Heinsberger Landrat kritisiert Corona-Politik „Unser Gesundheitsamt ist am Ende“

Kreis Heinsberg · In einem Facebook-Video schlägt Landrat Stephan Pusch Alarm. Dass sich die Ämter in der Omikron-Welle auf das Zählen von Corona-Fällen konzentrieren müssen, ist für ihn völlig unverständlich. Er schlägt eine Alternative vor.

 Der Heinsberger Landrat Stephan Pusch (l.) während der Talkshow „Maybrit Ilner“ im November 2021 im Gespräch mit Karl Lauterbach.

Der Heinsberger Landrat Stephan Pusch (l.) während der Talkshow „Maybrit Ilner“ im November 2021 im Gespräch mit Karl Lauterbach.

Foto: Svea Pietschmann/ZDF

Der Heinsberger Landrat Stephan Pusch hat in einem Facebook-Video den Umgang der Bundespolitik mit der Omikron-Welle scharf kritisiert. Die Gesundheitsämter seien mit der Masse an neuen Infektionen schlichtweg überfordert und nunmehr ausschließlich damit beschäftigt, Daten und Fallzahlen zu produzieren. „Unser Gesundheitsamt, wie wahrscheinlich alle Gesundheitsämter in ganz Deutschland, sind im Moment am Ende“, sagte Pusch. Derzeit würden die Mitarbeiter ihre Zeit fast ausschließlich damit verbringen, Corona-Fälle an das Robert-Koch-Institut weiterzuleiten, so der Landrat, ohne dass dies einen Zweck erfülle. „Tatsächlich produzieren wir Datenfriedhöfe, die für gar nichts mehr gut sind“, sagt Pusch.

Wie in ganz Deutschland sind auch im Kreis Heinsberg die Corona-Zahlen in den vergangenen Tagen rapide angestiegen, binnen etwas mehr als einer Woche hatte sich die Sieben-Tage-Inzidenz von 366,5 auf 781,4 mehr als verdoppelt. Nach dem Wochenende ist die Zahl am Dienstag leicht auf 761,1 gesunken. Allein in der vergangenen Woche hatte es im Kreis 2001 bestätigte Corona-Infektionen gegeben.

Auf die von Bund und Ländern getroffenen Maßnahmen hätten die aktuellen Fallzahlen vor Ort dabei laut Stephan Pusch mittlerweile keinen Einfluss mehr. Dass die Gesundheitsämter sich weiterhin auf das Nachhalten der Corona-Zahlen fokussieren müssten, sei „purer Aktionismus“, sagte der Landrat: „Wir blockieren unsere Gesundheitsämter damit, Zahlen zu liefern, die dann nicht dazu führen, dass irgendwas passiert.“

Welche Corona-Regeln gerade gelten, sei mittlerweile auch für den Landrat ein Mysterium, er habe resigniert: „Die Regeln, die man jetzt alle anwenden müsste, die jetzt gelten und die alle paar Tage neu erfunden werden, versteht kein Mensch mehr.“

Schon jetzt sei es nicht mehr möglich, eine Quarantäne für Betroffene zu überwachen. Schon vor zwei Wochen habe das Gesundheitsamt in dieser Hinsicht die Segel gestrichen, sagte Pusch. Er habe in einer Videokonferenz an NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann vorgeschlagen, die Test- und Quarantäne-Regeln angesichts der Masse der Fälle stark zu vereinfachen: Menschen, die sich krank fühlten, müssten zu Hause bleiben.

„Aber massenhaft jetzt Leute zu testen, Fallzahlen zu produzieren, die auf der Ebene der Politik gar nicht mehr zu konkreten Handlungen führen“, sei der falsche Weg, sagte Pusch.

Man müsse versuchen, die Omikron-Welle zu bremsen. Dies gehe aber nur, wenn die Bürger vorsichtig seien und die Gesundheitsämter die Gelegenheit hätten, vor Ort Schwerpunkte setzen zu können. Schließlich stehe auch die nächste Grippewelle vor der Tür. „Die wird unser Gesundheitsamt wahrscheinlich erreichen, während wir gerade mit Fällezählen beschäftigt sind“, sagte Pusch.

Fast auf den Tag genau ein Jahr ist es her, dass der Landrat schon einmal mit einer denkwürdigen Facebook-Wutrede für deutschlandweite Aufmerksamkeit sorgte. Ende Januar 2021 hatte sich Pusch in einem zwölfminütigen Video über die Impfstoff-Politik der Bundesregierung aufgeregt und diese scharf kritisiert. „Das hätte jeder Landwirt im Kreis Heinsberg besser verhandelt“, hatte Pusch mit Blick auf die damaligen Lieferengpässe des Impfstoffs gesagt und war daraufhin unter anderem vom damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn gerügt worden.

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