Baseball Sport überwindet Gefängnismauern

Wassenberg/Heinsberg · Baseballer der Squirrels Wassenberg bringen seit einigen Monaten Insassen der JVA das Werfen, Fangen, Laufen und Schlagen näher.

 Training in der Justizvollzugsanstalt: Die Squirrels, Wassenbergs Baseballverein, ist regelmäßig in der Justizvollzugsanstalt in Heinsberg zu Gast, um mit den Insassen Baseball zu spielen. Das Training ist mittlerweile so beliebt, dass es in der JVA eine Warteliste gibt.

Training in der Justizvollzugsanstalt: Die Squirrels, Wassenbergs Baseballverein, ist regelmäßig in der Justizvollzugsanstalt in Heinsberg zu Gast, um mit den Insassen Baseball zu spielen. Das Training ist mittlerweile so beliebt, dass es in der JVA eine Warteliste gibt.

Foto: Jürgen Laaser

Im hohen Bogen und mit leisem Surren fliegt der gelbe Ball durch die Luft, dann landet er mit einem lauten Klatschen im Fanghandschuh. Immer wieder fliegt das Spielgerät hin und her, wird geworfen, gefangen, geworfen. Auf den ersten Blick ist am trainierenden Team nichts Ungewöhnliches zu entdecken, doch wer den Blick etwas weiter schweifen lässt, dem wird klar: Die Trainingsstätte ist ungewöhnlich. Dicke, fünf Meter hohe Mauern, mit Stacheldraht gespickt, umrunden das Spielfeld, über dem Kunstrasenplatz sind in der Luft Stahlseile gespannt, die das Landen eines Hubschraubers verhindern sollen.

Es ist Freitagnachmittag in der Justizvollzugsanstalt Heinsberg - und besondere Gäste haben sich angekündigt. Die Squirrels, Wassenbergs Baseballverein, haben ihre Taschen gepackt, um mit Insassen zu trainieren und zum Abschluss der Freiluftsaison ein Spielchen zu wagen. "Erfahrungsgemäß wird das Wetter ab Oktober schlechter, dann verlegen wir das Training in die Halle", erklärt Peter Dohmen, Trainer und Vorsitzender der Squirrels.

Schon seit einigen Monaten kommen die Baseballspieler aus Wassenberg freitags in voller Baseball-Montur, mit Kappe, Trainingshose, Turnschuhen und gelb-blauem Shirt mit Vereinslogo in die JVA, um den jungen Insassen ihre Sportart näher zu bringen - mit großem Erfolg, wie Sportbeamter Leif Herfs erklärt: "Am Anfang hatten wir Bedenken, da für viele der Gefangenen die Sportart unbekannt war und sie mit englischen Begriffen gespickt ist, aber nach nur zwei Trainingseinheiten waren Fortschritte in allen Bereichen zu erkennen. Inzwischen ist das Training so beliebt, dass wir schon eine Warteliste haben."

Und das liegt auch am großen Engagement der Squirrels, die dafür unlängst zum Stützpunktverein im Bundesprogramm "Integration durch Sport" vom Kreissportbund Heinsberg ernannt wurden. Denn das Projekt beschränkt sich keineswegs nur auf das Training, sondern ist in drei Schritte aufgeteilt, wie Peter Dohmen verdeutlicht: "Der erste Schritt war es, ein Team aufzubauen, die Technik, Taktik und Theorie zu vermitteln - diese Phase ist jetzt abgeschlossen." Im zweiten Schritt sollen nun einige Insassen ins Liga-Team der Squirrels integriert werden, um regelmäßig am Training und an den Meisterschaftsspielen in der Rur-Fun-Liga teilnehmen zu können. Im dritten und letzten Schritt soll das Projekt im März bei der Ligakonferenz den anderen Mannschaften vorgestellt werden, die dann im besten Fall ebenfalls ähnliche Kooperationen anstreben, oder entlassenen Insassen eine neue sportliche Heimat bieten. "Wenn das klappen würde, wäre das die Erfüllung eines Traums", sagt der Squirrels-Vorsitzende, "denn unser Konzept ist langfristig angelegt, das perspektivisch einen Resozialisierungs- und Integrationserfolg zum Ziel hat." Und einen ersten Erfolg gibt es schon zu verbuchen: Die Düsseldorf Bandits haben einem ehemaligen Insassen der JVA Heinsberg angeboten, ihm eine neue sportliche Heimat zu bieten.

Die Trainingsgruppe in der JVA Heinsberg zählt momentan 14 Teilnehmer, die Peter Dohmen vor Trainingsbeginn alle per Handschlag und mit Vornamen begrüßt. "Sie sind alle ausgesprochen höflich und zuvorkommend und viele haben ein Händchen für den Sport." Dennoch habe es gerade zu Beginn auch vonseiten der Squirrels viele Bedenken gegeben: "Nicht alle Vereinsmitglieder waren der Meinung, dass man die Insassen mit dem Training dafür belohnen sollte, dass sie eventuell anderen Menschen weh getan haben", erinnert sich Peter Dohmen, "und auch für viele von uns war es ein sehr beklemmendes Gefühl, durch die vielen Türen geschleust zu werden, als wir erstmals zum Probetraining die Anstalt betreten haben. Doch der große Respekt und die Dankbarkeit, die die Insassen uns zurückgeben, lässt uns inzwischen die besondere Umgebung völlig vergessen."

Alle Teilnehmer haben lange Haftstrafen zu verbüßen, wie Leif Herfs erklärt: "Wir wollen eine feste Mannschaft aufbauen und das Ganze als langfristiges Projekt anlegen." Deshalb hat die Anstaltsleitung auch angekündigt, Haushaltsmittel der Anstalt freizugeben, Schutzausrüstung und umfangreiches Trainingsmaterial anzuschaffen, um die Übungsstunden noch effizienter gestalten zu können. "Baseball bedeutet für uns Abwechslung vom Alltag im Gefängnis. Mir macht der Sport so viel Spaß, dass ich gerne nach meiner Entlassung weiterspielen möchte, wenn ich einen Verein finde", sagt ein Häftling, "von mir aus könnten wir auch gerne häufiger trainieren." Die JVA hat schon in der Vergangenheit gute Erfahrungen bei Kooperation mit Vereinen gesammelt: So nehmen schon seit Jahren mehrere Insassen an den Trainingseinheiten und Spielen der Fußballclubs 1. FC Heinsberg-Lieck und SV Ophoven teil. "Das sind Lockerungen und Privilegien, die sich die Insassen erarbeitet haben", erklärt Herfs.

Was sich die jungen Gefangenen in den vergangenen Monaten in Sachen Baseball erarbeitet haben, das zeigen sie beim Abschlussspielchen. "Wir werden die Teams wohl besser durchmischen, sonst haben wir als Squirrels ja keine Chance, weil ihr so gut seid", sagt Dohmen schmunzelnd.

(RP)
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