Kr Wie Krefeld Wer bezahlt das Bahnticket zur Mediothek?

Krefeld · Ein Protestschild für den Erhalt der Uerdinger Bücherei weist unfreiwillig auf ein zentrales Dilemma hin.

In der Debatte um die Uerdinger Bücherei gab es einen Spruch, der haften blieb: Ein Mädchen trug ein Pappschild mit der Aufschrift: "Wer bezahlt das Bahnticket?" — gemeint war das Ticket für die Straßenbahn zur Mediothek. Die Frage ist berechtigt, und die Antwort kann nur lauten: Na hoffentlich deine Eltern!

Es mag viele gute Gründe geben, eine Stadtteilbücherei zu halten — Geldmangel in den Familien ist es nicht. Dass Lesen hierzulande am Geld scheitert, ist eine Lebenslüge, für die wir Wohlstandsdeutschen uns schämen sollten: Es gibt schließlich Weltgegenden, in denen Kinder nur davon träumen können, überhaupt zur Schule zu gehen oder eigene Bücher zu haben. Die Wahrheit für uns ist hässlich: Es gibt hier im Leben eines Kindes so vieles, das so viel wichtiger ist als ein Buch und die Ruhe für ein Buch. Der Feind des Lesens ist bei uns nicht Armut, sondern Wohlstand: Fernsehen, Computer, Handy, Klamotten, DVD — am besten auf Blu-ray: superscharf und superteuer. Geldmangel? Ist doch Unsinn.

Auch Hartz-IV-Familien können heute einen Ausweis der Mediothek haben. Wer in Deutschland lesen will, der kann lesen. Dennoch zeigen neue Tests zur Lesefähigkeit, dass heute bis zu 40 Prozent der Schüler am Ende der Sekundarstufe I zu geringe Lesefähigkeiten für eine erfolgreiche Ausbildung haben. Der Ruf nach dem Sozialstaat ist in dieser Lage so etwas wie das neue Opium fürs Volk: Wir beruhigen uns damit, dass wir einfach noch mehr staatliche Programme auflegen müssen. Nein, müssen wir nicht. Wir müssen schon unser Leben ändern — und das unserer Kinder: ihre Technikversessenheit eindämmen; ihren Alltag entschleunigen; Konzentration einüben. Und wir müssen unsere Ressourcen gewichten: Ein Buch ist wichtiger als ein Handy. Geldmangel? Ach, es wäre so einfach, wenn es nur um etwas mehr Bimbes vom Staat ginge.

(RP/url)