SERIE: Als Motocross-Sport Tausende Zuschauer anlockte (Folge 2) Sie teilten schon, da war Bike-Sharing noch gar nicht erfunden

Erkelenz · Der Lövenicher Helmut Mertens erinnert sich an die tolle Zeit in der MCG Venrath mit dem Doppelsieg-Wochenende im August 1962: freitags Heirat, sonntags erster Crosserfolg.

 "Altmeister" Helmut Mertens, heute im 80. Lebensjahr, auf seiner Suzuki.

"Altmeister" Helmut Mertens, heute im 80. Lebensjahr, auf seiner Suzuki.

Foto: Helmut Mertens

Weil junge Burschen im Alter von Anfang 20 aus Venrath und Umgebung in den zu Ende gehenden 1950er Jahren unbedingt am boomenden Motocross-Sport teilhaben wollten, dies aber nicht nur als begeisterte Zuschauer, sondern unbedingt als Aktive auf den Rennpisten, entwickelten sie eine Idee, die jetzt im 21.Jahrhundert international auf vielen Betätigungsfeldern der Renner ist: eingedeutscht aus dem Englischen nennt man es Sharing, wozu das Goethe-Institut sagt „Teilen ist das neue Haben“. Der Lövenicher Helmut Mertens (79) erinnert sich: „Da das Geld in den jungen Jahren noch knapp war, haben wir uns mit fünf Jungen halt ein Motorrad geteilt.“

Motorbike-Sharing Anno 1958 sah dann so aus: Auf Schrottplätzen wurden alle gängigen Teile zusammengekauft und schließlich in vielen Freizeitstunden zusammengeschraubt. Dann stand sie da, die 250 ccm KR25, die ursprünglich aus den Victoria-Werken aus Nürnberg gekommen und 1937 bei der Internationalen Automobilausstellung in Berlin präsentiert worden war. Gefahren wurde zunächst querfeldein auf holprigen Feldwegen und über Stoppelfeldern. Notwendige Folge der wilden Aktivitäten war schließlich die Gründung eines Struktur bringenden Vereins, der den Namen Moto-Cross-Gemeinschaft Niederrhein in Venrath trug. Bei der Gründungsversammlung 1960 im Lokal Gillrath (heute Bäckerei) wurde Wilhelm Hoitz zum Vorsitzenden gewählt, das Vertrauen als 2. Vorsitzender und Sportwart bekam Hubert Püstgens, Kassierer und Schriftführer wurde Helmut Mertens, 2. Kassierer Hubert Jansen und Organisationsleiter Christian Rütten.

Premiere an der Dieksmühle

 Das große „V“ war die Erkennung der Venrather Crossfahrer (v.l.) Helmut Mertens, Hermann Prautsch und Hans-Leo Beckers.

Das große „V“ war die Erkennung der Venrather Crossfahrer (v.l.) Helmut Mertens, Hermann Prautsch und Hans-Leo Beckers.

Foto: Helmut Mertens
 Blick in das Mertens-Fahrerlager an der Dieksmühle in Hückelhoven unterhalb einer Bergwerkshalde.

Blick in das Mertens-Fahrerlager an der Dieksmühle in Hückelhoven unterhalb einer Bergwerkshalde.

Foto: Helmut Mertens

Ihren mit Spannung erwarteten ersten großen Auftritt hatten die jungen Wilden aus Venrath dann am 1. Mai beim Crossrennen an der Dieksmühle in Hückelhoven, wo sie den vielen Tausend Zuschauern schon äußerlich auffielen, trugen sie doch Shirts mit einem großem gelben V - für Venrath stehend - auf der Brust. Doch sie bekamen einen fürchterlichen Abriss, denn nicht eines der zehn „Vs“ sah die Zielflagge, weil die Motoren versagten. Die bejubelten Gewinner kamen wieder einmal aus Wassenberg, es waren die Brüder Günter und Werner Peschmann sowie Wilfried Kremers – Profis was Material und Erfahrung betraf.

