Zwischen Wehmut und Hoffnung So feiern Familien im Erkelenzer Land Ostern
Erkelenzer Land · Von Familien-Videokonferenz bis Intensivstation: Wir haben Menschen aus der Region gefragt, wie sie Ostern verbringen und erleben.
Wassenbergs Bürgermeister Manfred Winkens erlebt die Corona-Krise in den letzten Monaten seiner Amtszeit. Dass er in dieser Phase noch einen Krisenstab koordinieren und die Verwaltung hinter verschlossenen Türen im Krisenmodus laufen muss, hätte er sich natürlich nicht träumen lassen. Dennoch geht er relativ entspannt mit der Situation um. Die Mitarbeiter zögen mit. Winkens gehört mit 69 Jahren selbst schon zur Risikogruppe der Älteren. „Klar, da läuft man nicht mehr überall rum. Die Abstandsregel gilt für mich in der Verwaltung ebenso wie im Supermarkt.“
Private Kontakte schränkt er ein. In seiner Urlaubswoche nach Ostern hatte er eigentlich eine mehrtätige Radtour gemeinsam mit seiner Partnerin entlang der Mosel geplant. „Jetzt werden wir halt kleine Touren an der Rur machen. Wir haben hier ja diese vergleichsweise idealen Möglichkeiten im Gegensatz zu vielen Großstadtmenschen in engen Wohnungen. Dafür muss man auch dankbar sein“, sagt er Sorgen machen ihm in diesen Tagen eher die Gastronomen und Gewerbetreibenden, die jetzt Zukunftsängste haben müssen. Ob etwa das Wassenberger Aushängeschild Schlemmermarkt in diesem Jahr in gewohnter Form stattfinden kann, sei noch völlig offen. „Wir planen daher mehrgleisig“, sagt Winkens, der die Hoffnung nicht aufgibt.
Die Sorgen vieler Geschäftsleute teilte auch die Erkelenzer Friseurmeisterin Karla Alexander, Inhaberin des Salons Wüllenweber, vor der angeordneten Schließung des Salons. Für eine gewisse Entspannung bei ihr sorgte dann aber die gute Beratung durch die Kreishandwerkerschaft und die schnelle unbürokratische Hilfe des Landes. „Innerhalb von vier Tagen war das Geld da. Aber natürlich hoffe ich, bald wieder arbeiten zu können“, sagt sie Alexander kümmert sich jetzt um ihre mit im Haus lebende Mutter. Wermutstropfen zu Ostern: „Das traditionellen Oster-Treffen unserer rund 30-köpfigen Familie – ich habe fünf
Geschwister – muss leider ausfallen.“
Die Sorgen kleiner Unternehmer erlebt auch Doris Wilms-Dohmen mit ihrem derzeit geschlossenen Wassenberger Modegeschäft, in dem die aktuelle Frühjahrskollektion zum Ladenhüter werden wird. Immerhin: Auch hier Lob für die Hilfsbereitschaft von Stadt, Behörden und offene Ohren der regionalen Abgeordneten. Ehemann Alexander Dohmen hat sich darum gekümmert, dass das Ostertreffen der großen Familie mit sechs Kindern und acht Enkeln diesmal digital als „virtuelles Osterfrühstück“ über die Bühne gehen kann.
