Ehrgeiziges Modellprojekt Ganzheitliche Wasserstoff-Anlage wird im Kreis Heinsberg gebaut

Kreis Heinsberg · In Oberbruch wird in Kürze grüner Wasserstoff produziert. Mit der Technologie sollen zunächst Busse emissionsfrei betrieben werden, bald soll sie die ganze Energiewirtschaft transformieren.

So soll der erste Wasserstoff-Elektrolyseur im Kreis Heinsberg aussehen.

Foto: Neuman & Esser

„Die ganze Welt redet von der Energiewende. Aber bei uns wird nicht geredet, sondern gemacht“ – mit gewohnt markigen Worten hat Landrat Stephan Pusch am Donnerstag den Bau einer ganzheitlichen Wasserstoff-Anlage im Industriepark Oberbruch freigegeben. Das Ziel, das ein lokales Unternehmenskonsortium unter dem Projektnamen H2HS nun dicht vor Augen hat: Im Kreis Heinsberg durch Windkraft und Fotovoltaik grünen Strom produzieren, der durch einen Elektrolyseur vor Ort in Wasserstoff umgewandelt und verdichtet wird, die grüne Energie so „haltbar“ machen und dann auch vor Ort verbrauchen – und mit der entstehenden Abwärme gleich noch Haushalte in der Nähe beheizen.

„Ganzheitlicher Ansatz zur grünen Wasserstoffproduktion“ nennt sich das, was die Unternehmen Frauenrath (Heinsberg), Neuman & Esser (Übach-Palenberg), BMR (Geilenkirchen) Veolia (Heinsberg) und Wep (Hückelhoven) nun mit Unterstützung des Kreises und seiner Kommunen in die Tat umsetzen. Es ist ein Projekt, das in dieser Form bundesweiten Modellcharakter hat.

Denn Wasserstoff gilt zwar als Energieträger der Zukunft, weil er erneuerbare Energie speicher- und transportierbar macht. Die Technologie steckt aber noch in den Kinderschuhen – Infrastruktur, Pläne und Verfahren gab es bislang nicht. „Genehmigungsverfahren, Markt, Geschäftsmodelle? Es war nichts vorhanden, aber wir haben uns der Herausforderung gestellt“, erklärt BMR-Chef Guido Beckers. In diesen Tagen beginnt der Bau des Elektrolyseurs und der Wasserstofftankstelle, danach kann dem Vorhaben nichts mehr im Weg stehen. „Es ist zwar nicht der erste Spatenstich für eine Wasserstoff-Anlage, denn die Dürener waren schneller als wir“, sagte Frauenrath-Geschäftsführer Gereon Frauenrath – setzte aber gleich eine Spitze gegen den Nachbarkreis hinterher: „Dafür ist das hier der erste Spatenstich für eine Anlage, die vollumfänglich genehmigt ist.“

Ein erstes Anwendungsfeld hat das Konsortium auch gefunden: Der Wasserstoff wird schon bald Kostenpflichtiger Inhalt die neuen Wasserstoff-Busse der Westverkehr antreiben. Beim nordirischen Unternehmen Wrightbus hat die Westverkehr zwölf solcher Busse gekauft. Sie sollen ab Januar auf den Linien 401 und 402 zwischen Heinsberg, Hückelhoven und Erkelenz verkehren, den meistgenutzten Routen des Unternehmens. „Ohne einen solchen Ankerkunden wäre dieses Projekt nicht denkbar gewesen“, sagt Beckers.

Die neue Anlage wird zunächst eine Leistung von bis zu zwei Megawatt haben. Für den Start soll das reichen. „Wenn der Bedarf steigt, können wir vor Ort jederzeit ausbauen“, sagte Stefanie Kesting von Neuman & Esser. 70 Tonnen Wasserstoff sollen pro Jahr zunächst in Oberbruch produziert werden, diese Menge kann bei Bedarf auf 200 Tonnen gesteigert werden. Zum Vergleich: Das entspricht laut Kesting einer Menge von einer Million Liter Dieselkraftstoff, die pro Jahr durch die Wasserstoff-Technologie eingespart werden können.

Kesting ist stolz auf das Projekt, das in den vergangenen knapp vier Jahren gewachsen war: „Wasserstoff ist ein internationaler Megatrend. Aber wir zeigen hier, dass man nicht warten muss, bis sich solche Megatrends entwickeln, sondern von Anfang an dabei sein und auch regional und vor Ort etwas beitragen kann.“

Mittelfristig sollen natürlich nicht nur Busse durch Wasserstoff angetrieben werden, sondern vor allem die Industrie dekarbonisiert werden, auch am Standort Oberbruch. Stefan Langer vom Industrieparkbetreiber Veolia verspricht: „Die Industrie soll und wird kommen.“ Zunächst mal werde man „viele Erfahrungen machen, hoffentlich auch gute“. Langer berichtete: „Was wir hier machen, erfährt auch international viel Beachtung.“

Wirtschaftsförderer Ulrich Schirowski lobte die Beteiligten für ihren Mut und ihr Durchsetzungsvermögen: „Dass wir im Kreis Heinsberg die richtigen Potenziale haben, um so etwas umzusetzen, ist eine echte Stärke. Aber man braucht auch die richtigen Unternehmertypen, die bereit sind, die Extrameile zu gehen.“