Im Kreis Heinsberg Ausgrenzung von Sinti und Roma im Fokus

Kreis Heinsberg · Das Bündnis gegen Rechts des Kreises Heinsberg hat einen Aktiontag veranstaltet. Das sind die Sorgen und Probleme der Betroffenen.

 Tino Pakusa (li.) und Ulla Sevenich vom Bündnis gegen Rechtsextremismus begrüßen den Referenten Mihael Ritter von Sinti und Roma Köln.

Tino Pakusa (li.) und Ulla Sevenich vom Bündnis gegen Rechtsextremismus begrüßen den Referenten Mihael Ritter von Sinti und Roma Köln.

Foto: Angelika Hahn

 Zum siebten Mal hatte das „Bündnis gegen Rechtsextremismus – für Demokratie und Toleranz im Kreis Heinsberg“ zu einem Aktionstag eingeladen. Anlass sind aktuell die Internationalen Wochen gegen Rassismus. Im Übach-Palenberger Mehrgenerationenhaus richtete sich der Blick  diesmal vor allem auf die in Rassismus-Diskussionen häufig übersehenen, aber seit Jahrhunderten bis heute von Diskriminierung und  Verfolgung betroffenen Volksgruppen der Sinti, Roma und Jenichen. Als Referenten und Gesprächspartner hatten Bündnis-Geschäftsführer Tino Pakusa und sein Team Mihael Ritter, den Vereinsvorsitzenden der „Sinti und Roma Köln“ eingeladen. Er sei in Wiesbaden als Sohn von aus dem damaligen Jugoslawien stammenden Eltern geboren und habe auch in Aachen gelebt, sagte Ritter.

Er stellte sich zudem als  Ansprechpartner für die KZ-Gedenkstätte Aachen vor, die in diesem Jahr eine Gedenktafel für die von den Nazis umgebrachten Sinti und Roma bekomme. Ritter nahm die Zuhörer mit auf eine bedrückende Reise durch die Jahrhunderte alte Geschichte der Verfolgung, Diskriminierung und – noch im besten Fall – Ausnutzung der Volksgruppen etwa als bekannt versierte Handwerker oder Soldaten im Dreißigjährigen Krieg und später im Ersten Weltkrieg, in dem auch viele deutsche Sinti auf den Schlachtfeldern starben.

Kurzfristige Sonderrechte und „Schutzbriefe“ für die Volksgruppen der „Zigeuner“  im Spätmittelalter und Versuche der Einbürgerung im 18. Und 19. Jahrhundert wichen nach kurzer Zeit stets neuer Vertreibung und Verfolgung. 500.000 Mitglieder der Volksgruppen nach offiziellen Angaben, viele schätzen die Getöteten gar auf 1,5 Millionen, wurden im NS-Regime ermordet. Trotz Anerkennung durch das Minderheiten-Schutzabkommen der EU 1998 hätten Sinti und Roma bis heute weiter mit diskriminierenden Vorurteilen oder romantischen Klischees vom „Zigeunerleben“ zu kämpfen, sagte Ritter. So, dass immer noch viele Mitglieder der Volksgruppen ihre Herkunft im Alltag verschweigen und Prominente, wie etwa die bekannte Sängerin Marianne Rosenberg, sie ungern thematisieren.

Deutlich wurde in der anschließenden Diskussion, dass es sich bei Sinti, Roma, Jenichen und anderen Gruppen keineswegs um eine homogene Community handelt, sondern um vielfältige Volksgruppen mit teils sehr unterschiedlichen Traditionen, Religionen sowie etlichen Sprachen und Dialekten. Gemeinsam ist den Sinti und Roma ihre Herkunft vor vielen Jahrhunderten aus dem indisch-pakistanischen Raum. In NRW lebten heute, so der Referent auf Nachfrage, etwa 20.000 Sinti/Roma plus rund 15.000 (zumeist aus Osteuropa) zugewanderte Roma. Eine Zuhörerin wunderte sich darüber, dass das „Z-Wort“, wie sie sich ausdrückte, in Diskussionen von Sinti und Roma selbst noch ausgesprochen werde. Eine Minderheit, so erläuterte Ritter, identifiziere sich nach wie vor mit dem Begriff, der innerhalb der Volksgruppen aber kontrovers diskutiert werde.

Das aktuell drängendste Anliegen der Volksgruppen thematisierte Mihael Ritter am Schluss, auch mit Blick auf die anwesenden Politiker: die immer noch verbreitete Staatenlosigkeit – wider Willen – von Sinti und Roma. Widersprüchliche Gesetzesregelungen, so Ritter, machten es in Deutschland geborenen Sinti und Roma heute schwer bis unmöglich, einen deutschen Pass zu bekommen.

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