Kreis Heinsberg Viele Vorurteile - trotz besserer Lebensqualität

Kreis Heinsberg · Fortschritte in der Aidsbehandlung lassen viele Betroffene hoffen. Ihre soziale und wirtschaftliche Situation aber bleibt kritisch, sagt Renate Kaspar. Der Jahresbericht 2013 der AWO-Aids-Beratung liegt vor.

Trotz immer besser werdender Medikamente und der Möglichkeit, den Verlauf der Krankheit zu mildern und oft sogar eine normale Lebenserwartung zu erreichen, bleibt die Aids-Diagnose für die Betroffenen ein Schicksalsschlag. Nicht nur medizinische, auch psychosoziale Begleitung ist wichtig. Darum kümmert sich seit nun bald 27 Jahren der Aids-Beratungs- und Hilfsdienst der Arbeiterwohlfahrt (AWO) im Kreis. Die Einrichtung wird vom Kreis Heinsberg aus Landesmitteln unterstützt und ergänzt das Beratungsangebot (mit HIV-Testmöglichkeit) des Kreisgesundheitsamtes.

357 Beratungskontakte 2013 hatte die AWO-Aidsberatung, die jetzt ihren Jahresbericht vorlegt. Daraus geht hervor, dass 74 Menschen beraten oder begleitet wurden. 66 Veranstaltungen zur Aids-Vorbeugung - ein weiteres Aufgabengebiet der Einrichtung - wurden durchgeführt. Die von der Beratungsstelle koordinierte HIV-Selbsthilfegruppe traf sich neun Mal. Neben Einzel- und Paarberatungen führten die beiden hauptamtlichen Beratungskräfte Renate Kaspar und Rut Hölz (die sich eine Vollzeitstelle teilen) auch 20 Fachgespräche mit verschiedenen Berufsgruppen über die Aidsproblematik. Denn Vernetzung ist wesentlich für die Arbeit der Beratungsstelle, die Kontakte zu Ämtern, Ärzten, Krankenhäusern und auf Wunsch auch Arbeitgebern von Betroffenen sucht und die Klienten bei Bedarf bei Behördengängen begleitet.

"Der medizinische Fortschritt konnte nicht überall Vorurteile, Stigmatisierung und Diskriminierung abbauen", heißt es im Jahresbericht. Und Renate Kaspar fügt im RP-Gespräch hinzu: "Leider wissen immer noch zu wenige, dass von gut behandelten Aids-Patienten kaum noch Infektionsgefahr ausgeht und viele von ihnen einen fast normalen Alltag leben können. Aber gerade diese Menschen haben es, wenn sie mit ihrer Situation offen umgehen, sehr schwer, sozial akzeptiert zu werden - in Beruf, Freizeit oder auch im Ehrenamt."

Sorge machen Kaspar Menschen, die zu lange mit dem Risiko, eventuell HIV-positiv zu sein, herumlaufen, ohne sich durch einen Aids-Test Klarheit zu verschaffen. "Sie verschenken möglicherweise wertvolle Zeit für ihre Behandlung und schaden ihren nächsten Freunden."

Die verbesserte medizinische Situation vieler Betroffener zeige sich auch in einer Zunahme der Kurzkontakte von Menschen, die, gut eingestellt, mit ihrer Krankheit leben können. Rund 20 Klienten begleitet die Beratungsstelle hingegen schon viele Jahre. Spürbar wird auch, dass die Aids-Betroffenen älter werden. Im Kreis umfassen sie die Altersgruppe der 30- bis 60-Jährigen. Die wirtschaftliche Situation vieler Alt-Klienten sei ernst, sagt Kasper. Nur wenige von ihnen haben eine Arbeitsstelle. Die Zahl der Aids-Betroffenen im Kreis lässt sich nur grob schätzen, Kasper rechnet mit rund 100 Menschen. Etliche bevorzugen Beratungsangebote weiter entfernt von ihrem Wohnort.

Nach wie vor intensiv ist der Einsatz der Einrichtung bei Vorbeugungsprojekten etwa im Karneval, zum Welt-Aids-Tag, in Schulen und bei Gesundheits-Veranstaltungen.

(RP)
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