Serie Pape läuft (Folge 7) Ohne Netzer und doppelten Boden

Wegberg · So ein Marathon zieht sich. Vor allem in der Vorbereitung. Doch lange Trainingsläufe müssen sein. Sonst grüßt der Mann mit dem Hammer.

 Ein Stein im Schuh kann schmerzhaft sein. Diese Erfahrung machte Christian Pape (l.) während eines 25-Kilometer-Laufes am Borussia-Park: "Ich meine sogar, Günter Netzer hätte mir von der Plakatwand zugezwinkert."

Ein Stein im Schuh kann schmerzhaft sein. Diese Erfahrung machte Christian Pape (l.) während eines 25-Kilometer-Laufes am Borussia-Park: "Ich meine sogar, Günter Netzer hätte mir von der Plakatwand zugezwinkert."

Foto: Amelie Pape / Imago (Archiv)

Meine Familie sieht mich mittlerweile öfter in der Rheinischen Post als zu Hause. "Hätte ich das vorher gewusst, dann hätten wir Dir Deine Laufausrüstung schon viel früher gekauft!", scherzt meine Frau Silvia.

Und ja, so ein Marathon zieht sich. Vor allem in der Vorbereitung. Ich laufe jede Woche kontinuierlich viermal 10 Kilometer. Dreimal mit einem Puls von 70 bis 75 Prozent meiner maximalen Herzfrequenz, einmal mit 75 bis 80 Prozent. Das klappt prima. Und am Wochenende der Langstreckenlauf mit einer Intensität von 60 bis 70 Prozent. Erst waren es 18, dann 20, dann 22 Kilometer. Jetzt stehen 25 Kilometer auf dem Programm. Diese langen Läufe sind richtige Wochenend-Killer. Man läuft nach dem Frühstück los, kommt zum Mittagessen zurück, und ganz ehrlich, es fühlt sich an wie Abendessen.

Serie Pape läuft (Folge 7): Ohne Netzer und doppelten Boden
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Lange Läufe bereiten Schmerzen. Aber sie müssen sein, wenn man beim Marathon beim berühmt berüchtigten Kilometer 30 nicht dem "Mann mit dem Hammer" begegnen will. So heißt das im Läuferjargon, wenn der Kohlenhydratspeicher zuneige geht und der Körper auf die trägere Fettverbrennung umstellen muss, für die mehr Sauerstoff benötigt wird. Untrainiert muss man hier das Tempo drosseln oder sogar abbrechen. Der "Mann mit dem Hammer" schlägt erbarmungslos zu.

Nein, ich möchte diesen unsympathischen Herrn einfach nicht kennenlernen. Also mache ich mich mit Pflastern auf den Brustwarzen, gut besohlt und mit Beinkleidern, die keinen Reibungswiderstand zulassen, voller Elan auf den Weg von Beeck nach Mönchengladbach. Ziel ist der Borussia-Park. Als Marathonläufer soll man immer wieder in seinen Körper hinein hören, um mögliche Verletzungen schon im Frühstadium zu erkennen. Ich fühle mich euphorisiert, denn ich sehe die Stadion-Silhouette immer näher kommen. Endorphine sprudeln durch meinen Körper. Und dann plötzlich wie aus dem Nichts - ein stechender Schmerz! Hinten rechts, meine Achillessehne. Eine Sehnenreizung? Eine Sehnenentzündung? Etwa ein Sehneriss? Der Schmerz wandert langsam tiefer bis zur Ferse. Er strahlt unter die Sohle. Und dann kann ich ihn endlich identifizieren: Ich habe einen Stein im Schuh!

Ich war gerade so herrlich in meinem Laufrhythmus und ich will meinen 25 Kilometer-Lauf doch nicht wegen eines Steins im Schuh unterbrechen! Ich versuche den Stein zu ignorieren, doch er bringt mich aus dem Konzept. Wenn es ein Kieselstein wäre. Klein, schön rundgespült und anschmiegsam, dann wäre es egal. Aber dieser Stein scheint eckig und hart zu sein. Ein heimtückischer Splitt! Gefühlt ist es ein Hinkelstein, der mich gerade ausbremst.

Ich versuche, den lästigen Störenfried von der Sohle nach vorne zu den Zehen zu bewegen. Am besten zwischen den großen und den zweiten Zeh, weg von der schmerzhaften Stelle. Ich schüttele das Bein, ich werfe es nach vorne, nach hinten und zur Seite. Aus der Laufstrecke ist längst ein "Highway to Hell" geworden. Es bleibt nicht aus, dass Spaziergänger mich dabei beobachten: "Guck mal da, der Pape! Erst ,Pape grillt', dann ,Pape läuft' und jetzt auch noch ,Pape steppt'!"

Dann habe ich es endlich geschafft. Der Stein liegt unter meinem dicken Onkel. Jetzt muss er nur noch ein wenig zur Seite. Ich trete aus wie ein störrischer Esel. Doch der Stein bleibt unter meinem dicken Zeh und sticht, sticht, sticht.

Ich gebe mich geschlagen. Ich setze mich hin, öffne den Schuh, drehe und wende ihn - nichts. Wütend springe ich auf und zack - wieder dieser Schmerz! Der Stein hat sich tatsächlich durch meine Laufsocke gebohrt. Vorsichtig befreie ich meinen Zeh von diesem Ungetüm, das so groß ist wie ein Stecknadelkopf und kicke ihn gekonnt in den nächsten Kanalgulli. Rache muss sein!

Ohne Stein im Schuh erreiche ich schließlich das Fußballstadion. Ich umrunde es und laufe an den riesigen Porträts der "Fohlen-Jahrhundert-Elf" vorbei. Verstohlen schaue ich nach rechts und nach links, ob mich auch wirklich niemand sieht, und spreize dann im Vorbeilaufen meinen Zeige- und Mittelfinger zum Victory-Zeichen. Ich meine sogar, Günter Netzer hätte mir von der Plakatwand zugezwinkert.

Pünktlich zum Bundesliga-Anpfiff um 15.30 Uhr komme ich wieder zu Hause an. Ausgepumpt schleppe ich mich auf die Couch und verfolge die Fußballübertragung im Fernsehen. Plötzlich höre ich mich rufen: "Mein Gott, nun lauf doch mal!" Doch im selben Moment entschuldige ich mich innerlich für mein Fluchen. Vielleicht hatte der Spieler einen Stein im Schuh.

Unser Autor Christian Pape (42) ist Humorist und Hobbyläufer aus Beeck. Am 2. Oktober 2016 geht er mit RP-Redakteur Michael Heckers (42) beim Köln-Marathon an den Start.

(RP)
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