Kreis Heinsberg SPD in Koalitionsfrage unentschieden

Kreis Heinsberg · Skepsis, interessante Ansätze, nicht schlecht und fehlender Politikwechsel sind Begriffe, die Sozialdemokraten aus dem Kreis Heinsberg nutzen, reden sie über das Sondierungsergebnis für eine mögliche schwarz-rote Bundesregierung.

Kreis Heinsberg: SPD in Koalitionsfrage unentschieden
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Die Basis der Sozialdemokraten im Kreis Heinsberg ist unentschlossen, ob es richtig ist, auf Bundesebene in Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU einzutreten. Noch viele Gespräche seien in den nächsten Tagen zu führen, um eine abschließende Meinung zu bilden, sagte Norbert Spinrath gestern auf Nachfrage unserer Redaktion. Derzeit könne er kein abschließendes Meinungsbild beschreiben, stellte der Kreisvorsitzende der SPD und frühere Bundestagsabgeordnete fest. Er versprach der Parteibasis: "Ich werde die Lage bis zum Beginn des Parteitages am Sonntag weiter diskutieren." Sein Abstimmungsverhalten wolle er dann "auf der Grundlage der weiteren Sitzungen und Gespräche innerhalb und außerhalb der SPD-Mitgliedschaft abschließend am Sonntag festlegen".

Kreis Heinsberg: SPD in Koalitionsfrage unentschieden
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Spinrath persönlich sieht nach den Sondierungsgesprächen in Berlin gute Gründe, die für eine weitere Große Koalition sprechen, sprach gestern aber auch Erfahrungen aus der vergangenen Groko an, die dagegen sprechen könnten: "Große Skepsis habe ich aufgrund meiner Erfahrung als Bundestagsabgeordneter insbesondere hinsichtlich der Glaubwürdigkeit und Belastbarkeit der derzeitigen Erklärungen der CDU/CSU." Es gebe eine Reihe von Themen, die in der Sondierung besprochen wurden, die schon im Koalitionsvertrag von 2013 vereinbart worden seien, aus seiner Sicht aber "nicht oder nur unzureichend umgesetzt" wurden. Dennoch sei das "Sondierungsergebnis nicht schlecht. Die Weiterentwicklung der Europäischen Union ist besonders gut gelungen, was mich insbesondere deshalb erfreut, weil ich als Europapolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion in den letzten vier Jahren die meisten der beschriebenen Positionen mit erarbeitet und die Umsetzung versucht habe. Gut ist der breite Ansatz zum Thema Bildung, zur Förderung der Kitas, der Ganztagsbetreuung in Schulen und dem Ausbau der Hochschulen sowie die Verbesserung des BaföG - auch für die Meisterausbildung. Es soll eine Rentenreform vorbereitet werden und während der Erarbeitung das Rentenniveau zunächst bis 2025 garantiert werden. Endlich soll die Grundrente verankert werden."

Kreis Heinsberg: SPD in Koalitionsfrage unentschieden
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Dass er mit der Situation hadert, ist Spinrath anzumerken. Das Sondierungspapier findet der Kreisvorsitzende der SPD nicht schlecht, aber "auch nicht wirklich gut genug". Es fehlten die großen Ideen für einen Politikwechsel: "Vieles deutet auf ein Merkelsches ,Weiter so'. Wir brauchen Ideen für eine gerechtere Entwicklung unserer Gesellschaft, die ich vermisse."

Dem Anti-Groko-Kurs von Juso-Chef Kevin Kühnert (28), der eine Online-Petition gestartet hat und eine "#NoGroKo-Tour", kann der Hückelhovener Juso-Vorsitzende Christian Gerner so nicht folgen. "Ich persönlich habe eine andere Meinung als Kühnert, der ja Martin Schulz gehörigen Gegenwind entgegenstellt und auf dem Bundesparteitag gegen Koalitionsverhandlungen stimmen würde", erklärte er. Denn: "Wenn es Neuwahlen gäbe, würde die Situation nicht unbedingt besser. Die Gefahr besteht, dass die Rechte noch größeren Zulauf bekommt, und das wollen wir nicht."

