Krefeld Witwenmord: Wirbel um V-Mann aus Rockermilieu

Krefeld · Spektakulärer Prozessbeginn im Mordfall Beate S.: Ein Hauptangeklagter fordert das Gericht auf, seine Einlassungen nicht zu verwerten. Die Polizei habe einen V-Mann auf ihn angesetzt und so Beweismittel unrechtmäßig beschafft.

 Wurde ermordet: Beate S.

Wurde ermordet: Beate S.

Foto: Polizei

Die Krefelder Polizei hat bei der Ermittlung im Mordfall der Fischelnerin Beate S. womöglich Aussagen beschafft, die vor Gericht nicht verwendet werden dürfen. Der Hauptangeklagte Stefan K. gab am Dienstag vor Gericht an, bei einer sechsstündigen Vernehmung durch die Polizei im Mai 2011 nur deshalb ausgesagt zu haben, weil die Polizei seine Familie mit einem "V-Mann aus dem Rockermilieu" unter Druck gesetzt habe. Die Polizei bestätigt in den Gerichtsakten, dass verdeckte Ermittler eingesetzt wurden. Morgen soll der Krefelder Hauptkommissar Gerd Hoppmann die Ermittlungsansätze schildern.

Der Mord an Beate S. (75) hat Krefeld über Wochen in Atem gehalten. Die mehrfach verwitwete Rentnerin, kinderlos und als pensionierte Bankmitarbeiterin vermögend, war am 16. März 2011 in ihrer Erdgeschosswohnung an der Camesstraße in Fischeln erdrosselt worden.

Die Polizei ging zunächst von einem Raubmord aus, nahm 1500 Krefelder Männern Speichelproben ab — ohne den Täter zu ermitteln. Ende Mai dann die Wende: Die Polizei teilte mit, dass der Wegberger Stefan K. (43) den bulgarischen Auftragskiller Hristo L. mit dem Mord an seiner wohlhabenden Bekannten Beate S. beauftragt habe. Stefan K. kannte Beate S., weil sie zeitweise die Partnerin seines Vaters war.

Nach dessen Tod kümmerten sich Stefan K. (IT-Manager) und seine Ehefrau Birgit (Industriekauffrau) weiter um die Krefelder Seniorin. Beate S. wurde offenbar ermordet, weil sie — gemeinsam mit Birgit K. — Stefan K. zum Verkauf seines Gladbacher Bordells drängte. Mehrfach soll Stefan K. schon im Januar zu seiner Frau gesagt haben, dass er Beate S. umbringen will.

Aus Sicht des Krefelder Anwalts Stefan Tierel, Verteidiger des Hauptangeklagten Stefan K., dürfen die Einlassungen seines Mandanten nicht verwendet werden. Er spricht von "rechtsstaatlicher Täuschung". Die Polizei habe "eine Bedrohungsssituation aufgebaut"; sie habe kurz vor der Festnahme des Wegberger Ehepaares K. einen V-Mann aus dem Rockermilieu auf die Ehefrau Birgit K. angesetzt und auch den elfjährigen Sohn beschatten lassen.

Der staatliche V-Mann habe Birgit K. gesagt, dass er alle Hintergründe des Mordes kenne. Die Ehefrau soll deshalb in Panik ihren Mann angerufen haben. Diese Gespräche zeichnete die Polizei auf; sie sollen der Beweis für die Täterschaft aller Angeklagten liefern.

DVDs mit diesem Material liegen dem Gericht vor. Anwalt Tierel betonte: "Mein Mandant hat niemals zugegeben, dass er den Mord in Auftrag gab." Stefan K. wirft jetzt dem Auftragskiller vor, eigenmächtig gehandelt zu haben.

Alle vier Angeklagten sitzen in unterschiedlichen Gefängnissen in der Region — alle sahen sich gestern erstmals wieder. "Mord aus Habgier", lautet die Anklage. Der mutmaßliche Auftraggeber Stefan K. zeigte kaum eine Regung, schloss immer wieder die Augen, lächelte angestrengt. Birgit K. brach mehrfach in Tränen aus. Sie gab an, vorher nichts von der Tat gewusst zu haben.

Als sie Details erfuhr, habe sie der Polizei nichts gesagt, weil sie den Familienfrieden nicht gefährden wollte. "Ich habe nur noch funktioniert." Das wohlhabende Ehepaar K. hat einen Sohn, der jetzt vom Jugendamt betreut wird. Als Mitwisserin verdächtig macht sich Birgit K. aber, weil sie einen Teil des Geldes für den Auftragkiller abhob. Hristo I. soll für den Mord 23 000 Euro erhalten haben. Ende Februar 2011 soll K. den Killer beauftragt haben.

Neben dem Ehepaar K. saßen auch der mutmaßliche Mörder von Beate S., der Bulgare Hristo I. (31) aus Mönchengladbach und dessen Cousin Hristo L. (20) auf der Anklagebank. Hristo I., schwieg, unterhielt sich aber immer wieder — teilweise amüsiert — mit seinem jüngeren Cousin. Beide arbeiten in Stefan K.'s Bordell in Mönchengladbach.

Wochenlang konnte der Bulgare die Tat offenbar geheim halten, verriet sich dann dadurch, dass er das am Tatort gestohlene goldene Motorola-Handy von Beate S. anschaltete; die Polizei spürte den mutmaßlichen Mörder von Beate S. auf und erkannte erst da, dass der Besitzer des Bordells, in dem sich Hristo I. aufhielt, Stefan K. ist. Cousin Hristo L. ist nur wegen Beihilfe zum Raub angeklagt. Er kam weinend in den Gerichtssaal, beteuerte sofort, dass ihm alles leidtue. Er habe nicht gewusst, was sein Cousin anstellte.

(RP/jco)
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