Segelfliegen Unter den Wolken

Erkelenz/Wanlo · Beim „Verein für Luftfahrt Mönchengladbach, Rheydt und Umgebung“ können Jugendliche für das Segelfliegen begeistert werden.

 Arend Dechow kennt sein Fluggerät in- und auswendig. Der Fallschirm ist Vorschrift, gebraucht hat er ihn aber noch nie.

Arend Dechow kennt sein Fluggerät in- und auswendig. Der Fallschirm ist Vorschrift, gebraucht hat er ihn aber noch nie.

Foto: Marvin Wibbeke

Wenn Arend Dechow vom Segelfliegen spricht, leuchten seine Augen. Sofort sieht man die Leidenschaft, die der Erkelenzer für seinen Sport hegt. „Für mich ist es das schönste Hobby der Welt. Dabei kann ich komplett abschalten, wenn ich mich voll und ganz auf das Fliegen konzentriere – aber natürlich auch den Blick von oben genieße”, schwärmt er.

Seit 1990 lebt der 55-jährige in Erkelenz, noch länger ist er schon dem Fliegen verfallen. Vor 32 Jahren hat Dechow einen Gastflug mitgemacht. „Das war schön”, dachte er sich damals, „aber selbst fliegen, das muss noch viel schöner sein.” Also meldete er sich kurzerhand beim „Verein für Luftfahrt Mönchengladbach, Rheydt und Umgebung” an, um dort das Segelfliegen zu erlernen – und ist dem Verein bis heute treu geblieben.

Der Flugplatz, auf dem der Verein seit 2002 zuhause ist, liegt auf Mönchengladbacher Stadtgebiet, allerdings an der direkten Grenze zu Erkelenz. „Und wenn man von der Startbahn abgehoben hat, ist man schon im Luftraum über Erkelenz”, sagt Dechow. Die Vereinsmitglieder haben die Gebäude und Hallen auf dem Gelände in Eigenregie gefertigt. Wo anfangs nicht einmal Strom- und Wasserzugänge waren, steht heute nicht nur ein Vereinsheim, sondern auch ein Hangar. Zusammen etwas aufbauen, das stärkt das Miteinander und den Teamgeist.

Im Flugzeug selbst sitzt außer dem Piloten zwar maximal noch eine weitere Person. „Trotzdem, Segelfliegen ist ein Mannschaftssport”, sagt Dechow mit Nachdruck. Denn damit ein Flugzeug in die Luft steigen kann, müssen mindestens fünf weitere Personen anwesend sein – und auch mit anpacken. Flugleiter, Lepofahrer, der die Seile wieder einsammelt, Fluglehrer, Starthelfer, jeder hat seine Aufgabe, die er an einem bestimmten Tag ausübt. Den einsamsten Job hat der Windenfahrer. Der sitzt am anderen Ende der Start- und Landebahn und beaufsichtigt die Winde, mit der die Flieger in die Luft gezogen werden. „Wir haben einen Schichtplan, jedes Vereinsmitglied hat mal Dienst und übernimmt mal jede Schichten”, erklärt Dechow.

Denn jeder, der Fliegen möchte, kann das auf dem Flugplatz in Wanlo zu relativ geringen Kosten machen. Dechow möchte mit dem Vorurteil aufräumen, dass Segelfliegen ein elitärer Sport sei. „Im Schnitt zahlt ein Mitglied bei uns im Jahr zwischen 400 und 600 Euro. Das schließt sowohl die Mitgliedschaft als auch die Flüge ein”, sagt er. Das funktioniere aber eben nur, weil alle im Verein ehrenamtlich mit anpacken. Auch ein eigenes Flugzeug wird nicht benötigt, alle Piloten und Schüler können die Vereinsflugzeuge nutzen.

Zwei Dinge müssen die angehenden Piloten aber doch mitbringen: Zeit und Ehrgeiz. „Das Hobby frisst schon viel Freizeit”, gibt Dechow zu. An den Wochenenden verbringen viele Vereinsmitglieder bis zu zwölf Stunden am Tag am Flugplatz. Neben der Vor- und Nachbereitung eines Fluges stehen im Winter Theorieunterricht und Baustunden auf dem Plan. „Doch wenn man im Frühling zum ersten Mal nach den Wintermonaten in die Lüfte steigt, ist das die Belohnung für die Mühen zuvor”, sagt Dechow und grinst, als hätte er seinen ersten Flug des Jahres wieder sofort vor Augen.

