Wassermassen in Wassenberg und Hückelhoven Vor 100 Tagen kam die Flut
Erkelenzer Land · Heute vor 100 Tagen sorgten sich viele Menschen in Hückelhoven und Wassenberg um ihre Existenz. In Ophoven mussten 700 Menschen ihre Häuser verlassen.
Wiljo Caron, Ophovener Urgestein und Vorsitzender der Kinderkrebshilfe, hat in seinem Leben schon vieles erlebt. Doch so etwas noch nicht. Am Abend des 16. Juli 2021 mussten der 71-Jährige und alle übrigen 700 Dorfbewohner ihre Häuser verlassen. Ophoven wurde evakuiert. Weil an der Rur das Wasser über die Dämme lief und viele Straßen und Keller in dem kleinen Wassenberger Ortsteil kurz vor der niederländischen Grenze überschwemmte. Die Flut wurde zur ernsthaften Gefahr für Mensch und Tier.
Schon zwei Tage zuvor, das ist jetzt genau 100 Tage her, hatten die Menschen in Ophoven geahnt, dass sich vor ihrer Haustüre eine Katastrophe anbahnt. Der Wasserpegel der Rur stieg unaufhörlich, die Ankündigung des Wasserverbandes Eifel-Rur (WVER), dass die Rurtalsperre überlaufen würde, verstärkte die Sorgen der Menschen am Unterlauf der Rur. Fast schon verzweifelt packten hunderte freiwillige Helfer tausende Sandsäcke und hofften vergeblich, dass der Damm hält. Dabei hatte der zuständige WVER mit Hinweis auf neuartige Computersimulationen eine Überflutung von Ophoven noch im August 2020 bei einer Bürgerversammlung kategorisch ausgeschlossen.
Das Hochwasser im Erkelenzer Land sorgte zwischen dem 14. und 16. Juli für Schäden in Millionenhöhe. Menschen wurden nicht verletzt. Der Wassenberger Ortsteil Ophoven war entlang der Rur am stärksten betroffen. Nach der Evakuierung entspannte sich die Situation und die meisten Ophovener konnten nach einer Nacht bei Freunden, Verwandten oder in der Mehrzweckhalle in Birgelen wieder in ihre Häuser zurückkehren. Auf Hückelhovener Stadtgebiet verursachte das Hochwasser ebenfalls große Schäden. Hilfarth und Ratheim waren die Schwerpunkte. Auch in Brachelen wurden Straßenzüge evakuiert.
Nach dem Hochwasser an der Rur waren die Menschen tagelang damit beschäftigt, überschwemmte Keller, verschlammte Straßen, Schutt, Schrott und massive Schäden zu beseitigen. Viele hatten dabei die quälende Frage im Hinterkopf, wie es nun finanziell mit ihrem (Wohn-)Eigentum weitergehen soll. In einem betroffenen Neubaugebiet in Ophoven beispielsweise hatten rund drei Viertel der Hausbesitzer keine Elementarversicherung abschließen können, da die Versicherer Ophoven als Gebiet der höchsten Risikostufe einschätzen. „Es ist schlimm, wenn man vor seinem vollgelaufenen Keller steht oder Überreste in Gärten und auf Wegen findet, die nach dem Rücklauf der Rur geblieben sind“, erklärte Ortsvorsteher Ingo Caron. Es blieben nur Schrott, unbrauchbar gewordene Geräte, im Keller gehortete, durchnässte Gegenstände.
Nach der Flut erlebten die betroffenen Menschen im Erkelenzer Land eine Welle der Hilfsbereitschaft. Die Menge der Sachspenden war kaum noch zu bewältigen. Die Tage des Hochwassers waren viele nicht einfach, doch diese – und auch die Tage danach – haben gezeigt, dass die Menschen im Kreis Heinsberg ein besonderes Gemeinschaftsgefühl, einen besonderen Zusammenhalt haben. Über den Verein „HS – ein Kreis hilft“ gingen mehr als eine Million Euro ein, die den vom Hochwasser und den Überschwemmungen betroffenen Menschen im Kreis Heinsberg zu Gute kommen. „Diese Solidarität in Form der Spendenbereitschaft macht mich sprachlos und stolz zugleich“, sagte Landrat Stephan Pusch.
Der unglaubliche Zusammenhalt ist es auch, der Wiljo Caron im Zusammenhang mit der Hochwasserkatastrophe an der Rur im Jahr 2021 in Erinnerung bleiben wird. „Es ist beeindruckend, wie die Menschen in Krisenzeiten zusammenhalten“, sagt der 71-Jährige.