Kreis Heinsberg "Folter"-Begriff hat viele aufgeschreckt

Kreis Heinsberg · Die Altenheime im Kreis gehen zumeist sehr sensibel mit freiheitsentziehenden Maßnahmen um. Alle müssen richterlich angeordnet sein. Ein Projekt mit Heimvertretern erarbeitet Alternativen zur Fixierung von Senioren.

 Sozialdezernentin Machat: "Die meisten Heime achten darauf, die Vorgaben einzuhalten."

Sozialdezernentin Machat: "Die meisten Heime achten darauf, die Vorgaben einzuhalten."

Foto: LAASER (ARCHIV)

Bernd Bogert, Geschäftsführer der St. Gereon Seniorendienste und damit Chef etlicher Einrichtungen der stationären (und ambulanten) Altenpflege in der Region, macht aus seinem Ärger keinen Hehl, wenn er auf das Image der Altenheime und die "Folter"-Diskussion angesprochen wird. "Dass man glaubt, Menschen vor Mitarbeitern der Altenpflege schützen zu müssen, ist eine Unverschämtheit", sagt er. Aktueller Anlass zu solchem Unmut, den Bogert mit vielen Beschäftigten in der Altenpflege teilt, ist die landesweite Berichterstattung über die Fixierungspraxis in Alten- und Pflegeheimen in Verbindung mit Forderungen der Justizminister, Pflegeheime künftig durch die staatliche Anti-Folter-Stelle überwachen zu lassen. Bogert betont: "In unseren Verträgen steht sogar ausdrücklich, dass wir keine Fixierungen durchführen."

Die Diskussion in den Medien hat vermehrt zu Anfragen bei der Heimaufsicht des Kreises Heinsberg geführt. Dass viele Bürger auch im Kreis Heinsberg durch Schlagzeilen mit Formulierungen wie "Folterkontrollen" oder "Ende der Fesselung alter Menschen" aufgeschreckt wurden und sich über die Heimaufsicht beim Kreis erkundigten, bestätigt Kreissprecher Ulrich Hollwitz.

"Der Kreis Heinsberg begrüßt, dass die Öffentlichkeit für dieses Thema sensibilisiert wird", sagt Sozialdezernentin Liesel Machat, "gleichwohl ist es nach unserer Ansicht in der täglichen Pflegepraxis noch nicht möglich, gänzlich auf die gerichtlich genehmigten Fixierungen zu verzichten." Die Kontrollen der Heimaufsicht — mindestens einmal jährlich in jeder Einrichtung — konzentrieren sich daher auch auf die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen zur Freiheitseinschränkung. "Wenn es freiheitseinschränkende Maßnahmen gibt, müssen diese juristisch einwandfrei, sach- und fachgerecht und unter der Maxime der Anwendung des mildesten möglichen Mittels erfolgen", sagt Marion Okuhn von der Heimaufsicht. "Es werden sowohl die pflegefachlichen wie auch juristischen Aspekte überprüft."

Die Praxis im Kreis Heinsberg zeige, so Sozialdezernentin Liesel Machat, dass die Pflegeeinrichtungen aufgrund der Transparenz im Rahmen der Qualitätskontrolle sehr daran interessiert sind, die entsprechenden Vorgaben einzuhalten. Daraus resultierte unter anderem ein gemeinsames Projekt von Heimen, Heimaufsicht und Amtsgerichten, das erreichen will, Fixierungen zu vermeiden, wo dies möglich ist, und Alternativen zu nutzen: beispielsweise herunterfahrbare niederflurige Betten oder sogenannte "Easy Walker", besondere Gehhilfen für Menschen, bei denen ein Rollator nicht mehr ausreichend Sicherheit bietet.

Ralf Eiche, Geschäftsführer der Pflegedienste Kuijpers, gegrüßt den im vergangenen Jahr — lange vor der jüngsten Diskussion — ins Leben gerufenen Arbeitskreis nach dem sogenannten Werdenfelser Modell. Dadurch seien Mitarbeiterschulungen angeregt worden, bei denen Fragen des Betreuungsrechts, der Selbstbestimmung von Heimbewohnern und die oben beschriebenen Alternativen im Zentrum standen. Die Pflegedienste Kuijpers, die in drei Einrichtungen in Kückhoven, Wassenberg und Heinsberg-Lieck auch geschlossene gerontopsychiatrische Wohngruppen für alte Menschen vorhalten, haben "Freiheitsbeauftragte" in ihren Einrichtungen eingesetzt. Eiche betont, dass freiheitsentziehende Maßnahmen einer strikten juristischen Kontrolle unterliegen und immer nur befristet sind. "Alle unserer Mitarbeiter sehen das Thema sehr eng." Andreas Louven vom Amt für Soziales des Kreises Heinsberg sagt: "Wichtig ist uns, dass sich das Denken in den Pflegeheimen spürbar verändert, wonach die Fixierung wirklich nur noch die Ultima ratio darstellt." Wünschen würde sich die Heimaufsicht, dass auch die Angehörigen mitziehen. Marion Okuhn berichtet aus ihrer täglichen Praxis: "Gerade die Angehörigen äußern oft den Wunsch, die zu pflegende Person zu fixieren, damit, so wörtlich, 'nichts passiert'."

Dass zur Pflegequalität und zur Vermeidung von unnötiger Fixierung auch eine entsprechende personelle Ausstattung der Pflegeheime nötig ist, kann die Heimaufsicht nur bestätigen. Daher überprüfe sie bei ihren Kontrollen ständig die personelle Ausstattung der Pflegeheime. Andreas Louven: "Im Kreis Heinsberg erfüllen sämtliche Pflegeheime zurzeit die gesetzlich vorgeschriebenen personellen Standards."

(RP)
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