Dürreperiode im Kreis Heinsberg Der Jahrhundertsommer von 1959

Erkelenzer Land · Vor 60 Jahren gingen sommerliche Hitze und Trockenheit in die Chroniken des Altkreises Erkelenz ein, im Januar die Schneeausmaße.

 Im Sommer 1959 kehrten Kühe abends von den Rurwiesen (Benden) in Staubwolken in die Ställe zurück.

Im Sommer 1959 kehrten Kühe abends von den Rurwiesen (Benden) in Staubwolken in die Ställe zurück.

Foto: Stadtarchiv Hückelhoven

„Der Monat September war mit 5,1 mm Niederschlag der trockenste September seit Menschengedenken. Die Trockenheit dieses Sommers setzte im Juni ein und hielt mit nur kurzer Unterbrechung im August an. Die Auswirkungen der Trockenheit auf die Landwirtschaft waren beträchtlich. Infolge der Futtermittelknappheit stieg der Butterpreis auf 3,90 DM je Pfund. Die Einkellerkartoffeln kosteten 14 DM je Zentner. Der Wasserverbrauch lag (…) mit 651.000 cbm (…) weit über (…) dem Zeitraum des Vorjahres (464.000).“ Das ist kein Rückblick in zwei Monaten auf den immer noch heiß-trockenen Sommer 2019, sondern eine Rückschau auf den Sommer 1959, für den oft der Begriff „Jahrhundertsommer“ angewandt wird, obwohl er nicht der heißeste des vorigen Jahrhunderts war.

Er war aber gut sichtbar – die Bauern zogen mit ihren Pferdefuhrwerken riesige Staubfahnen hinter sich her, schließlich waren die schlaglochübersäten Feldwege nicht geteert, deren Erde von den Karrenrädern zu feinstem Staub zermahlen wurde. 1959 war allerdings das trockenste Jahr in Deutschland seit Beginn der Aufzeichnungen.

Butterpreise liegen heute etwa ein Viertel niedriger, die Kartoffelpreise ob der Dürre des Vorjahres im Supermarkt zwischen einem und 1,50 Euro das Kilogramm, rund das Fünffache gegenüber 1959.

Die Verwaltung des damaligen Landkreises Erkelenz registrierte für das gleiche Jahr aber auch das Gegenteil für den 12. Januar: „Schneeverwehungen nie gekannten Ausmaßes lähmen den Verkehr im Kreise Erkelenz.“ Gab’s da wirklich noch die klare Linie „sonnige Sommer und kalte/schneereiche Winter inclusive Weißer Weihnacht“? Nein, wie der Erkelenzer Lehrer Otto Fingerhuth von 1932 bis 1952 in seinen täglichen offiziellen Wetteraufzeichnungen (fürs Wetteramt Essen) festhielt. Niederschlag fällt am Niederrhein unter Atlantikeinfluss vom Westen auch im Winter grundsätzlich als Regen, Schnee kommt grundsätzlich von Osten, also selten. Zweifelsohne sind allerdings die Heiß- und Trocken-Sommer in den vergangenen 20 Jahren häufiger geworden.

Fingerhuts Tochter Doris übernahm nach dem Tod des Vaters 1952 in der Wilhelmstraße 20 die Messungen fürs Wetteramt Essen, exakt morgens um 7.30 Uhr wurde bis mindestens 1980 im Garten das „Niederschlagsauffangbehältnis“ geleert – 1959 registrierte Lehrerin Doris Fingerhuth mit 472 Millimetern im „Behältnis“ und damit 472 Litern per Quadratmetern die niedrigste Niederschlagsmenge der Aufzeichnungen. Seit 2009 werden die Wetterdaten in Neu-Immerath vom Meteo-Unternehmen Kachelmann automatisch gemessen.

2018 und 2019 kletterten die Temperaturen fast wochenlang auf weit über 30 Grad (mit 42,6 Grad wurde kürzlich der absolute Temperatur-Rekord in Lingen an der Ems registriert). Für den 6. August 1975 meldet die Heimatkalender-Chronik: „Seit Mitte Juli herrschte außergewöhnlich heißes Wetter. Im Kreisgebiet wurden an einzelnen Tagen Temperaturen bis zu 37 Grad gemessen.“

Am 13. September 1991 eine ähnliche Meldung: „Die anhaltende Trockenheit und die extreme Hitze blieben auch im Kreis Heinsberg nicht ohne Auswirkungen auf die Wasserläufe. Der Kitschbach (bei Haaren/Karken) war beispielsweise zeitweilig völlig ausgetrocknet.“

Und für den wahren Jahrhundertsommer 2003 meldet der Kreis am 5. August: „Die anhaltende Hitzewelle sorgt für höchste Waldbrandgefahr in der Region. Das erste Flugzeug zur Luftbeobachtung von gefährdeten Bereichen startet auf der NATO-Airbase in Geilenkirchen-Teveren. Die Bezirksregierung in Köln hat sich zu dem Einsatz von Kleinflugzeiten entschlossen. Von Geilenkirchen werden die gesamten linksrheinisch gelegenen Wald- und Heidegebiete des Regierungsbezirks überflogen. Am gleichen Tag wird die in Nordrhein-Westfalen höchstmögliche Gefahrenlage, die Waldbrandstufe 4, ausgerufen.“

Und am 8. August: „Die Hitze lässt die Menschen nach Erfrischung suchen. Immer mehr tun es auch wieder in der Rur. Die Behörden warnen jedoch: Baden in der Rur kann wegen gefährlicher Strömungen lebensgefährlich sein. Am Wochenende nähern sich die Temperaturen im Kreis der 40-Grad-Celsius-Grenze, im Schatten wohlgemerkt. Die Trockenheit macht vor allem den Landwirten zu schaffen. Die Hitze hält im Lauf des Augusts weiter an.“

Und da sang im Mai 1975 der beliebte Entertainer Rudi Carrell: „Wann wird‘s mal wieder richtig Sommer, ein Sommer wie er früher einmal war?“ Im August 1975 war es schon so weit, „ein Sommer wie er im Buche steht“, urteilte der Deutsche Wetterdienst. Und seitdem eigentlich immer, mit zunehmender Tendenz…

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