Krefeld Wie die Mennoniten Krefeld reich machten

Krefeld · Um 1600 zählte Krefeld etwa 350 Einwohner - und erstreckte sich auf einer Länge von 300 Metern. Erst mit dem Zuzug einflussreicher mennonitischer Familien erlebte die Stadt einen strukturellen und wirtschaftlichen Aufschwung. Mit spektakulären Exponaten erzählt das Haus der Seidenkultur ab morgen, wie die Mennoniten Reichtum und Lebensqualität brachten.

Ausstellung in Krefeld "Vom Krähenfeld zur Seidenwelt"
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Ausstellung in Krefeld "Vom Krähenfeld zur Seidenwelt"

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Der Kölsche Klöngel ist legendär. Aber nicht einzigartig: So mancher Kungelei hat wohl auch Krefeld den Großstadt-Status zu verdanken. "Ohne die Mennoniten hätten wir hier fast nichts", sagt Dieter Brenner vom Haus der Seidenkultur (HdS). "Wir wären vielleicht heute nur ein Vorort von Uerdingen." In der ehemaligen Paramentenweberei an der Luisenstraße wird am morgigen Sonntag die Ausstellung "Vom Krähenfeld zur Seidenwelt" eröffnet, die mit spektakulären Exponaten erzählt, wie wirtschaftlicher und struktureller Aufschwung aus einem Marktflecken, der sich um 1600 nur auf 300 Längenmetern zwischen den Stadttoren im Süden (Fischelner Tor) und im Norden (Hülser Tor) erstreckte, eine florierende Stadt machte.

Die Motoren für den Aufschwung, die Wohltäter für Soziales und Bildung, Gründer der Städtischen Klinik und mehr waren die Mennoniten, die sich ab 1607 hier ansiedelten - besonders die Familie von der Leyen. Und die hatte ein großes Talent fürs - freundlich formuliert - Netzwerken und einen enorm guten Draht zu Preußenkönig Friedrich II. "Mir ist es wichtig, auch diese Familie nicht nur als Wohltäter zu zeigen. Mit ihren Stiftungen haben sie viel für Krefeld getan, aber sie wussten sich auch ihre Vorteile vor der Konkurrenz zu sichern", sagt Ulrike Denter, Kuratorin der Schau.

Aus vielen Quellen, aus den Krefelder Museen, aus dem Stadtarchiv, mit Hilfe der Mennonitengemeinde und Nachfahren der Seidenfabrikantenfamilie von Beckerath hat sie eine detailreiche Ausstellung zusammengestellt, die einige Neuigkeiten aus der Krefelder Geschichte und kostbare Belege präsentiert. Zum Beispiel einen im Goldrahmen und prachtvoll mit Zeichnungen versehenen Brief Friedrichs des Großen an die Gebrüder von der Leyen, mit dem der Preußenkönig ihnen 1766 das Seidenmonopol verlieh. Die Familie war 1656 aus dem bergischen Radevormwald nach Krefeld gekommen, das sich als liberale Heimat für Gläubige aller Konfessionen einen Namen gemacht hatte.

"Als Friedrich II. gekrönt wurde, gab es in Krefeld eine unglaubliche Huldigung. Das wurde ihm zugetragen. Und so hat er Krefeld besucht", erzählt Brenner. 1751 kam der König zum ersten Mal. Die Chemie zwischen ihm und den von der Leyens muss gleich gestimmt haben. Denn weil die sich über den schlechten Postverkehr beklagten, musste auf königliches Geheiß die Postkutsche Köln-Kleve ab 1755 einen Umweg über Krefeld nehmen. 1753 weilte Majestät bei der Familie und war von deren Geschäftssinn angetan. Drei Jahre später honorierte er das mit dem Seidenmonopol. Und er verbot, dass in Krefeld Soldaten angeworben wurden - denn es sollten keine Arbeitskräfte in der Seidenindustrie fehlen. "Als Begründung soll der König gesagt haben: Es gibt solche und solche - und Krefelder", berichtet die Kuratorin.

Zu jener Zeit produzierten Friedrich und Heinrich von der Leyen in ihrer Seidenfirma auf etwa 600 Webstühlen. Die Hälfte der Krefelder Einwohner - das waren damals etwa 8000 - standen bei ihnen in Lohn und Brot. Innerhalb von 70 Jahren war die Stadt fünf Mal erweitert worden und um die sechsfache Fläche gewachsen. Seide aus Krefeld wurde nach Europa, in den Orient und nach Amerika exportiert. "Konkurrenten wurden unter Einschaltung der Behörden unterdrückt", erzählt Denter. Auch auf frühe Industriespionage verstanden sich die Herren. Wenn die Niederländer bessere Webstühle bauten und die Kölner besser färbten, schleusten sie dort ihre Leute ein, um das Metier dann in Krefeld zu bedienen. Viel Geschichte und noch mehr Geschichten um die von der Leyens, de Greiffs, Rhodius, Beckeraths und andere bietet die Schau - darunter rührende Zeichenbücher und Briefe aus Familienbesitz.

Ausstellung: bis 31. Januar, Haus der Seidenkultur, Luisenstraße 15. Eröffnung Sonntag, 4. Oktober. Ab 13 Uhr öffentlich. Tel: 02151 510812.

(RP)
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