Einen generellen Politikwechsel sieht auch Ralf Wolters, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Wegberg, in dem Sondierungsergebnis als nicht gegeben an. "Es gibt einige interessante Ansätze, die ich gut finde, wie die beabsichtigte, aber insoweit noch längst nicht ausreichende Wohnungsbauförderung, die Förderung ländlicher Räume, die geplanten Bildungsausgaben und die Abschaffung des Kooperationsverbots im Grundgesetz", sagte Wolters. Andererseits fehlt für ihn die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen. Auch die Vorschläge zum Thema Flüchtlinge (Obergrenze, Familiennachzug) und die Aufweichung des Klimaziels seien für ihn nur schwer erträglich. Außerdem hat der Wegberger Sozialdemokrat die Befürchtung, dass sich die SPD in einer weiteren Groko marginalisiert und der für die SPD dringend notwendige Erneuerungskurs ausbleibt. "Schließlich habe ich die Sorge, dass die Union auch in einer neuen Groko - wie bei der letzten - sich nicht an Koalitionsabsprachen hält." Im Moment sehe alles nach einem "Weiter so" aus. Wolters: "Das wollten die Wähler, wie das Wahlergebnis zeigt, offensichtlich nicht."

Verhalten auf das Sondierungsergebnis reagierte auch Rainer Rogowsky, der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Erkelenz: "Wir müssen abwarten, was nun kommt. Zunächst klingt alles logisch und schön und toll, aber ob das auch von der SPD-Basis angenommen wird, müssen wir sehen. Es gibt sicherlich den Trend, besser eine neue Große Koalition einzugehen, als Neuwahlen stattfinden zu lassen. Das Wahlergebnis vom 24. September war schlecht, trotzdem hatte die SPD in den vergangenen vier Jahren großen Einfluss in der Groko. Dies ist jedoch bei den Wählern nicht angekommen - beziehungsweise: Die Wähler haben das bei der Bundestagswahl nicht honoriert. Deswegen denke ich, dass die Basis einige Befürchtungen hat, eine neue Große Koalition einzugehen." Die SPD müsse klarmachen und zeigen, wofür sie stehe. Das werde nicht einfach.

Eine Neuauflage der Groko lehnt Hermann Thissen, Vorsitzender der SPD Wassenberg und stellvertretender Bürgermeister, ab. Skepsis und Ablehnung spüre er auch in weiten Teilen seines Stadtverbandes. "Eine Minderheitsregierung ist möglich", meint er. "Nur weil man sie in Deutschland noch nicht gemacht hat, kann es nicht bedeuten, dass sie nicht praktiziert werden kann. Als Kanzlerin in einer Minderheitsregierung muss Merkel ihre Standpunkte im Bundestag klarmachen. Es sind sich, so glaube ich, alle darüber einig, dass Angela Merkel das nicht kann. Eine Große Koalition ist ausschließlich im persönlichen Interesse von Angela Merkel. Warum soll dies ein Problem der SPD sein?" Aber er betont auch: "Viele Themen etwa bezüglich der sozialen Gerechtigkeit kann die SPD auch in einer Merkel-Minderheitsregierung aus dem Bundestag heraus durchsetzen." Hierzu erforderliche Schnittmengen, beispielsweise mit den Linken, bestünden und müssten herausgearbeitet werden, um Mehrheiten zu erlangen.

Kritik am Sondierungspapier äußert Thissen auch, weil seiner Meinung nach die Akzente nicht stimmten. An erster Stelle werde die Europapolitik behandelt, "ein gutes und bedeutsames Thema, jedoch derzeit ein eher nachrangiges Thema", sagte Thissen, der Lösungsvorschläge zum Thema "illegale Migration nach Deutschland" vermisst: "Im Sondierungspapier fehlt dieses Thema vollständig, da lediglich von der Migration gesprochen wird."

(RP)
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