Fußball "Penibler" Schiri mit Pferdelunge

Hückelhoven · Jürgen Schmitz pfeift in der Kreisliga - aus Leidenschaft. Die RP begleitete ihn beim B-Liga-Spiel zwischen der Brachelener Reserve und Roland Millich. Dabei legte der 53-Jährige ein beachtliches Laufpensum hin - im "Asthma-Kreis" hielt er sich jedenfalls kaum auf.

 Seit 1988 ist Jürgen Schmitz Schiedsrichter - davon einige Jahre lang auf Verbandsebene. Inzwischen pfeift der gebürtige Uevekovener in der Kreisliga A.

Seit 1988 ist Jürgen Schmitz Schiedsrichter - davon einige Jahre lang auf Verbandsebene. Inzwischen pfeift der gebürtige Uevekovener in der Kreisliga A.

Foto: JÜRGEN LAASER

Die erste Amtshandlung führt Jürgen Schmitz direkt zum Kunstrasenplatz auf der Brachelener Wilhelm-Over-Sportanlage - dort wird er in gut einer Stunde das Spiel der B-Liga, Staffel 2, zwischen Aufsteiger SV Brachelen II und Tabellenführer SV Roland Millich anpfeifen. Der Routine-Kontrollgang am Platz entlang, auf dem gerade noch ein Jugendspiel läuft, ist rasch erledigt - inklusive des obligatorischen Checks der Tornetze. Und die Überprüfung der Elfmeterpunkte kann sich Schmitz auf dem Kunstrasen auch sparen - die sind dort ja fest markiert.

Auf Naturrasen oder Asche schreite er aber gerne mal die Strecke ab, wenn ihm die Distanz merkwürdig vorkomme, bemerkt er. "Ich hatte mal einen Platz, da war der Elfmeterpunkt gerade mal neun Meter vom Tor weg. Als ich das dem Heimverein mitteilte, bekam ich zur Antwort, das hätte hier noch nie einer bemängelt." Der de facto Neunmeterpunkt - ein klarer Fall fürs Gewohnheitsrecht also.

 Auch der obligatorische Check der Tornetze gehört vor dem Spiel zu Jürgen Schmitz' Aufgaben (l.). Nach dem Spiel ist der Schiedsrichter dann noch am Laptop mit dem Ausfüllen des elektronischen Spielberichts beschäftigt (r.). Das dauert etwa eine Viertelstunde - erst danach geht es unter die Dusche.

Auch der obligatorische Check der Tornetze gehört vor dem Spiel zu Jürgen Schmitz' Aufgaben (l.). Nach dem Spiel ist der Schiedsrichter dann noch am Laptop mit dem Ausfüllen des elektronischen Spielberichts beschäftigt (r.). Das dauert etwa eine Viertelstunde - erst danach geht es unter die Dusche.

Foto: Knappe,Joerg (jkn)

Am Ende seines Rundgangs trifft er auf Brachelens 2. Vorsitzenden Konrad Wilms - eine etwas pikante Begegnung. Denn zwei Wochen zuvor hatte Schmitz das hitzige Spiel der Brachelener Ersten beim VfR Übach-Palenberg gepfiffen, dort gleich zwei Brachelener des Feldes verwiesen (einmal Rot, einmal Gelb-Rot). Nun tauscht man sich aber ganz gesittet aus. "Das zählt für mich auch nicht mehr. Heute fangen wir bei Null an", versichert Schmitz.

An den Umkleidekabinen sind mittlerweile auch die Mannschaften eingetrudelt. Schmitz erkundigt sich bei ihnen, in welch farblichen Trikots sie spielen wollen. Danach richtet sich schließlich seine eigene Kluft. "Früher war Schwarz dem Schiedsrichter vorbehalten, da war das noch einfach. Jetzt spielen ja auch Mannschaften gerne mal in Schwarz. Dann kann ich das natürlich nicht auch noch tun. Sonst spielen die mir womöglich noch den Ball zu und stellen dann fest: Der kann ja nix", erläutert er grinsend.

Fußball: "Penibler" Schiri mit Pferdelunge
Foto: Knappe,Joerg (jkn)

Und in der Tat: Die Millicher wollen in Schwarz spielen, die Brachelener in Grün - Schmitz entscheidet sich daher für Gelb. "Grundsätzlich habe ich mein Trikot in den Farben Schwarz, Grün, Gelb und Rot dabei - dann klappt's auf alle Fälle mit der farblichen Abgrenzung." Und Pluspunkte sammelt Gastgeber Brachelen dann, als Schmitz seine Kabine betritt. Denn dort steht bereits nicht nur der aufgeklappte Laptop mit dem DFBnet auf dem Schirm für den auch in der B-Liga vorgeschriebenen elektronischen Spielbericht, sondern ebenso einige Softgetränke. "Das ist keine Selbstverständlichkeit", betont Schmitz.

Dann zieht er sich um, präpariert seine beiden Spielberichtskarten, überprüft, ob die Rückennummern mit den Spielern übereinstimmen. Da klopft Monika Hörig an die Tür. Millichs aparte Geschäftsführerin möchte noch eine Änderung in der Aufstellung mitteilen. "Die ist schon lange dabei. Die ist wirklich sehr kompetent", bemerkt Jürgen Schmitz, als die nette Funktionärin den Raum wieder verlassen hat. Und für Brachelen bestätigt dann Trainer Manuel Corsten die Aufstellung.

