Krefeld Wie ein Bayern-Talent nach Uerdingen kam

Krefeld · Wenn sportlich alles anders gelaufen wäre, hätte Timo Heinze am Samstag als FC-Bayern-Spieler im Wembley-Stadion gestanden. Jetzt ist er Futsal-Spieler in Uerdingen. Die Geschichte seiner ungewöhnlichen Karriere hat er aufgeschrieben.

 Timo Heinze im Trikot des FC Bayern - er war eine der großen Nachwuchshoffnungen.

Timo Heinze im Trikot des FC Bayern - er war eine der großen Nachwuchshoffnungen.

Foto: RORORO

Der FC Bayern begeistert ihn natürlich immer noch: Vor einigen Wochen war Timo Heinze als Zuschauer in der Allianz Arena — beim 9:2-Kantersieg der Bayern gegen den Hamburger SV. Auch das Champions-League-Finale hat er selbstverständlich angeschaut — "in München mit Freunden", wie er gestern berichtete.

 Timo Heinze auf dem Buchcover von "Nachspielzeit" in lässiger Freizeitkleidung.

Timo Heinze auf dem Buchcover von "Nachspielzeit" in lässiger Freizeitkleidung.

Foto: FC Bayern München

Eigentlich hätte Timo Heinze in London selbst auf dem Rasen stehen können, wenn in seiner Fußballkarriere alles gut verlaufen wäre. Denn Heinze durchlief ab der D-Jugend alle Jugendteams beim deutschen Rekordmeister und wurde sogar Kapitän der zweiten Bayern-Mannschaft. Seine Teamkameraden waren die heutigen Nationalspieler Mats Hummels und Thomas Müller. Und beim Abschiedsspiel für Oliver Kahn gegen die deutsche Nationalmannschaft kam er in den letzten sieben Minuten in der Profimannschaft zum Einsatz.

Es sollte allerdings sein einziger Auftritt in der Allianz Arena bleiben. Statt Fußball beim FC Bayern spielt er nun Futsal, das ist die vor allem in Südamerika und Südeuropa populäre Hallenfußball-Variante mit einem kleineren Spielgerät, beim SC Bayer 05 Uerdingen.

Leistenbruch als entscheidender Karriere-Knick?

Den zerplatzten Traum von der Profilaufbahn hat der ehemalige Außenverteidiger im Buch "Nachspielzeit" aufgeschrieben. Eingebettet in ein Reisetagebuch von einem dreiwöchigen Bali-Trip, reflektiert Heinze noch einmal seine Fußballkarriere. "Man kann beides nicht trennen. Erst in Bali sind mir einige Dinge noch einmal klar geworden", sagt der mittlerweile 27-Jährige. In einem einsamen Moment auf der Reise stellt er sich die Frage, wie seine Karriere verlaufen wäre, wenn er sich nicht als 19-Jähriger einen doppelten Leistenbruch zugezogen hätte. Diese Verletzung kostete ihn mindestens ein Jahr seiner Karriere.

Den zweiten entscheidenden Knackpunkt gab es in der Rückrunde der Saison 2008/09, als der damalige Trainer der zweiten Bayern-Mannschaft, Hermann Gerland, den Kapitän Heinze urplötzlich auf die Bank degradierte. Ausgerechnet in einer Phase, in der sich der ehemalige Juniorennationalspieler für einen Vertrag bei einem anderen Verein empfehlen musste. Interessierte Erst- und Zweitligisten sprangen ab. Stattdessen landete er beim Drittligisten SpVgg Unterhaching, wo er nicht glücklich wurde. Wenige Tage nachdem die Saison in Unterhaching und damit auch Timo Heinzes professionelle Karriere als Fußballer beendet war, flog er nach Bali. "Für mich war die Reise wertvoll. Ohne sie hätte ich das Buch nie geschrieben", stellt er fest.

Nach der Rückkehr begann der ehemalige Bayern-Kicker, seine Erinnerungen niederzuschreiben. Eigentlich sollte das Werk auch nicht veröffentlicht werden. Die Rohfassung erhielten nur Familienmitglieder und engste Freunde, die Heinze jedoch zu einer Veröffentlichung rieten. Die ehemaligen Teamkameraden Thomas Müller, der das Vorwort schrieb, und Mats Hummels, der mit Heinze das Buch in dessen neuer "Heimspielstätte", der Kölner Sporthochschule, vorstellte, rührten die Werbetrommel.

Der ehemaligen Nachwuchshoffnung des FC Bayern München tat die Konfrontation mit dem zerplatzten Traum gut. "Ich habe es verarbeitet. Das liegt am Buch. Vor einiger Zeit wäre es noch unvorstellbar gewesen, dass ich mir im Stadion ein Spiel anschaue und dabei Spaß habe", sagt Heinze.

Das Buch erzählt die Geschichte des Fußballers Timo Heinze nur bis zum 1. Juni 2010. Wenige Monate später begann er ein Studium des Sportmanagements und Kommunikation an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Über Kommilitonen kam er dann zum Futsal. Vor der abgelaufenen Saison ist er mit vier weiteren Mannschaftskameraden von den Panthers Köln zum SC Bayer 05 Uerdingen gewechselt. "Ich habe mich in Futsal verliebt. Es ist ein rasanter und faszinierender Sport", schwärmt der Verteidiger. Sein Aktionsradius im Futsal ist bei nur fünf Spielern größer als der als Außenverteidiger im Fußball. "Ich schieße überraschend nicht wenige Tore", fügt der gebürtige Bayer hinzu. Trotz eines Heinze-Treffers scheiterten die Uerdinger im Halbfinale des DFB-Futsal-Cups an den Hamburg Panthers mit 4:5. "Nächste Saison werden wir als Mannschaft noch mehr zusammenfinden und bessere Chancen haben", sagt er.

Am Fußball vermisst das einstige Bayern-Talent nur noch die Atmosphäre, den Rasen und das "Fritz-Walter-Wetter".

(RP/ac/top)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort