Analyse Afd Zu Gast bei einer umstrittenen Partei

Krefeld · Der Neujahrsempfang der Krefelder AfD zeigt: Sie will in die Räte einziehen und hat sich "kommunalpolitische Leitlinien" gegeben. Aus guten Grund: Die Partei hat keine kommunalen Themen, sie rettet lieber Deutschland. Besuch bei einer umstrittenen Partei.

 Jörg Meuten, einer der Bundessprecher der AfD (die Partei redet nicht von Vorsitzenden, sondern von Sprechern), war beim Neujahrsempfang der AfD umlagert von Anhängern. Rund 200 Gäste waren zum Empfang in Oppum gekommen.

Jörg Meuten, einer der Bundessprecher der AfD (die Partei redet nicht von Vorsitzenden, sondern von Sprechern), war beim Neujahrsempfang der AfD umlagert von Anhängern. Rund 200 Gäste waren zum Empfang in Oppum gekommen.

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Das eigentliche Thema dieses Neujahrsempfangs kam gar nicht zur Sprache und war nur in Form einer AfD-blauen Broschüre präsent - Titel: "Mut zu Krefeld - Gut für Krefeld. Kommunalpolitisch Leitlinien der AfD Krefeld". Unterschätzen darf man die Broschüre dennoch nicht. Sie ist der richtigen Analyse geschuldet, dass Parteien ohne kommunale Basis auf tönernen Füßen stehen. Stärke, Erneuerung, Kontakt zu den Menschen - all das kommt von unten, nicht von oben. Die AfD ist bislang eine Von-oben-Partei, ein Ein-Thema-Projekt: Ihr Thema ist Migration - daraus vor allem saugt sie Erfolg. Auch wenn die AfD zurzeit als Oppositionsführer im Bundestag vor Kraft kaum laufen kann: Ein-Thema-Parteien droht stets der schnelle Exitus - zumal wenn die anderen Parteien dieses Thema aufgreifen. Siehe "Piraten": Was war das für ein Hype; und was waren die schnell wieder weg.

 Demonstranten in Oppum an der Hauptstraße in der Nähe der Halle, in der die AfD tagte.

Demonstranten in Oppum an der Hauptstraße in der Nähe der Halle, in der die AfD tagte.

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Doch dieser Neujahrsempfang in Krefeld diente vor allem der Selbstvergewisserung einer Partei, die sich selbst "diffamiert" und "sozial ausgegrenzt" fühlt, wie ein Redner klagte. Rund 200 Gäste aus der Region waren gekommen, auch Bundestagsabgeordnete. Stargast war Jörg Meuthen, AfD-Bundessprecher und Europaparlamentarier.

Meuthen gab sich locker, hielt eine fast launige Rede und versuchte Angriffe, wonach die AfD "bis ins Knochenmark rechtsextrem" (Meuthen) sei, satirisch zu unterlaufen. Das funktionierte im Saal wunderbar. Meuthen wurde oft von Gelächter unterbrochen, wenn er sich über die "Kartell-Parteien", die "Realitätsverweigerer" und die "Loko" (statt Groko; für Loser-Koalition) lustig machte. Den Vorwurf, rechtsextrem zu sein, wies er zurück; europapolitisch blieb er moderat: Den "Vereinigten Staaten von Europa" eine Absage zu erteilen, vor Brüsseler Zentralismus zu warnen und einem "Europa der Vaterländer" das Wort zu reden, sind Positionen, die nicht allein der AfD gehören.

Auch die kommunalpolitischen Leitlinien lesen sich unspektakulär: Schuldenabbau, Barrierefreiheit, Bürgerentscheide, Lärmschutz, Brauchtumspflege, Polizei und innere Sicherheit - alles schon gehört. Beim Thema "Integration" horcht man auf, doch auch das liest sich wenig provokant: "Integration", heißt es etwa, "ist nur möglich, wenn die zu Integrierenden in der deutlichen Minderzahl zur einheimischen Bevölkerung sind"; es sei darauf zu achten, in Vierteln mit Integrationsproblemen keine weiteren Personengruppen mit Integrationsschwierigkeiten anzusiedeln. Alles im Grundsatz plausibel.

Das Befremdliche, Verstörende und auch Abstoßende an dieser Versammlung wie an der Partei überhaupt liegt am Selbstgefühl der AfD: Sie stilisiert sich immer wieder zum Erlöser in einer geradezu historischen Auseinandersetzung. Dinge in Deutschland sind nicht nur schlecht - das Land ist vom Untergang bedroht. Meuthen hat solche Untergangsfantasien in der heiteren Variante bedient: Uns ging es noch nie so gut wie vor Weihnachten, sagten die Gänse - so verspottete er die vermeintliche Ahnungslosigkeit über die wahre Lage des Landes. Selbstredend sieht ausschließlich die AfD die Gefahren richtig. Und wenn die AfD erst regiere, dann würde "endlich aufgeräumt in diesem Land", sagte der AfD-Politiker Guido Krebber (und nicht, wie gestern irrtümlich berichtet, Guido Reil). Was meint Krebber - Verbot der Lügenpresse? Abschaffung der Kartellparteien? Inhaftierung all der ahnungslosen Gänse, die nicht glauben wollen, dass sie ahnungslose Gänse sind? Krebber erhielt für diesen Satz jubelnden Applaus - für den Außenstehenden war es ein beklemmender Moment: Das Ausmaß der martialisch daherkommenden Drohung war unauslotbar. Die Letzten, die in Deutschland "aufgeräumt" haben, waren die Nazis; die Vokabel "aufräumen" gehörte zu Hitlers Wahlkampfrhetorik. Man hört schon die Erwiderung: Die Mainstream-Presse packt wieder die Nazi-Keule aus. Nein, man muss nichts auspacken, die Erinnerung ist da wie die Schwerkraft, und sie wird nicht falsch, weil man sich erinnert. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wer so spricht, greift zur Keule. Was bedeutet "aufräumen"?

Der Krefelder AfD-Sprecher Burkhard Schröder wandte sich in seinem Grußwort gegen "Klischees und Vorurteile" gegenüber der AfD; mehrfach wurde betont, wie basisdemokratisch und wertschätzend der Umgang in der Partei sei. Es gab viele moderate Töne, über die sich kein Mensch aufregen würde, jedenfalls nicht mehr, als sich die "Alt-Parteien" übereinander aufregen. Dennoch: Die AfD erscheint an ihren Rändern gefährlich. Leute, die sich in einem historischen Entscheidungskampf wähnen, sind unberechenbar. Die AfD pflegt dieses Selbstbild und die Rhetorik bewusst. Wenn es Mainstream ist, das abstoßend zu finden - bittesehr. Deutscher Mainstream, das ist die Verfassung, das sind die Ideale einer weltoffenen, freien und menschenfreundlichen Gesellschaft. Nicht schlecht, dieser Mainstream.

(RP)
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