Krefelder Buchschätze Leuchtende Farben zerfressen Atlanten

Krefeld · Zwei wertvolle historische Atlanten der Historischen Bibliothek des Museums Burg Linn werden demnächst in Berlin restauriert. Das Geld kommt aus Fördertöpfen, das Museum hat dafür keinen Etat.

 Der Wind pustet vom Rand der Welt: So schön wurden die Atlanten gestaltet. Doch Lochfraß setzt den Schätzen zu.

Der Wind pustet vom Rand der Welt: So schön wurden die Atlanten gestaltet. Doch Lochfraß setzt den Schätzen zu.

Foto: Lothar Strücken/LOTHAR STRUECKEN

Der Löwe hat sich durchgedrückt. Auf dem Innentitel des großen Buches liegt der König der Steppe friedlich in Gesellschaft exotisch gekleideter Personen und Gestalten aus dem Götterhimmel. Fast unauffällig befinden sich am Rand der Lebewesen die Werkzeuge eines Landvermessers.

Es handelt sich bei diesem Werk um einen Atlas von Nicolas Visscher, der Anfang des 18. Jahrhunderts in Amsterdam gedruckt und farbig ausgemalt wurde. Und diese Farben, die noch mit erstaunlicher Leuchtkraft existieren, sind das Problem nicht nur dieses Buches. „Es ist fatal“, sagt Ralf Stefan, ehrenamtlicher Mitarbeiter des Museums Burg Linn und Koordinator des Buchrestaurierungsprojekts, „diese Farben enthalten Metallsalze, und das führt zum Kupferfraß.“

Dabei drücken sich die kolorierten Flächen im Laufe der Zeit auf die nächsten Buchseiten nach vorne wie hinten durch, und so gibt es den Löwen, wenn auch nicht so exakt wie im Original auf dem Innentitel, auf dem Blatt davor noch einmal als unerwünschten Abdruck.

 Zwei kostbare Bücher präsentiert von Christoph Dautermann (links), Jennifer Morscheiser und Rolf Stefan.

Zwei kostbare Bücher präsentiert von Christoph Dautermann (links), Jennifer Morscheiser und Rolf Stefan.

Foto: Lothar Strücken/LOTHAR STRUECKEN

Doch nicht nur, dass sich Farbiges im Buch auf unerwünschte Weise vermehrt, in der Folge werden diese Farbflächen zu Löchern in den Seiten. „Das Papier wird trocken und spröde und es kommt dann zu Ausbrüchen“, erklärt Stefan. Da sieht auch die Museumsleiterin Jennifer Morscheiser dringenden Handlungsbedarf, aber für diese Arbeiten hat das Museum Burg Linn keinen Etat. Rettung kommt in diesem Fall vom Förderverein des Museum, von der Stadt Krefeld und letztendlich auch aus Berlin.

Projektleiter Christoph Dautermann freut sich über die Finanzspritze aus der Bundeshauptstadt: „Die Bundesregierung hat Geld, und nach den diversen Bränden von Bibliotheken und Einstürzen von Archiven, wie dem Stadtarchiv in Köln, will man helfen, wertvolles Kulturgut zu bewahren.“ Dazu gehört dann auch ein Fördertopf, der bei dringenden Restaurierungen – beispielsweise historischer Bücher, die es nur in wenigen Exemplaren noch gibt, oder wenn es sich um Unikate von großem Wert handelt – die Summe verdoppelt, die aus Eigenmitteln zusammenkommt.

 Der Einband ist gebrochen und bietet keinen Schutz fürs Papier. Eine Restaurierung ist dringend notwendig.

Der Einband ist gebrochen und bietet keinen Schutz fürs Papier. Eine Restaurierung ist dringend notwendig.

Foto: Lothar Strücken/LOTHAR STRUECKEN

Einige wertvolle Buchschätze wurden so schon vor dem weiteren Verfall gerettet. Jetzt steht für die Restaurierung der beiden Linner Atlanten die Summe von 50.000 Euro zur Verfügung. Morscheiser relativiert die hoch erscheinende Summe: „Jede Karte muss hinten kaschiert werden. Dies macht man mit Japanpapier und Fischleim, der die Säure neutralisiert. Und das ist ungewöhnlich teuer!“ 630 Euro kosten nur die Papiere für die beiden Atlanten, da ist noch keine Arbeitsstunde dabei.

Eine Schwierigkeit ist es auch, eine Spezialwerkstatt zu finden, die die Kompetenz für die jeweiligen Restaurierungsarbeiten besitzt. Dank der Unterstützung der Universitätsbibliotheken in Düsseldorf und Münster konnten die entsprechenden Fachleute irgendwo zwischen Berlin und Bayern gefunden werden. Doch damit kommt für die Eigentümer der bibliophilen Kostbarkeiten die nächste Klippe: Die für dieses Jahr gewährten Fördermittel müssen auch noch in diesem Jahr ausgegeben werden – und das Museum Burg Linn ist nicht alleine auf der Suche. Die hoch spezialisierten Restaurierungsbetriebe in der Bundesrepublik können für den Rest des Jahres Überstunden und Nachtschichten einplanen.

Ein Problem löst Morscheiser mit größtem Vergnügen: Die beiden Atlanten wird sie selber in die Spezialwerkstatt nach Berlin bringen. „Nein, die gehen nicht als Büchersendung auf die Reise“, meint Dautermann augenzwinkernd.

Damit wären dann derzeit 68 Bücher aus dem Bestand der Historischen Bibliothek des Museums Burg Linn unterwegs. In dieser Zeit soll sich auch ihre Aufbewahrung „zu Hause“ verbessern. „Der Raum der Historischen Bibliothek im zweiten Obergeschoss des Museums muss dringend klimatisiert werden, Lufttemperatur und Feuchtigkeit müssen reguliert werden“, sagt Koordinator Stefan.

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