Hückelhoven Wenn Alltag und Finanzen überfordern

Hückelhoven · Die Schuldner- und Insolvenzberatung des Diakonischen Werkes verzeichnet stabile Beratungszahlen. Junge und allein lebende Menschen sind anfällig für Schulden. 61 Prozent ratsuchender Hartz-IV-Bezieher sind unter 30 Jahre alt.

 Wolfgang Meier, Leiter der Schuldnerberatungsstelle, erläuterte Zahlen, Fakten und Hintergründe aus der Beratungsarbeit.

Wolfgang Meier, Leiter der Schuldnerberatungsstelle, erläuterte Zahlen, Fakten und Hintergründe aus der Beratungsarbeit.

Foto: JÜRGEN LAASER

Singles, Alleinerziehende und junge Menschen ohne Arbeit und Lohn betrifft ein überdurchschnittliches Risiko, in eine Überschuldung zu rutschen. Zusätzliches Risiko ist fehlender Rückhalt in der Familie ohne Zugriffsmöglichkeit auf Erspartes. Dieses Fazit zogen die Berater der Schuldner- und Insolvenzberatung des Diakonischen Werkes in ihrem Jahresbericht. Bei der Analyse der Lebenssituation der Ratsuchenden fiel außerdem ein für die Mitarbeiter überraschendes Ergebnis auf: 61 Prozent der Ratsuchenden im ALG II-Bezug war noch keine 30 Jahre alt.

Von stabilen Klientenzahlen in der Beratungsstelle an der Haagstraße sprach deren Leiter Wolfgang Meier. Insgesamt hat das Team im abgelaufenen Jahr 1553 Haushalte beraten (1519 waren es 2013), davon 873 Neuaufnahmen (im Jahr davor 896). Das Verhältnis von Insolvenz- zu Schuldnerberatungen hat sich gedreht: Die Zahl der Schuldnerberatungen übersteigt mit 822 die der Insolvenzberatungen (731). In 337 Verbraucher-Insolvenzen mit Restschuldbefreiung gab es nur 29 Einigungen mit Gläubigern. In weiteren 36 Fällen hatte die Beratung das Ergebnis, dass der Klient einen Regelinsolvenzantrag stellen musste. Die Firmeninsolvenz ist dann gegeben, wenn die Person noch selbstständig ist, mehr als 19 Gläubiger und Forderungen aus Beschäftigungsverhältnissen hat. Bundesweit ist die Zahl der Verbraucherinsolvenzen rückläufig. Was aber nicht bedeutet, dass sich die Menschen weniger oft in Schulden verstricken. Gründe für den Rückgang der Fälle könnten die günstige Arbeitsmarktentwicklung und Einführung des neuen Pfändungsschutzkontos sein sowie Angst vor Nachteilen durchs Insolvenzverfahren - nicht zuletzt die Arbeitsbelastung der Schuldnerberatungsstellen durch Zusatzaufgaben.

Nach Erfahrung der Hückelhovener Berater ist der Hintergrund eher darin begründet, dass es nicht den einen Grund für Schuldenlast gibt, sondern Ratsuchende einen ganzen Packen von Problemlagen schleppen - wenig Einkommen, Trennung, ungeklärter Unterhalt, Miet- und Stromrückstände. Da müssen die Berater sortieren. Wolfgang Meier: "Die Beratungsfälle werden insgesamt problematischer. Wir müssen mehr beraten und diskutieren, den Schuldenberg im Zusammenhang mit anderen Problemen sehen." Neuzugänge kommen vermehrt, weil sie eine Bescheinigung über den geschützten Freibetrag für das "P-Konto" brauchen. Meier spricht von einer großen Schutzwirkung dieser Regelung auf die Verbraucher: "Der Schuldner muss keine überraschende Pfändung mehr fürchten." 440 Bescheinigungen für Pfändungsschutzkonten hat die Beratungsstelle 2014 ausgestellt (2011 waren es 270). Allerdings sind in dieser Gesamtzahl auch Folgebescheinigungen für die Banken enthalten.

Superintendent Jens Sannig fällt das Phänomen junger alleinerziehender Mütter auf, die mit der Organisation des Alltags schon überfordert sind. Herbert Hamann, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes im Kirchenkreis Jülich, sieht das Problem nicht nur bei Frauen: "Jungen Menschen gehen Alltagskompetenzen zunehmend verloren." Er berichtete von einem Projekt, das sich im Kreis Düren fest etabliert hat: Präventionsarbeit mit Menschen unter 25 ("Finanzführerschein") und Aufklärung in Familienzentren. Das notierte sich als Anregung Kreis-Sozialamtsleiter Andreas Louven, der die Präsentation des Jahresberichts im Gemeindezentrum mit Interesse verfolgte.

(RP)
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