Erledigt ist Schmitz' Aufgabenkatalog vor dem Anpfiff damit aber noch nicht - Gesichtskontrolle heißt das Stichwort. Beim Aufwärmen der Mannschaften auf dem Platz geht er daher zunächst zum Millicher Team, dann zum Brachelener, ruft die Spieler einzeln namentlich auf, vergleicht die Gesichter mit den Fotos in den Spielerpässen. "Sie brauchen ein neues Passbild. Ihres ist ja noch ein Kinderfoto", bemerkt er bei einigen Akteuren. "Das ist doch gar nicht so alt", mault einer zurück.

Interessant ist aber die Anrede gewesen: Schmitz hat die Spieler alle gesiezt - auch die, die er gut kennt. Ob er das immer so mache? "Ja, ich sieze grundsätzlich. Ich weiß, dass ich mit meiner Art nicht so gut ankomme, doch ich muss auch kein Freund der Spieler sein", bekräftigt der Unparteiische.

Im Anschluss legt er großen Wert auf einen gemeinsamen Einlauf aufs Spielfeld - so, wie man es aus höheren Klassen kennt. Im Mittelkreis begrüßt er die Teams noch einmal offiziell. "Auch ich werde Fehler machen. Ich bitte Sie, diese zu akzeptieren", sagt er - und wünscht das obligatorische "Gute Spiel".

Dann pfeift er an. Das Spiel ist sehr einseitig. Dass Millich Tabellenführer ist und Brachelen ein im Abstiegskampf steckender Aufsteiger, wird rasch klar - die Partie läuft im Grunde nur in eine Richtung. Immer auf Ballhöhe: Jürgen Schmitz. "Ich gehöre sicher zu den Schiedsrichtern im Kreis, die am meisten laufen", sagt er ohne falsche Bescheidenheit - zu dem in den unteren Klassen weit verbreiteten Schiri-Typ, der die Spiele alters-, konstitutions- und/oder konditionsbedingt vornehmlich aus dem Mittelkreis heraus leitet, gehört der drahtige 53-Jährige sicher nicht. Grinsend verrät er aber, wie unter Schiedsrichtern der Mittelkreis angesichts dieses Typus gerne genannt wird: "Das ist der Asthma-Kreis."

Zur Pause führt Millich 4:0. In der Kabine werden kurz die beiden strittigen Szenen erörtert. Zum einen der Einsatz des Millicher Vorlagengebers zum 2:0. "Der war grenzwertig, aber noch vertretbar", urteilt Schmitz. Einverstanden. Zum anderen ein nicht gegebenes weiteres Millicher Tor wegen Abseits. Was nicht diskutiert werden kann. Von Höhe der Mittellinie war das beim besten Willen nicht zu erkennen - und für Schmitz ohne Assistenten an der Linie (so was gibt's in den Kreisligen nicht) auch quasi ein Ding der Unmöglichkeit. "Bei solchen Entscheidungen muss man sich auch ein bisschen auf seine Erfahrung und sein Gefühl verlassen", sagt er. Wichtig ist für ihn, dass die Partie bislang sehr anständig geführt worden ist. "Von der Fairness her war alles in Ordnung."

Das setzt sich nach Wiederanpfiff fort - kein Wunder angesichts der erdrückenden Millicher Überlegenheit. Bis auf eine Brachelener Zuschauerin, die nahezu jede Entscheidung gegen "ihren" SVB lautstark reklamiert, läuft alles in geordneten Bahnen. Am Ende gewinnt Millich 10:0, hat Schmitz fünf Gelbe Karten gezückt - drei wegen Fouls, zwei wegen Unsportlichkeiten.

"Es gibt für einen Schiri sicherlich schwierigere Spiele zu leiten als dieses", antwortet Millichs Spielertrainer Stanislav Makarov auf die Frage, wie er denn Schmitz gesehen habe. Zugleich aber attestiert er ihm, "souverän aufgetreten" zu sein. "Und er hat es auch ehrlich gesagt, wenn er einige Dinge nicht gesehen hat. Alles in Ordnung also."

Was sein Brachelener Kollege nicht viel anders beurteilt: "So schwer war's für den Schiri heute ja nicht. Dennoch wirkte er souverän, war sein Strafmaß in Ordnung. Und ohne Assistenten sind Abseitsentscheidungen halt noch schwerer als ohnehin schon", erklärt Manuel Corsten - und sagt eines allerdings auch: "Für diese Liga ist Jürgen Schmitz eigentlich ein bisschen zu genau, zu penibel."

Der "Penible" ist derweil schon in seiner Kabine am Laptop mit dem Ausfüllen des elektronischen Spielberichts beschäftigt. Nach einer guten Viertelstunde hat Schmitz alles eingegeben, kann beruhigt unter die Dusche springen. Danach geht's noch auf Einladung der Brachelener ins Vereinsheim auf ein Bier zum entspannten Verzell. Dann verabschiedet sich Schmitz: "Bis zum nächsten Mal."

(emo)
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