffen im Gewerbegebiet. Die früher einmal erlernten Kenntnisse allein helfen da kein Berufsleben lang weiter. "Wir müssen uns ständig fortbilden", sagt Feuerwehrchef Wichmann. Als er 1978 zur Mettmanner Feuerwehr kam, reichten einige Routineschnitte mit der Blechschere, um Unfallopfer aus einem Fahrzeug zu befreien. "Heute ist jedes Auto anders konstruiert. Da muss man genau wissen, wo Airbags sitzen und wo man ansetzen kann." Auf den über 20 Einsatzfahrzeugen sind deshalb Tablett-PCs an Bord, auf deren Bildschirm sich die Retter Konstruktionspläne jedes gängigen Fahrzeugs anschauen können.

Seit Solarzellen auf vielen Hausdächern sind, wird jeder Dachstuhlbrand zum lebensbedrohlichen Akt. "Diese Elemente stehen ständig unter Strom." Mittlerweile spricht die Feuerwehr wenigstens bei den Solardächern auf öffentlichen Gebäuden ein Wörtchen mit. "Da gibt es mittlerweile zentrale Notausschalter, so dass wir die Verbindungen zum Stromnetz kappen können."

Rücksichtlos zugeparkte Rettungswege? Über so etwas will sich Wichmann gar nicht mehr aufregen: "Wer derart gedankenlos vorgeht, muss halt wissen, dass wir im Zweifel viel länger brauchen, um einen Brand löschen und Menschenleben retten zu können." Seine Gedanken sind bei den Hildener Kollegen, die kürzlich beim einem Brand lebensgefährlich verletzt wurden. "Wir alle hier auf der Wache hoffen, dass es ihnen bald bessergeht", sagt Wichmann mit leiser Stimme. Der Unfall hat allen Rettern gezeigt: Bei jedem Einsatz fährt das Risiko mit.

(RP)
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