Religiöse Menschen wie Marlene Sendke, Pfarrsekretärin in Wassenberg, vermissen in diesen Kar- und Ostertagen natürlich die gewohnte Gemeinschaft in den traditionellen Gottesdiensten und Kreuzwegandachten besonders. „Dennoch versuche ich, jeden Tag dieser Kar- und Osterwoche bei einer täglichen Messe oder Andacht im Internet zu erleben“, sagt sie. Sendke freut sich auf die Familienmessen, die die Pfarre St. Marien zu Ostern per Livestream überträgt. Rudolf Lengersdorf, Vorsitzender der Kammermusikfreunde Con Brio aus Hückelhoven, leidet als Kulturmensch in diesen Tagen besonders unter der Absage aller Konzerte und muss für Con Brio etliches umorganisieren: „Daher genieße ich derzeit jedes gute Konzert, das im Fernsehen übertragen wird.“
Eine Herausforderung ist die Corona-Krise vor allem für das Familienleben mit kleineren Kindern. So war es für Miriam und Andreas Much aus Erkelenz nicht einfach, ihrer vierjährigen Tochter Lilly zu erklären, was Corona ist und warum sie jetzt schon so lange nicht mehr in den Kindergarten gehen und ihre besten Freundinnen treffen darf. „Darunter leidet sie echt“, sagt Miriam Much. „Jetzt fiel auch noch die Geburtstagsfeier der besten Freundin aus. Lilly hat auch schon geweint und gesagt: ,Das blöde Corona soll endlich weggehen‘.“ Gottlob wohnen Oma und Opa in unmittelbarer Nachbarschaft in Kückhoven. Da kann man sich immerhin gleichsam über den Gartenzaun mal zuwinken und etwas zurufen. Hinzu kommt auch bei Muchs, die beide berufstätig sind, der organisatorische Spagat zwischen Job mit zeitversetzten Diensten und Familienleben. Trotzdem soll Ostern kindgerecht und stimmungsvoll gefeiert werden.
Vergleichsweiser locker gehen viele Jugendliche mit der Situation um – auch dank des versierten Umgangs mit den digitalen Medien. Felix Peters (16), Gesamtschüler aus Wegberg, verbringt jetzt viel Zeit am Computer, nutzt die sozialen Medien zum Kontakt mit Freunden, oder geht raus zum Joggen, allein oder mit einem Freund – in gebotenem Abstand.
Als Krankenschwester auf der Intensivstation gehört Christiane Merz-Valsamidis aus Wegberg zu den derzeit wohl am stärksten belasteten Berufstätigen. Obwohl sie jetzt täglich mit Corona-Patienten zu tun hat, stöhnt sie nicht. Im Gegenteil: „Es ist bei aller Belastung derzeit auch schön zu erleben, wie wir in einem tollen Team zusammenarbeiten und auch Anerkennung erfahren.“ Sie hat sich freiwillig zum Dienst am Ostermontag gemeldet, „um die Kollegen zu entlasten. Jede helfende Hand ist halt jetzt willkommen.“ Fast belastender als die Arbeit empfindet sie privat, dass sie – als Schwester Angehörige der höchsten Risikogruppe - schon seit sechs Wochen ihre Tochter und die sieben Jahre alte Enkelin nicht mehr treffen und umarmen darf. Und auch, dass sie ihrer in der Nähe lebenden Mutter (74), die seit kurzem erst Witwe ist, auch zu Ostern nur auf Distanz begegnen kann.
Zwölf Stunden werktags im Dienst, Rufbereitschaft und Telefonkonferenzen mit dem Krisenstab von Zuhause auch am Wochenende – so sieht seit Karneval die Arbeit von Jann Habbinga, Verwaltungsdirektor des Erkelenzer Krankenhauses, aus. Während seine Frau als Lehrerin und seine beiden Kinder (9 und 11) seit Wochen die meiste Zeit zu Hause verbringen müssen, sei er jetzt leider noch mehr weg als sonst. Habbinga freut sich deshalb auf ein hoffentlich ruhiges Osterfest und einige Tage Urlaub danach – aber auch dies im Standby-Modus, falls die Klinik ruft. „Wir genießen dann einfach mal die Zeit zu viert, skypen mit unseren Eltern und telefonieren mit meinem 95-jährigen rüstigen Opa in Brüggen. Klar, die Kinder vermissen den direkten Kontakt zu ihren Schulfreunden, immerhin sorgt seit zwei Wochen unser Hund als neuer Mitbewohner für Abwechslung.“
Habbinga ist zufrieden, dass sich die Arbeitsabläufe im Krankenhaus so gut eingespielt haben und ein unaufgeregtes Krisenmanagement möglich ist: „Wir lernen jeden Tag dazu.“ Vor allem ist er dankbar dafür, dass bislang nur wenige Mitarbeiter mit milden Krankheitsverläufen vom Virus betroffen waren. Seine Osterhoffnung ist, dass dies so bleibt.