Krefeld Zweimal das Theater gerettet

Krefeld · 1993 und 2009 kämpften sie für den Erhalt des Gemeinschaftstheaters. Sie sammelten 50 000 Unterschriften und investierten eine Million Euro. Die Gesellschaft der Freunde des Krefelder Theaters ist 25 Jahre alt.

Zweimal sind sie auf die Barrikaden gegangen, um die Existenz des Theaters zu sichern. "Und wir würden es auch noch ein drittes und viertes Mal tun", sagt Heinrich Rungelrath. Von Beruf ist er Richter, aus Berufung ist er Vorsitzender der Gesellschaft des Freunde des Krefelder Theaters. Der Förderverein ist 25 Jahre alt. Am Montag treffen sich die Mitglieder zur Jahresversammlung. Nach der Tagesordnung bescheren die Mezzosopranistin Satik Tumyan und der Bass Hayk Dèinyan den Freunden des Krefelder Theaters einen Liederabend. Denn sich selbst zu feiern, ist nicht Sache des Fördervereins. Vorsitzender Heinrich Rungelrath sagt: "Wir wollen das Extra zum Theater sein."

Freundschaften, die in guten Tagen gepflegt werden, bewähren sich in den schlechten Zeiten. Was nach Binsenweisheit klingt, war 1986 die Grundlage für die Idee des Krefelder Unternehmers Dolf Stockhausen, Freunde fürs Theater zu finden und zu einem Verein zusammenzuschließen.

47 448 Unterschriften

Und nicht nur in guten Zeiten. Als vor drei Jahren der Etat für die Vereinigten Bühnen so radikal gekürzt werden sollte, dass der Spielplan auf der Kippe stand, da haben Theatergänger mit Protesten parat gestanden. Und als 1993 Mönchengladbach die Scheidung der Theaterehe mit Krefeld einreichen wollte, da haben die Theaterfreunde (damals unter leitung Stockhausens) mobilgemacht. Sie haben 47 448 Unterschriften für den Erhalt des Gemeinschaftstheaters eingeholt – und Erfolg gehabt. "Die Gesellschaft braucht Theater", sagt Heinrich Rungelrath und fühlt sich durch solche Aktionen bestätigt.

29 Mitglieder hatte die "Gesellschaft der Freunde des Krefelder Theaters" zu Beginn. Inzwischen sind es 370. Mit mehr als einer Million Euro haben sie das Theater bisher unterstützt. "Die materielle Förderung ist enorm wichtig: Aber wir wollen das Theater bezuschussen, nicht finanzieren", sagt Rungelrath. Deshalb ist das Geld immer für die Extras ausgegeben worden – für Premierenfeiern und Geschenke an die Akteure, bei denen aber auch das Publikum den Bühnenleuten ganz nahe sein kann. "Dieser Kontakt zum Ensemble ist wichtig. So etwas kann kein Tourneetheater bieten. Das liefert doch nur Unterhaltung. Aber ein festes Theater mit seinen Menschen ist in einer Stadt verwurzelt. Dafür lohnt es sich, zu kämpfen", findet Rungelrath.

Die Theaterfreunde blicken bei Probenbesuchen auch hinter Kulissen, organisieren Fahrten zu anderen Häusern, sie haben mehrfach besondere CD-Aufnahmen – etwa Clara-Schumann-Lieder mit Hale Al Orfali oder jiddische Lieder mit Matthias Oelrich ermöglicht. Alle zwei Jahre – im Wechsel mit den Mönchengladbacher Theaterfreunden – vergibt die Gesellschaft an ein junges Ensemblemitglied einen Förderpreis. Auch das soll ein Extra bleiben, betont Rungelrath: "Kulturförderung muss Pflichtaufgabe der Kommunen bleiben. Theater muss als öffentlicher Raum erhalten werden. Es spiegelt das Klima einer Stadt, ist Bildungseinrichtung, Wirtschafts- und Imagefaktor", sagt er. Doch er sieht es auch mit Leidenschaft: "Wer allein vorm Fernseher sitzt, vereinsamt. Eine Vorstellung erlebt man immer mit anderen gemeinsam, mit Zuschauern und Akteuren. Da ist jeder Moment einzigartig." Bildungsauftrag, Forschungslabor für experimentelle Stücke, Pflegeanstalt für kulturelle Werte – ja, all das bedeutet ihm Theater: "Eine theaterfreundliche Gesellschaft ist eine menschenfreundliche Gesellschaft."

(RP)
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