Heinsberg Vatersein lernen hinter Gittern

Heinsberg · Vater werden ist nicht schwer, aber Vater sein - wie geht das am besten? Diese Frage haben erstmals sieben Inhaftierte der Jugend-Justizvollzugsanstalt Heinsberg in einem Kursus vertieft. Das Projekt soll weitergeführt werden.

 Sie ziehen eine positive Bilanz (v. li.:) Stephan Schlebusch und Judith Jacobs (JVA-Sozialdienst), Dorothea Krollmann ("Frühe Hilfen"), Kursteilnehmer Chris, Franz-Josef Bischofs (stellvertretender Anstaltsleiter), Michael Goebbels.

Sie ziehen eine positive Bilanz (v. li.:) Stephan Schlebusch und Judith Jacobs (JVA-Sozialdienst), Dorothea Krollmann ("Frühe Hilfen"), Kursteilnehmer Chris, Franz-Josef Bischofs (stellvertretender Anstaltsleiter), Michael Goebbels.

Foto: KREIS HEINSBERG

Sie sind in jungen Jahren Vater geworden - und auch straffällig. Doch sie wollen gute Väter sein. Wobei der eigene Erziehungsberechtigte mutmaßlich kein gutes Vorbild war. In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Heinsberg leben aktuell 400 Gefangene, davon rund 30 junge Väter, manche minderjährig. Stephan Schlebusch, der langjährige Leiter des Sozialdienstes der JVA, kennt noch so manchen Vater der jetzt Einsitzenden von dessen Haftzeit. Ein Teufelskreis, so scheint es. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm? Ein Pilotprojekt in Kooperation mit den "Frühen Hilfen" im Kreis Heinsberg kann eine Chance sein, den Teufelskreis zu durchbrechen: Väterkursus hinter Gittern.

Was bedeutet das überhaupt, ein guter Vater zu sein? Heißt das, das Baby schon morgens vor den Fernseher zu setzen und es mit Schokolade zu füttern? Wie beschäftige ich ein Kleinkind, wie gestalte ich einen Tagesablauf mit einem Baby oder Kleinkind, was isst so ein Kind? Tragen, wickeln, füttern, das alles will gelernt sein. In dem gemeinsamen Projekt der JVA mit der Koordinierungsstelle der Frühen Hilfen im Kreis Heinsberg leitete Sozialarbeiter Michael Goebbels, selbst zweifacher Vater, sechs Themenabende. Die sollten die Inhaftierten in ihrer Vaterrolle stärken und ihnen Werkzeuge an die Hand geben, die sie für eine gelingende Vaterschaft brauchen. Vertrauliche Gespräche, Rollenspiele und Üben an lebensgroßen Babypuppen gehören zum Programm. Dorothea Krollmann, Leiterin der Koordinierungsstelle Frühe Hilfen, war selbst nicht zugegen, denn "von Mann zu Mann spricht es sich leichter, vor allem einem Vater gegenüber kann eine vertrauensvolle Atmosphäre entstehen", sagte sie. Sie äußerte sich ebenso erstaunt wie erfreut, wie viele einsitzende Väter Interesse an dem Kursus bekundeten. Und da musste es nicht um das "große Erziehungs-Einmaleins" gehen, sondern um vermeintlich einfache Dinge, ohne erhobenen Zeigefinger. "Ein Gefangener war total dankbar, Tipps bekommen zu haben, was er alles mit seinem Kind spielen kann", erzählte Krollmann. Dazu gab es Materialien wie ein Puzzle für Kleinstkinder. Auch das Thema "Schütteln" und Gewalt(vermeidung) war präsent. Dass Baby nicht "extra" weint, um Papa zu ärgern, sondern ein Bedürfnis äußert.

Um den Kursus effektiv zu halten, konnten zunächst nur sieben Inhaftierte teilnehmen. Diese erhielten nach Kursabschluss eine Teilnahmebestätigung, und - damit das Erlernte nachwirkt - sie schrieben am Schluss einen ausführlichen Brief an sich selbst, in dem sie sich daran erinnern, was es für sie bedeutet, ein guter Vater zu sein. Diesen Brief bekommen sie bei ihrer Entlassung.

In einem Abschlussgespräch äußerten sich die Inhaftierten ausgesprochen begeistert von diesem Kursus, wünschten sich noch mehr Themenabende, zum Beispiel "Wie belohnt man ein Kind?". Dem wird die JVA Heinsberg entsprechen. Der Väterkursus wird überarbeitet, inhaltlich erweitert und unter der Verantwortung der JVA weitergeführt. Stephan Schlebusch indes hofft, dass er die Söhne dieser Inhaftierten später nicht kennenlernen wird, zumindest nicht dienstlich.

(gala)
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