Interview mit Stella Rütten "Wo war die Weitsicht der Parteiführung?"

Krefeld · Hoffen die Jusos noch, die Groko zu verhindern? Soll Martin Schulz Minister werden? Haben die Jusos sich Sympathien verscherzt? Wir sprachen mit der Krefelder Juso-Vorsitzenden Stella Rütten über die Stimmung an der Basis.

 "Ich frage mich schon, wie viel Durchsetzungskraft jemand hat, der das mit sich machen lässt": Krefelds Juso-Vorsitzende Stella Rütten im RP-Gerspräch über Martin Schulz und seine von Hannelore Kraft gewünschte Abwesenheit im NRW-Wahlkampf. Rütten ist 25 Jahre alt und studiert in Duisburg Politikwissenschaften. Sie ist gerade im Amt als Juso-Chefin bestätigt worden.

"Ich frage mich schon, wie viel Durchsetzungskraft jemand hat, der das mit sich machen lässt": Krefelds Juso-Vorsitzende Stella Rütten im RP-Gerspräch über Martin Schulz und seine von Hannelore Kraft gewünschte Abwesenheit im NRW-Wahlkampf. Rütten ist 25 Jahre alt und studiert in Duisburg Politikwissenschaften. Sie ist gerade im Amt als Juso-Chefin bestätigt worden.

Foto: Lammertz

Die Jusos haben auf dem Parteitag in Bonn eine Niederlage einstecken müssen. Glauben Sie, dass die Parteibasis die Groko noch kippt?

Rütten Ich glaube, das Rennen ist offen. Das Ergebnis des Parteitages war sehr knapp, viele haben sich kritisch geäußert. Man muss nun abwarten, was bei den Verhandlungen herauskommt.

Haben die Jusos sich mit der Kampagne "Einen Zehner gegen die Groko" Sympathien verscherzt?

Rütten Ich glaube, das war nicht die beste Kampagne. Sie war aber mit einem gewissen Augenzwinkern gemeint. Wir in Krefeld haben diese Kampagne nicht mitgefahren, weil ich das sehr skeptisch gesehen habe. Ich bin der Meinung: Man muss das Ergebnis des Parteitags respektieren, und wir warten nun das Ergebnis der Verhandlungen ab.

 Der frisch gewählte Juso-Vorstand zeigt den klassischen Kampfgruß der Sozialisten. Mittendrin: SPD-Fraktionschef Benedikt Winzen und die SPD-Landtagsabgeordnete Ina Spanier-Oppermann.

Der frisch gewählte Juso-Vorstand zeigt den klassischen Kampfgruß der Sozialisten. Mittendrin: SPD-Fraktionschef Benedikt Winzen und die SPD-Landtagsabgeordnete Ina Spanier-Oppermann.

Foto: Jusos

Sind Sie nach dem Parteitag wankend geworden in Ihrer Ablehnung der Groko? Man konnte in der Debatte auch viele ehrenwerte Gründe für eine Neuauflage hören.

Rütten Bisher wanke ich nicht. Aber wir Jusos werden uns inhaltlich mit den Verhandlungsergebnissen auseinandersetzen. Das ist das Wichtigste, und das war an der Diskussion der vergangenen Wochen sehr schön: Die Jusos waren nicht die, die draufgehauen haben, sondern die, die sich inhaltlich ernsthaft mit der Groko-Frage auseinandergesetzt haben. Diese Diskussionskultur ohne persönliche Angriffe ist ja auch in der Öffentlichkeit sehr positiv wahrgenommen worden.

Was mich gewundert hat, ist der moralische Rigorismus bei den Jusos. In der Krefelder Debatte plädierte eine junge Frau dafür, in der Flüchtlingsfrage rigoros den Familiennachzug zu fordern, und sei es um den Preis, auf 15 Prozent abzusacken. Sie sagte: Dann glauben uns die Leute wieder, dass wir noch Ideale haben. Ist politische Bedeutungslosigkeit nicht ein zu hoher Preis?

Rütten Die Flüchtlingsfrage wird in der öffentlichen Wahrnehmung überbetont, es geht uns ja um viel mehr. Ich glaube, dass für die SPD etwas anderes viel gefährlicher ist: Wir sind in den vergangenen Monaten als Umfaller wahrgenommen worden. Das ist eine Katastrophe. An der Basis werfen viele der Parteispitze vor, hier große Fehler gemacht zu haben. Der komplette Vorstand hat anfangs in allen Medien gesagt: Opposition ist der beste Weg, und dann kam die Wende.

Immer wieder ist zu hören, dass die SPD kein inhaltliches, sondern ein Kommunikationsproblem hat. Lügt man sich damit nicht einen in die Tasche?

Rütten Nein, und dieses Problem bleibt ja bestehen. Beim Thema Familiennachzug zum Beispiel sagen sowohl SPD als auch CDU/CSU, sie hätten sich durchgesetzt. Das kann ja wohl nicht sein. Dazu kommt die Profillosigkeit der CDU. Man weiß nicht genau, wofür die steht, außer für Kompromisse zum Machterhalt. Das macht es zusätzlich schwer, in der öffentlichen Wahrnehmung eigenes Profil darzustellen.

Soll Martin Schulz ein Ministeramt übernehmen?

Rütten Das ist eine Glaubwürdigkeitsfrage. Erst will er Kanzler werden, dann sagt er, er geht in die Opposition, dann fällt er um - jetzt will er Minister unter Merkel werden. Es ist schwierig, mit diesem Verhalten eine Parteibasis zu überzeugen. Ich denke, es gibt viele, die sagen: Wer hat uns denn in dieses Chaos gebracht? Marin Schulz wird es nicht leicht haben als Minister. Er muss bei null anfangen, in der Partei Glaubwürdigkeit und Vertrauen in seine Führungsfähigkeit zurückgewinnen. Hannelore Kraft hat ihm im NRW-Wahlkampf praktisch den Stuhl vor die Tür gesetzt. Ich frage mich schon, wie viel Durchsetzungskraft jemand hat, der das mit sich machen lässt. Sich aus dem Wahlkampf im wichtigsten Bundesland herausziehen - das war schon sehr mutig.

Das heißt, er dringt mit der Erzählung, der Bundespräsident habe ihn und die SPD nach dem Versagen der Jamaika-Verhandler für das Land in die Pflicht genommen, nicht durch?

Rütten Das wird schon so gewesen sein. Ich frag mich aber: Wo war die Weitsicht der Parteiführung? Man war sich viel zu sicher, dass Jamaika klappt.

JENS VOSS FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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