Lokalsport Poledance ist ein Hochleistungssport

Erkelenz · Vor einem Jahr begann ETV-Turnerin Birte Zeitner mit Poledance. Das Experiment glückt: Sie belegt Platz vier bei der "European Poledance Championship", die den Sport aus der Rotlicht-Ecke holen will.

 Vier Elemente aus Birte Zeitners Choreographie.

Vier Elemente aus Birte Zeitners Choreographie.

Foto: SEBASTIAN Kuse

Auf den Flickflack folgt der Tanz mit der Stange. Der Bass folgt auf das Klavier. Zu "She Wolf" von David Guetta hat Birte Zeitner ihre Choreographie gebaut. Ein Bein und den rechten Arm hat sie um das Eisen gelegt und rotiert den Körper darum. Hunderte Augenpaare folgen jeder Bewegung der blonden Tänzerin auf der Bühne. Es folgen drei Minuten voller Dynamik, Fitness, Athletik, Kraft - und voller Anmut. Beim "European Pole Dance Championship" feiert die Erkelenzerin Birte Zeitner Platz vier in der Klasse der Fortgeschrittenen bei ihrem Poledance-Debüt.

"Dass ich schon beim ETV turne, seit ich fünf Jahre alt bin, hilft mir jetzt sehr", sagt die 22-Jährige, die bei ihrem ersten Wettkampf gleich in der Advanced-Klasse startete. Unzählige Stunden verbrachte sie in der Erka-Halle - am Reck, auf dem Schwebebalken und an den Ringen. "Vor allem an den Ringen kann man Kraftausdauer trainieren, die an der Pole das A und O ist." Vor einem Jahr begann sie ihr Jurastudium in Düsseldorf und lernte Poledance kennen. Seither trainiert sie zwei bis drei Mal pro Woche mit der Stange, an der Körperbeherrschung alles ist, was zählt.

Beginner, Advanced, Elite, Double, Man und Teampole: In diesen sechs Kategorien gingen 85 Tänzerinnen und auch Tänzer bei der ersten "European Poledance Champion- ship" auf die Bühne. Organisatorin Tanja Hermanns wollte für mehr Stil sorgen. Mit dem Wissener Kulturwerk wählte sie den passenden Austragungsort, der Coolness, Charme und edles Ambiente bot. "Wir konnten ein Sportevent auf die Beine stellen, fernab der zwielichtigen Poledance-Klischees", sagt Hermanns (43). Schöne, hochwertige Kleidung gehöre für die Organisatorin ebenso dazu. Die oftmals "billig wirkende Go-Go-Wäsche" werde man auf ihren Veranstaltungen nicht finden.

Tatsächlich scheint sich das deutsche Poledance seit einigen Jahren auf die Ästhetik des Sports zu besinnen, in der er wurzelt. Seine akrobatischen Elemente entstammen ursprünglich aus der chinesischen Artistik. Eleganz. Flexibilität. Ausdruck. Es sind diese Fertigkeiten, von denen jeder junge Turner oder Balletttänzer auch beim Work-out mit der Eisenstange profitiert. Und es sind die Fertigkeiten, mit denen der Sport verbunden wird, weil immer mehr junge Männer und Frauen die Stange als praktisches Fitnesstool für das eigene Ganzkörpertraining begreifen. "Das ist Hochleistungssport. Man trainiert jeden Muskel, selbst die Muskeln, von denen man nicht wusste, dass man sie hat", sagt Hermanns. Dass es in Wissen erstaunte Blicke von etwa 350 Zuschauer gab, ist weniger mit Schaulust, als vielmehr mit großer Wertschätzung für die Leistung der Teilnehmer zu erklären.

Zeitweise nur mit den Füßen an der Stange fixiert, zeichnet sich während ihres Auftritts jeder einzelne Bauchmuskel ab, treten die Sehnen in ihrem durchtrainierten Körper hervor. Birte Zeitner passt ihre Choreographie an die musikalischen Tempowechsel an. Nur eine kurze Unsicherheit. Noch ein Flickflack. Radschlag zur zweiten Stange. Dann hängt die Erkelenzerin in der Poledance-Pose "Chinese flag" förmlich als Menschenfahne an der Stange. Es folgen beeindruckende Figuren, die "Doughnut", "Straddle" oder "Batman" heißen. Die Zuschauer sehen, wie die Kür endet. "I'm falling to pieces, falling to pieces", läuft der Refrain langsam aus. Einzig die Schweißperlen auf Birte Zeitners Gesicht zeugen davon, dass das, was während ihrer Bühnenzeit so leicht gewirkt hatte, unglaubliche Körperbeherrschung und Flexibilität voraussetzt. Die blonde Haarmähne der 22-Jährigen ruht jetzt erstmals, nach den turbulenten Minuten im Wind der Pirouetten.

(RP)
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