Heinsberg Yigit Muk macht Häftlingen Mut

Heinsberg · Vom Straßenschläger zum Einskommanull-Abiturienten

Heinsberg: Yigit Muk macht Häftlingen Mut
Foto: JÜRGEN LAASER

Wenn nicht alle der 15 Jungen einen grünen Pulli und eine blaue Hose tragen würden, könnte der Betrachter denken, es wäre ein Klassenraum in einer ganz normalen Schule. Die grüne Tafel, die Tür, an der ein Schild den Letzten auffordert, das Licht auszumachen. Und an den Wänden hängen selbst gebastelte Plakate über das Deutsche Kaiserreich, die beiden Weltkriege und die Europäische Union. Der Klassenraum befindet sich in der Justizvollzugsanstalt Heinsberg.

Die 15 Jungen gehören einer Vorbereitungsklasse an. Im Unterricht werden die jungen Häftlinge auf die Zeit nach ihrer Entlassung vorbereitet. Heute ist Yigit Muk aus Berlin-Neukölln zu Besuch, um ihnen von seiner Lebensgeschichte zu erzählen und aus seiner Autobiografie vorzulesen. In Kurzform geht die so: vom Straßenschläger zum Einskommanull-Abiturienten. In der Schulstunde will der 28-Jährige, der heute Wirtschaftswissenschaften studiert und Buchautor ist, den Häftlingen mit seiner Geschichte Mut machen, ihre Chancen zu nutzen.

Die Schulstunde beginnt mit einer Stunde Verspätung. Muk ist auf seiner Fahrt von Berlin nach Heinsberg in einen falschen Zug eingestiegen. Den Häftlingen ist das sympathisch. Es zeigt, dass auch Abiturienten mit Einserschnitt nicht perfekt sind. Alle nehmen es mit Humor. Dann beginnt Muk und erzählt: "Es hat sich nicht immer abgezeichnet, dass ich Abitur kriegen oder studieren würde." In den ersten Schuljahren habe sich ein ganz anderer Weg abgezeichnet. Damals sei er ein kleiner, schmächtiger Junge gewesen. Seine Freizeit habe er am liebsten auf der Straße verbracht, wo er und die anderen Kinder sich gegenseitig beleidigten. Zur Schule sei er nicht gerne gegangen. Aus den Beleidigungen wurden später auf der Hauptschule Schlägereien. "Meine Schule, das war die, die in Neukölln berühmt berüchtigt war", erzählt Muk.

An seine erste Schlägerei erinnert er sich gut: "Der Erste, den ich verprügelt hatte, der hat mich angefleht, dass ich aufhören soll." Er habe es aber nicht getan. Mit Freunden gründete Yigit Muk die Straßengang R 44. "Von da ging es steil bergab." Mehrmals täglich hätten sie sich geprügelt, Lehrer wurden gedemütigt. Die Schlägereien verschafften ihm Anerkennung und Respekt.

"Dafür schäme ich mich noch bis heute", gibt der 28-Jährige zu, bei dem in der neunten Klasse ein Umdenken begann. Als der kleine Bruder eines Gangmitglieds an Leukämie starb, sei im deutlich geworden, wie wertvoll das Leben ist. Später starb ein Klassenkamerad bei einem Autorennen. Außerdem sei da noch seine Mutter gewesen, deren größter Traum es war, dass einer ihrer Söhne Abitur macht. Er beschloss, ihr diesen Traum zu erfüllen: "Einfach nur, um sie lächeln zu sehen." Er schaffte es auf ein Gymnasium. Schule begann ihm Spaß zu machen. "Wie ich mich früher durch Gewalt profilierte, profilierte ich mich nun mit meinem Wissenstand." Der Weg sei kein einfacher gewesen, auch seine Voraussetzungen nicht. Aber auch mit schlechten Karten könne man etwas anfangen: "Jeder von Euch hat das Zeug in sich, Abitur zu machen."

"Hört sich gut an", sagt einer der Häftlinge.

(anek)
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