Schon ab dem Alter von 14 Jahren kann man das Segelfliegen erlernen und Flugstunden nehmen. Der Flugschüler, der noch nicht mit dem Mofa zum Flugplatz fahren darf, sitzt wenig später in einem Segelflugzeug. Und das nicht mal zwingend mit einem Lehrer an Bord. „Wenn der Schüler die notwendigen Lehrerstarts absolviert hat, darf er schon bald alleine Fliegen – auch mit 14 Jahren”, erklärt Dechow. Voraussetzung ist allerdings eine Bescheinigung des Fliegerarztes, die die Tauglichkeit bestätigt. Zu diesem Arzt müssen übrigens alle Piloten in regelmäßigen Abständen zur Untersuchung.

Auch der 19-jährige Moritz Dieth aus Hückelhoven hat früh mit dem Segelfliegen begonnen. Heute hat er seine Pilotenprüfung. Bevor es aber in die Luft geht, wird das Fluggerät genau inspiziert und das Flugzeug für den Start vorbereitet. Dann ist es endlich so weit. Der Starthelfer befestigt das Seil am Flugzeug. Wenn er den Arm hebt und das Signal gibt, dass es losgehen kann, nimmt der Flugleiter Kontakt zum Windenfahrer auf. Erst wenn alle auf Position sind, wird die Winde gestartet. Dann geht alles ganz schnell. Von null auf 100 Kilometer in der Stunde beschleunigt das Flugzeug in drei Sekunden. Wenige Sekunden später hat der Flieger nicht nur abgehoben, sondern befindet sich schon in 300 Metern Höhe. Sobald sich das Seil ausgeklinkt hat und zu Boden fällt, fliegt Moritz mit dem Prüfer motorlos weiter – auch bei Windstille.

 Moritz Dieth.

Moritz Dieth.

Foto: Dechow

Um an Höhe zu gewinnen, nutzen Segelflieger die thermischen Aufwinde, die vom Boden bis zu mehreren tausend Metern in den Himmel reichen können. In der aufsteigenden Warmluft schrauben sie sich dann nach oben bis unter die Wolken. Da diese thermischen Aufwinde nicht so leicht zu finden sind, nutzen die Piloten neben dem Variometer, das anzeigt, ob es auf- oder abwärts geht, auch die Tricks der Natur. „Greifvögel steigen genauso auf. Auch sie brauchen diese Aufwinde. Deshalb halten wir immer Ausschau nach ihnen, sie können uns zu den Strömungen führen”, erklärt Dechow. Unter anderem deswegen hat der Verein an seinem Flugplatz auch Nistkästen für Falken erbaut, die auch bewohnt sind.

Einen solchen warmen Aufwind sucht Moritz diesmal aber nicht. Es reicht dem Prüfer eine Platzrunde, in der der Schüler unter Beweis stellt, dass er das Flugzeug ordentlich lenken und auch wieder sicher runterbringen kann. Vom Boden aus erklärt Dechow, worauf Moritz oben in der Luft zu achten hat: „Neben den technischen Geräten wie dem Variometer, dem Höhenmesser und dem Fahrtmesser gibt es auch einen simplen kleinen Wollfaden. Der ist außen mittig auf der Haube befestigt und zeigt dem Piloten, ob die anströmende Luft genau von vorne kommt. Denn so soll es sein.”

Nach etwa fünf Minuten, in denen Moritz keinen Lärm, sondern nur das Rauschen des Windes gehört hat, landet er wieder mit dem Flugzeug. Eine Platzrunde eben. Dabei ist es bei guten Bedingungen ohne weiteres möglich, auch größere Distanzen bis zu 1000 Kilometer zurückzulegen und über mehrere Stunden hinweg durch die Luft zu gleiten. Das darf der 19-Jährige dann in Zukunft auch mal versuchen. Denn nach zwei weiteren Platzrunden hat der Hückelhovener schließlich die Gewissheit: Er hat seine Pilotenprüfung bestanden. Ihn zieht es zur Bundeswehr, und auch dort möchte er als Pilot tätig sein, dann aber in den großen Transportflugzeugen. Zu seinem Verein wird er aber sicher immer mal wieder zurückkehren, um dort die grenzenlose Freiheit unter den Wolken zu genießen.

Info: Gäste sind auf dem Segelflugplatz gerne gesehen. Für 30 Euro kann man mit einem Piloten einen Schnupperflug machen. Weitere Informationen unter: www.segelflug-mg.de.

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