Langenfeld „Andere schaffen’s doch auch“

Düsseldorf · Heike Schelzig (27) hatte keine guten Startbedingungen. Inzwischen erhält die vierfache Mutter regelmäßig Hilfe von einer Familienpflegerin und einer Sozialpädagogin – und will lernen, den Alltag allein in den Griff zu bekommen.

Heike Schelzig (27) hatte keine guten Startbedingungen. Inzwischen erhält die vierfache Mutter regelmäßig Hilfe von einer Familienpflegerin und einer Sozialpädagogin — und will lernen, den Alltag allein in den Griff zu bekommen.

An der Wand des in freundlich-warmen Farben gestalteten Wohnzimmers hängt ein Lebkuchenherz: "Erst mit dir habe ich erkannt, was Liebe ist", erklärt die Zuckerguss-Schrift. Liebe: Die war in den 27 Lebensjahren von Heike Schelzig eher Mangelware. Mit ihren Eltern, beide Alkoholiker, und sieben Geschwistern lebte sie in einer Düsseldorfer Notunterkunft und kam mit elf ins Heim — "zusammen mit meinem vierjährigen Bruder, der mich Mama genannt hat".

Die neunte Klasse brach die 16-Jährige ab, bekam drei Jahre später ihr erstes richtiges Kind: Christian. Dessen Vater habe sie "von der Außenwelt abgeschottet und mich klein gemacht, um sich gut zu fühlen", bilanziert sie heute. Vor vier Jahren lernte Heike Schelzig ihren zweiten Mann kennen, mit dem sie drei weitere Kinder hat: Jerremy (drei), Jason (ein Jahr) und Joanna (vier Monate).

Fröhlich glucksend liegt das Nesthäkchen in den Armen von Kerstin Mühlhausen. Die Diplom-Sozialpädagogin betreut die Patchwork-Familie seit etwa zwei Jahren. Schon in Düsseldorf hatte Heike Schelzig die sozialpädagogische Familienhilfe in Anspruch genommen und sich nach ihrem Umzug ans Langenfelder Jugendamt gewandt. "Die Kinder, die Schulden, der Papierkram — das ist mir alles über den Kopf gewachsen." Zumal Ehemann Alexander als Staplerfahrer täglich von 5.30 bis 17.30 Uhr außer Haus ist.

Kerstin Mühlhausen schaut inzwischen zwei bis drei Mal die Woche nach dem Rechten — "bei einer akuten Krise auch täglich". Außerdem finanziert das Jugendamt noch bis Ende März eine Familienpflegerin. Iris Niemann kommt jeden Vormittag bis zu vier Stunden ins Haus, leitet Heike Schelzig bei der Haushaltsführung an, stellt mit ihr Essens- und Wochenpläne auf und hilft bei den Kindern.

Morgens darf Christian den Bus zur Sprachförderschule nach Monheim nicht verpassen, und Jerremy muss pünktlich im Kindergarten sein. Die beiden "Großen" haben von der Betreuung durch den Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) besonders profitiert: Christian hatte für ein Jahr einen "Balu" und Jerremy derzeit eine Familienpatin, die sich jeweils um ein Kind besonders kümmern. Über Spenden bekommt Christian nun auch einen Schwimmkursus finanziert; für ihn musste Ergotherapie, für Jerremy Logopädie beantragt werden.

Heike Schelzig ist dankbar für die Unterstützung: "Es ist toll, was in Langenfeld alles für Familien getan wird — aber irgendwann möchte ich auch mal auf eigenen Füßen stehen." Dabei helfen die halbjährlichen Hilfeplan-Gespräche mit dem Allgemeinen Sozialen Dienst. Und seit die 27-Jährige zusätzlich in Gesprächstherapie ist, hat sie an Selbstbewusstsein gewonnen: "Andere Mütter schaffen es doch auch, ihren Tag zu strukturieren."

Mit Geld umgehen zu lernen, ist einer ihrer wesentlichen Wünsche fürs neue Jahr. Und eine größere Wohnung — derzeit leben die Schelzigs mit sechs Personen auf 74 Quadratmetern. Weiterer Wunsch: "Dass ich meinen Papierkram mal allein erledigen kann." Deshalb würde sie gern die Abendschule besuchen, auch, um Englisch zu lernen. "Heute ärger' ich mich, dass ich die Schule nicht zu Ende gemacht habe. Ich glaube, ich hätte den Realschulabschluss schaffen können." Doch für persönliche Fortbildung und den 400-Euro-Job, dem sie hin und wieder sonntags in einer Bäckerei nachgeht, müsse sie sich auf ihren Partner verlassen können. "Sonst bin ich gedanklich immer bei den Kindern."

Von ihnen fühlt sich Heike Schelzig geliebt und gebraucht, ihnen will sie "etwas ermöglichen". Wie Christian, dem sie von ihrem ersten selbstverdienten Geld einen Gameboy geschenkt hat. "Wenn's mir gut geht, überträgt sich das auch auf die Kinder", hat die vierfache Mutter beobachtet. Schlechte Erfahrungen werfen sie hingegen wieder zurück — wie bei manchen Ämtergängen, "wenn ich von vornherein in die Schublade gesteckt werde: überforderte junge Mutter, doof und naiv". Denn das ärgert sie: "Dass ich immer erst sauer werden muss, um was zu erreichen." Lieber würde sie ihr Leben harmonischer gestalten.

(RP)
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