Interview: Midge Ure Weltstar Midge Ure kommt in die Kufa

Krefeld · Der Sänger und Gitarrist bei "Ultravox" hat nach zwölf Jahren wieder ein Album veröffentlicht. Das wird er am Mittwoch, 19. November, in der Kulturfabrik vorstellen. Es ist stark autobiografisch.

 Wem der Name Midge Ure nichts sagt, der kennt mit Sicherheit "Dancing with tears in my eyes". Bald kommt er in die Kulturfabrik.

Wem der Name Midge Ure nichts sagt, der kennt mit Sicherheit "Dancing with tears in my eyes". Bald kommt er in die Kulturfabrik.

Foto: KA

Sie hatten in den vergangenen Jahren eine Menge Live-CDs, ein Cover-Album und ein "Ultravox"-Album veröffentlicht, aber warum dauerte es über eine Dekade, bis Sie wieder eine Solo-Scheibe veröffentlicht haben?

Midge Ure Ich hatte über die Jahre angefangen, Lieder zu schreiben, aber habe sie nie richtig fertig gestellt. Ich habe den Sinn nicht mehr darin gesehen, eine Scheibe für eine Plattenindustrie zu machen, die so überhaupt nicht mehr existiert. Ich hatte riesige Zweifel, ob ich das überhaupt jemals tun sollte. Deshalb hat es so lange gedauert, bis ich meine Inspiration dazu wieder gefunden hatte, um sie fertig zu stellen.

Die zehn Lieder sind alle in ähnlicher Stimmung gehalten, eher langsam, mit viel Keyboards und Klangflächen. Warum haben Sie diese ausgewählt, anstatt zum Beispiel Rocksongs mit vielen Gitarren zu schreiben?

Ure Es ist viel einfacher, wenn du eine Band hast. Hast du einen Drummer, Keyboarder und Bassisten und schaltest dann die Gitarre ein, werden die Sachen mächtiger. Wenn du aber nachts alleine in deinem Studio auf intime und persönliche Themen wartest, dann wird es atmosphärischer als etwas rauszuhauen. Keyboards schaffen Atmosphären. Vieles, sogar die Herangehensweise an den Gesang kommt daher, eben im Studio allein zu sein. Ich würde sagen, die Umgebung bestimmt, wohin die musikalische Reise geht.

Gleichzeitig strahlt das Album eine Form von Reife und Abgeklärtheit aus. Hat zum Beispiel ein Lied wie "I Survived" autobiografische Züge?

Ure Ich glaube, dass das ganze Album voll davon ist. Die Spanne zwischen einer Scheibe und der nächsten ist wie ein Tagebuch. Es zeugt davon, was ich alles durchgemacht habe, die guten und die schlechten Sachen. Ich versuche dabei, so ehrlich wie möglich zu sein. Jemand, der so ein Lied hört, wird mit mir verbunden sein. Egal, wann es entstanden ist, die Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit soll man heraushören. So etwas findet man in der Musikindustrie heute eher selten. Deshalb soll die Scheibe auch etwas altmodisch wirken.

In welcher Phase des Kompositionsprozesses entstand der Titel "Fragile"?

Ure: Irgendwo in der Mitte, als ich in diesen zwölf Jahren eine Menge Chaos durchlebte. Ich musste mir eingestehen "zerbrechlich" zu sein. Für einen, der es gewohnt war, Situationen zu kontrollieren, der Sachen wieder hinbog, der Probleme anderer löste, war es ein ernstes Ereignis, das mich selbst auf den Boden der Tatsachen brachte. Ich begriff, dass ich nicht der Supermann war, der mit allem und allen umgehen konnte. Es muss nur die falsche Kombination an Ereignissen zur gleichen Zeit passieren, und es zwingt dich in die Knie. Dieses Element der Zerbrechlichkeit wurde erst durch die Realität in die Platte hineingetragen.

Richtet sich die Platte an eine Person, deren Rennen gelaufen ist, wenn es heißt: "Keine Liebe, keine Hoffnung, kein Glaube an sich selbst, kein Stolz"?

Ure Das ist doch ein ehrlicher Satz, oder nicht? Im Übrigen habe ich noch nie einen Musiker oder Künstler getroffen, egal, wie arrogant oder selbstbesessen er wirken mag, der, sobald du ein bisschen an seiner Oberfläche kratzt, nicht die unsicherste Person ist, die du je getroffen hast. Das scheint für alle von uns zu gelten: Kein Selbstbewusstsein, kein Stolz. Immer denkt man, es ist noch nicht genug geschafft. Vielleicht ist es eine typische schottische Klamotte, aber das ist ständig eine Melodie in deinem Hinterkopf. Dabei spielt es keine Rolle, ob du zig Millionen Platten verkauft oder sogar die Welt ein wenig bewegt hast.

Alle Lieder sind von Ihnen selbst eingespielt worden, nur Moby hat etwas geholfen. Warum haben Sie ihn eingeladen?

Ure Es war anders herum. Er fragte mich vor einigen Jahren per E-Mail, ob wir mal zusammenarbeiten wollten. Er sandte mir einige Entwürfe, vielleicht für sein, vielleicht für mein Album. Einer erregte gleich meine Aufmerksamkeit, und ich habe mich sofort an die Arbeit gemacht und ihn ausgebaut. So ist Moby einer der wenigen Musiker auf dem Album, weil er die Backing-Tracks programmiert und eingespielt hat. Es war einmal eine Zusammenarbeit ohne Plattenfirma im Hintergrund, ohne Manager, ohne finanzielle Gründe, einfach der Musik zuliebe.

Wer wird beim Konzerten in Krefeld mit dabei sein?

Ure Es wird eine komplette Solo-Akustik-Show werden. Es werden ein paar Lieder von der neuen Platte sein und natürlich Lieder von "UItravox" in anderem Format sowie Material von früheren Solo-Platten.

Gibt es auch Pläne mit "Ultravox"?

Ure: Es gibt da ein paar Ideen. Es müssen aber welche sein, die wir alle spannend finden. Ohne Grund eine Tour zu machen, das wäre nicht interessant. Neue Musik zu machen, wäre reizvoller, aber das müssen wir alle wollen. Im Moment ist "Ultravox" aus meiner Sicht wie jemand, der in der Ecke döst und darauf wartet, wieder aktiviert zu werden. Für den Anfang nächsten Jahres schaue ich erst einmal auf meine alten Alben, das ganze "Breath" - Album zum Beispiel plus einige von "Fragile". Die würde ich gerne mit anderen Musikern aufführen.

ANDRÉ DE VOS FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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