Analyse Borussia war nicht bereit für große Taten

Erkelenz · Gestern vor 40 Jahren war Borussia zum letzten Mal Meister. Und vor 42 Jahren holte Borussia zum ersten Mal den Uefa-Cup. Die, so urteilte die Rheinische Post (RP) damals, "stärkste Borussia, die es je gab" siegte im zweiten Final-Spiel (im ersten gab es ein 0:0) bei Twente Enschede 5:1. Das Team des kurz darauf scheidenden Meistertrainers Hennes Weisweiler konterte die Niederländer in einer "Sternstunde" mit gnadenloser Effektivität aus. Was war das für eine Saison: Zum dritten Mal war Gladbach Meister und zum ersten Mal Gewinner eines internationalen Titels. Man darf wohl sagen: Weisweilers Team machte alles richtig, als es darauf ankam. Unter anderem im Uefa-Cup-Halbfinale gegen den 1. FC Köln, zunächst beim 3:1 in der Domstadt und beim 1:0 auf dem Bökelberg. Eine "eindrucksvolle Synthese aus Zweckmäßigkeit und der Schönheit des Fußballspiels" (RP) machte das bis heute erfolgreichste Jahr der Vereinsgeschichte möglich und Borussia zum "Flaggschiff des deutschen Fußballs", wie es in der Vereinschronik heißt. Borussia war gemacht für große Taten.

Von Titeln ist das aktuelle Borussen-Team weit entfernt. Das ist auch nicht der Anspruch. Der offizielle Anspruch ist die Einstelligkeit. So gesehen haben die Borussen mit Rang neun das Saisonziel erfüllt. Indes am unteren Rand. Es hätte auch weit weniger werden können nach den 17 Punkten der Hinrunde. Die 28 Zähler, die der zweite Saisonteil brachte, sind bemerkenswert und würden verdoppelt klar Europa bedeuten. Nah dran waren die Borussen, doch die drei Punkte, die sie in der finalen Phase gegen die Abstiegskandidaten Augsburg und Wolfsburg sowie den Absteiger Darmstadt einsammelten, waren zu wenig. "Über die letzten drei Spiele bin ich enttäuscht. Wenn wir unsere Hausaufgaben gemacht hätten, wären wir jetzt Sechster", sagte Trainer Dieter Hecking. Fraglos wurde das "Mehr" vor allem in der ersten Halbserie vergeben, doch mehr Konsequenz in vielen Situationen hätte dazu geführt, das in der Rückrunde Erarbeitete nutzen zu können. Dass Chancen Erwartungen wecken, versteht sich. Daher gibt es viele arg Enttäuschte im Borussen-Universum.

Das Darmstadt-Spiel spiegelte die Saison. Viele Chancen brachten zu wenig Tore, und dann war die Abwehr nicht sattelfest genug, das 2:1 zu verteidigen. Platz acht wäre besser gewesen als Platz neun, Europa-technisch nutzlos, aber ein Ausstand mit dem Gefühl des Erfolgs. Auch so etwas ist wichtig, schließlich zählt meist der letzte Eindruck.

Der ist nun: Das vielleicht nötige Feuer, um alles, was plötzlich noch möglich war, zu erreichen, fehlte. An welchen Stellen das Erreichen des oberen Ausläufers des Saisonziels Einstelligkeit, was 2014 (6.), 2015 (3.) und 2016 (4.) dreimal in Serie gelungen war, des Pokal-Endspiels und noch mehr in der Europa League eine Frage fehlender Qualität ist oder mit dem Verletzungspech zu tun hatte oder mit beidem, muss die Analyse der Saison ergeben - um den Kader dann entsprechend nachzubessern.

In dieser Saison fehlte nicht immer viel, in der Summe aber zu viel. Die Abschlusstabelle sagt die letzte Wahrheit: Borussia war in dieser Saison nicht bereit für große Taten.

Karsten Kellermann

(RP)
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