Wegberg Wortgefecht im Gerichtssaal

Wegberg · Beim Prozess gegen Ex-Chefarzt Arnold Pier wurden gestern vor dem Landgericht Mönchengladbach Zeugen im Fall Anna S. verhört. Staatsanwaltschaft und Verteidigung lieferten sich einen verbalen Schlagabtausch.

Es war eine bemerkenswerte Szene im Schwurgerichtssaal des Mönchengladbacher Landgerichts. Als Richter Lothar Beckers die Krankenschwester im Zeugenstand fragte, wie die offene Wunde am rechten Bein der Patientin Anna S. im Jahr 2006 im Wegberger Krankenhaus behandelt worden sei, sagte die 44-Jährige: "Die Patienten haben wir behandelt mit ..." Plötzlich brach die Zeugin ihre Aussage ab. Sie blickte zu Arnold Pier hinüber, der links von ihr auf der Anklagebank saß. Dann sagte die Krankenschwester: "Mit Zitronensaft." Warum ihr diese Aussage so schwer gefallen sei, wollte Richter Beckers wissen. Eine Antwort blieb die Zeugin schuldig.

Zeugen sagen aus

Im Klinik-Wegberg-Verfahren wurden gestern im Fall der 76-jährigen Patientin Anna S., die im Oktober 2006 nach der Behandlung in der Sankt Antonius Klinik gestorben war, weitere Zeugen gehört. Die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach macht Pier für den Tod von sechs Patienten verantwortlich. Im ersten Verfahren, in dem es um den Fall Margarete W. ging, war der frühere Eigentümer des 93-Betten-Hauses wegen Körperverletzung mit Todesfolge in einem minderschweren Fall zu 15 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Seine Verteidiger legten Rechtsmittel ein. Die Kammer prüft nun in einem zweiten Verfahren, ob die Vorwürfe aus der Anklageschrift in 17 weiteren Fällen zutreffen. Am Ende will das Gericht ein Gesamturteil fällen.

Im Tatkomplex Anna S. interessierte das Gericht gestern besonders die Frage, ob die Patientin ausreichend und rechtzeitig darüber aufgeklärt worden sei, dass ihre offene Wunde am Bein mit frisch gepresstem Zitronensaft behandelt wurde. Nach Aussage der Zeugin hat Pier die Patientin über den Einsatz von Zitronensaft informiert. Oberstaatsanwalt Lothar Gathen zeigte sich sehr verwundert über das gute Erinnerungsvermögen der Zeugin. Eine weitere Krankenschwester hatte zuvor ausgesagt, der Fall Anna S. sei zu lange her und sie könne sich überhaupt nicht daran erinnern. Piers Rechtsanwalt Egon Geis erkannte in den Fragen der Staatsanwaltschaft die Absicht, die Zeugin beeinflussen zu wollen. Es kam zu einem lautstarken Wortgefecht, das Richter Beckers beenden musste.

Der frühere Hausarzt von Anna S. sagte, dass die zahlreichen Vorerkrankungen der Patientin bekannt gewesen seien. Warum er seine Patientin ins Wegberger Krankenhaus einwies und nicht etwa ins nähergelegene Süchtelner St. Irmgardis-Krankenhaus, wo Anna S. zuvor stationär behandelt worden war, konnte der Hausarzt nicht erklären.

Bisherige Berichte im Internet unter

(RP)
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