 Und noch ein Erfolg für Helmut Mertens, den Pokal hält die junge Ehefrau Maria, stolz auch „Schmiermaxe“ Bernd Eckhardt (re.) und Zweiradexperte Peter Stienen (links von Mertens).

Und noch ein Erfolg für Helmut Mertens, den Pokal hält die junge Ehefrau Maria, stolz auch „Schmiermaxe“ Bernd Eckhardt (re.) und Zweiradexperte Peter Stienen (links von Mertens).

Foto: Helmut Mertens

Besser lief es für die Venrather, für die neben Helmut Mertens auch Hermann Prautsch (Erkelenz), Heinrich Kenter (Granterath), Mathias Jansen (Venrath), Helmut Piefenbrink (Beckrath), Konrad Knübben (Broich-Peel) und Hans-Leo Beckers (Kückhoven) fuhren, dann beim eigenen Rennen am 10. Juli 1960, als es einige Top-Ten-Platzierungen zu notieren gab. Die Venrather Berg- und Talbahn lag in Ermangelung eines geeigneten Geländes im eigenen Dorf einen Steinwurf entfernt im nahen Wanlo (Kiesgrube Richtung Wickrathberg) und war immerhin 1400 Meter lang.

Bis heute unvergessen

Für Helmut Mertens wird dann das dritte Augustwochenende des Jahres 1962 ein besonderes, heute noch unvergessen, holte er doch zwei Siege, wenn auch auf unterschiedlichen Ebenen: Am Freitag, 17. August, heiratet er standesamtlich seine Maria, rollte dann samstags beim 11. Internationalen Moto-Cross in Wassenberg-Rothenbach auf die Piste, um dann sonntags aus einem Feld von sage und schreibe 55 Nachwuchsfahrern als Bester ausgezeichnet zu werden.

Im Finale trafen die jeweils fünf besten Starter aus zwei Vor- und einem Hoffnungslauf aufeinander, die sich packende Duelle lieferten. Es sah so aus, als würden Günter Pohl aus Euenheim und Helmut Plum aus Frelenberg die Jagd um den Siegerkranz unter sich ausmachen. Doch sie hatten die Rechnung ohne Helmut Mertens gemacht, der seine original 250er Maico-Crossmaschine (übrigens für mühsam gesparte 2000 Mark aus dem „Haus Peschmann“ erstanden) in der letzten Kurve verwegen auf der Innenbahn an den verdutzten Pohl und Plum vorbeizog und mit Vollgas spektakulär auf dem Hinterrad (man nennt das im Fachjargon Wheelie) über die Ziellinie raste. Da brauchte man nicht lange raten, wer unter dem Jubel der Massen der erste Gratulant zum Premierensieg war – natürlich die frischgebackene Ehefrau. Stolz durften die Eheleute Mertens in den folgenden Jahren dann noch auf so manche Top-Ten-Plazierung sein, herausgefahren auf den Crosspisten in Wanlo/Venrath, Hückelhoven, Wassenberg („Am Stern“ oder Rothenbach), Rickelrath, Elmpt, Odenkirchen, Merkstein oder auf den legendären Eifelstrecken in Kleinhau, Euenheim und Imgenbroich.

Mit 35 Jahren hat Helmut Mertens die Rennmaschine, Helm, Hosen und Stiefel verkauft und seiner Frau aus dem Erlös eine Nähmaschine gekauft – und damit „ihr einen großen Wunsch erfüllt“. Ganz vom Motorradfahren hat Helmut Mertens dann mit zunehmendem Alter doch nicht loslassen können, genießt es, wenn er mit seiner Suzuki Intruder im Cruiser-Stil bei schönem Wetter durch die Lande streifen kann. Dann zieht es ihn auch immer mal wieder an die Crossstrecke nach Kleinhau/Hürtgenwald, um zum Beispiel in die einzigartige Atmosphäre beim Flutlichtcross einzutauchen.

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