Jahresbilanz auf dem Ausbildungsmarkt Chancen für Azubis so gut wie nie

Kreis Heinsberg / Aachen · „Die Zeit ist optimal für Karriere mit Lehre“. Pointiert fasste Heike Borchers (IHK) die aktuelle Situation auf dem Ausbildungsmarkt in der Region zusammen. Die Zahl der Stellenangebote übersteigt die Bewerberzahl. Dennoch gibt es Schattenseiten.

 Beim Rundgang durch die Backstube von Nobis: Auszubildende mit (v.l. hinten) Ulrich Käser (Arbeitsagentur), Firmeninhaber Michael Nobis, Georg Stoffels (Handwerkskammer) und Heike Borchers (IHK).

Beim Rundgang durch die Backstube von Nobis: Auszubildende mit (v.l. hinten) Ulrich Käser (Arbeitsagentur), Firmeninhaber Michael Nobis, Georg Stoffels (Handwerkskammer) und Heike Borchers (IHK).

Foto: Angelika Hahn

Auf den ersten Blick eine frohe Botschaft verkünden die Schlagzeilen der Agentur für Arbeit Aachen-Düren: Im Ausbildungsjahr von Oktober 2018 bis September 2019 stieg die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen im Großraum Aachen-Düren-Kreis Heinsberg (insgesamt 7347) um 5,5 Prozent. Immerhin 7800 jugendliche Bewerber(innen) wurden bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz unterstützt, dass das 3,7 Prozent weniger sind als im Vorjahr, sei wohl der verringerten Schulabgängerzahl geschuldet. Dass rein zahlenmäßig eigentlich alle Bewerber versorgt werden könnten, gleichwohl 376 junge Frauen und Männer ohne Ausbildungsstelle blieben, was einem Plus von 53,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht, gehört ebenso zur Kehrseite der Medaille, wie die Tatsache, dass 750 gemeldete Ausbildungsstellen unbesetzt blieben.

Ulrich Käser, Leiter der Arbeitsagentur Aachen, ging bei der Jahrespressekonferenz zum Ausbildungsmarkt gemeinsam mit der Handwerkskammer und der Industrie- und Handelskammer (IHK) Aachen auf diesen Widerspruch ein. „Angebot und Nachfrage passen oft nicht zusammen.“ Und er fragte, warum Bewerber und Stellen oft nicht zueinander finden. Vielfach fehle auf Bewerberseite die Bereitschaft, von Traumvorstellungen abzurücken, auch alternative Berufe in den Blick zu nehmen oder eine Fahrt etwas weiter über den Wohnort hinaus in Kauf zu nehmen. Auch Motive der Jugendlichen hätten sich verändert: „Gehalt und Aufstiegschancen rangieren erst an vierter Stelle hinter Kriterien wie dem Wohlfühlfaktor im Beruf und dem Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit.“ Berufe mit dem Image unattraktiver Arbeitszeiten haben nach wie vor Probleme. Aber auch Arbeitgeber trügen zum beschriebenen Missverhältnis bei: etwa durch fehlende Bereitschaft, das Anforderungsprofil zu senken und auch Bewerbern mit schwächeren Schulabschlüssen eine Chance zu geben.

Dass der Wettkampf um gute Bewerber in den kommenden Jahren anhalten wird, sahen neben Käser auch Georg Stoffels, Geschäftsführer der Handwerkskammer, und IHK-Geschäftsführerin Heike Borchers voraus. Der von Handwerk, Gewerbe und Industrie seit längerem beklagte Trend zur Akademisierung sei ungebrochen, trotz einer Studienabbrecherquote von rund 30 Prozent, von denen rund die Hälfte auf den dualen Ausbildungsweg umschwenken. Dieser lohne sich im Handwerk, das immer schwerer geeignete Bewerber finde, wie Georg Stoffels betonte. Dabei würden Verdienstmöglichkeiten, Aufstiegschancen und Abschlüsse immer mehr dem akademischen Sektor angeglichen: Bald werde es einen „Meister-Bachelor“ geben und den „Master“ für Betriebswirte im Handwerk. Dem Handwerk gehe es blendend. Es verbuchte insgesamt einen leichten Rückgang (-1,2%) bei den Ausbildungsverträgen, was nicht für den Kreis Heinsberg gilt, dort blieb der Zuspruch fast unverändert. Sechs Prozent der neuen Verträge (insgesamt 358) gingen an junge Flüchtlinge. Die Firma Nobis Printen, bei der die Pressekonferenz stattfand, hat beste Erfahrungen mit jungen Migranten gemacht, die bei Nobis ein Drittel der Azubis stellen, wie Inhaber Michael Nobis betonte und in der Backstube den „frisch gebackenen“ Gesellen Hekmattulah Hekmatyar und Azubi Mailika Boymirzoeva vorstellte.

Heike Borchers (IHK) meldete 4430 neue Verträge, 1,6 Prozent weniger als im Vorjahr. „Im Jahr 2021 wird sich der Trend umkehren, dann werden die Abgängerzahlen steigen. 2020 sind die Bewerberchancen top.“ 29 Prozent der Betriebe im Kammerbezirk könnten nicht alle Ausbildungsplätze besetzen. „13 Prozent haben gar keine Bewerbungen erhalten.“ 72 Prozent der Betriebe seien zudem bereit, auch schwächere Bewerber auszubilden, 22 Prozent bilden aktuell Flüchtlinge aus. Kaufmännische Berufe und im Handwerk das KfZ-Gewerbe sind nach wie vor bei den angehenden Azubis besonders gefragt.

Im Blick auf den Kreis Heinsberg blieb die Relation zwischen Bewerbern und Ausbildungsstellen in etwa gleich. 1905 gemeldete Bewerber(innen) (-8,9%) standen 1427 gemeldete Ausbildungsstellen (-7,4%) entgegen. Das oben beschriebene Missverhältnis gibt es auch hier: 87 unversorgten Bewerber(inne)n (plus 81,3%) standen 176 unbesetzte Ausbildungsstellen (plus 36,4%) entgegen. Von insgesamt 6084 Betrieben im Kreis Ende 2018 bildeten 1442 aus. Die Ausbildungsbetriebsquote sank von 2013 bis 2018 von 25,7 auf 23,7 Prozent.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort