Radsport Vierfache Eroberung des "Erbarmungslosen"
Erkelenz · Der Mont Ventoux in den französischen Alpen ist selbst für die Radprofis der Tour de France eine der härtesten Prüfungen. Der Erkelenzer Dirk Gütte hat "den Erbarmungslosen" gleich vier Mal bezwungen - an einem Tag.
Vier Auffahrten führen auf den 1911 Meter hohen Mont Ventoux in den französischen Alpen. Drei asphaltierte Straßen und ein geschotterter Waldweg winden sich in Serpentinen auf das massive Monument, das 1951 zum ersten Mal im Streckenplan der Tour de France stand und inzwischen 15 Mal von den Profis der Frankreich-Rundfahrt erklommen wurde. Einfach nur in die Fußstapfen der Tour-de-France-Profis zu treten, war Dirk Gütte aber zu wenig. "Mich hat schon immer das Extreme gereizt", sagt der 40 Jahre alte aus Erkelenz stammende Hobby-Rennradfahrer. Und so setzte er sich ein ganz besonderes Ziel: Er wollte den Mont Ventoux gleich vier Mal an einem Tag bezwingen und somit Aufnahme in einen besonderen Klub finden. Denn wer es schafft, alle vier Auffahrten an einem Tag zu bewältigen, hat danach nicht nur 190 Kilometer und 6050 Höhenmeter in den Beinen, sondern darf sich auch "Galérien de Mont Ventoux" nennen, was soviel wie Sklave des Berges heißt. Lediglich 500 Personen weltweit haben das seit Gründung des Klubs im Jahr 1988 bisher geschafft.
Dirk Gütte vom Erkelenzer Radsportclub hat sich nun zu dieser exklusiven Gruppe hinzugesellt: Nach offizieller Anmeldung und schriftlicher Anforderung einer Stempelkarte, begab er sich mit zwei Fahrrädern - einem Renn- und einem Crossrad - im Gepäck in Richtung Provence, um sein unglaubliches Unterfangen in Angriff zu nehmen. "Eigentlich wollte ich schon früher fahren, aber ein Bänderiss hat mir eine mehrwöchige Trainingspause beschert, ehe ich das Okay von meinem Arzt bekam", sagt Gütte.
Früh am Morgen des 29. Mai führte Güttes erster Weg ins Rathaus von Bédoin, um sich den Start per Stempel bestätigen zu lassen. Gegen 6 Uhr nahm der Erkelenzer dann die sehr steile Südrampe von Bédoin aus in Angriff, die als schwerster Aufstieg gilt. Bis zum berühmten Funkturm auf der Spitze des Berges geht es ohne nennenswerte flache Abschnitte 1600 Höhenmeter und 21,5 Kilometer nahezu immer bergauf. "Da muss man Steigungen von sieben bis elf Prozent bewältigen", erklärt Gütte, der die erste Auffahrt mit Bravour meisterte.
Viel Zeit, den atemberaubenden Ausblick auf dem 1911 Meter hohen Gipfel zu genießen, hatte der 40-Jährige allerdings nicht. Nach Abholung des entsprechenden Stempels auf dem Gipfel, ging es über die ebenso lange westliche Serpentinenstraße hinunter nach Malaucéne und das Spiel wiederholte sich. Allerdings fiel Dirk Gütte die zweite Auffahrt schon deutlich schwerer: "Die war die härteste für mich. Eigentlich wollte ich mir auf dem Gipfel etwas zu Essen holen und meine Kohlenhydratspeicher wieder auffüllen, doch da war noch alles zu und ich bekam einen gefürchteten Hungerast." Entmutigen ließ sich Gütte aber nicht: Er schaffte den erneuten Gipfelsturm, plünderte dann den Schokoladentafelständer eines Kiosks, ehe es wieder ins Tal und zum dritten Mal zurück auf den Gipfel ging, um sich auch noch den Stempel für die etwas längere, aber dafür nicht ganz so steile Ostauffahrt von Sault aus zu holen.
Zurück in Bédoin musste dann ein neues Arbeitsgerät her: Gütte wechselte sein Rennrad gegen sein Crossbike. Mit diesem begab er sich über den sehr unwegsamen und nicht minder steilen Schotterweg zum vierten - und letzten - Mal hinauf zum Gipfel. Nach zwölfeinhalb Stunden reiner Fahrzeit und entsprechenden Pausen erreichte Dirk Gütte gegen 20 Uhr das Ziel - und ein neuer "Sklave des Mont Ventoux" war geboren.
Damit aber nicht genug: Zum Abschluss der Radreise suchte der Erkelenzer Radsportler noch einen weiteren Tour-Giganten auf, den berühmten Col du Tourmalet in den Pyrenäen. Die 18 Kilometer lange Auffahrt zum 2115 Meter hohen Pass bewältigte er in 1:39 Stunden, bevor es wieder zurück in die Heimat ging.