Krefeld "welcome!now"-Auftakt oder: Götter als Klempner

Krefeld · Malte Menzer und Nils Rottgardt hatten alles so gut vorbereitet. Vor allem das "öffentliche Fantasieren" über kulturelle Zukunftsperspektiven mit Oberbürgermeister Frank Meyer, dem Kulturratsvorsitzenden Heinrich Rungelrath, dem Schauspieldirektor Matthias Gehrt und Rottgardt selbst unter der Leitung von Kulturwissenschaftlerin Isabelle Küster und Sozialexpertin Esther Siegrist hatte viele Vorgespräche erfordert und sollte das Herzstück des Auftaktabends zum Welcome!now-Festival werden. Doch ein Todesfall im Familienkreis eines der Teilnehmer machte dies am Samstag unmöglich. Die Veranstalter ließen sich dennoch nicht entmutigen. Im Foyer des Casablanca-Kinos erzählten sie allen Gästen, dass dieser Programm-Punkt ausfalle und die Veranstaltung deshalb eine Stunde später beginne. Und der Gäste kamen und blieben so viele, dass einige im Kinosaal stehen mussten.

 Gut besucht war das Welcome!now-Festival im Casablanca-Kino. Im Mittelpunkt stand der Film "Die Götter müssen Klempner sein", an dem Behinderten mitwirkten. Am Schluss spendeten die Gäste begeistert Applaus.

Gut besucht war das Welcome!now-Festival im Casablanca-Kino. Im Mittelpunkt stand der Film "Die Götter müssen Klempner sein", an dem Behinderten mitwirkten. Am Schluss spendeten die Gäste begeistert Applaus.

Foto: Strücken

So wurde der Film "Die Götter müssen Klempner sein" und die nachfolgende Doku über seine Entstehung zum zentralen Ereignis des Abends. Nils Rottgardt hatte ihn in Kooperation mit den Mitarbeitern der Lebenshilfe Krefeld e.V. und mit ihren Schützlingen als Hauptdarsteller gedreht. Als Anker-Motiv fungierte der Gott Hephaistos aus der griechischen Mythologie. Der Sohn von Zeus und Hera kam körperlich missgestaltet zur Welt, und seine Mutter warf ihn kurzerhand ins Meer. Doch er überlebte und wurde zum Gott des Feuers und der Schmiedekunst. Diese Geschichte mit ihren universalen Motiven Liebe, Verstoßenwerden und Rache bietet für alle Menschen Bezugspunkte, auch für die Bewohner des Lebenshilfe-Hauses - so hieß es in der Doku - und im Übrigen ließ man den Darstellern freie Hand, diesen Kern mit eigenen Ideen und Fantasien auszugestalten. Man hoffte, dass dabei Bilder entstehen würden, die dem Außenstehen die Möglichkeit bieten, die Darsteller und Mitautoren mal nicht als Behinderte zu erleben, sondern als interessante und kreative, ja schöne Mitmenschen. Dieser Plan ging voll auf. Es entstand ein 30-Minuten-Streifen voller faszinierender Szenen, in denen sich Gefühle wie Angst und Trauer, aber auch die schiere Lust am Tun und am Fabulieren auf kraftvolle Weise mitteilten. Die Darsteller, die selbst mit im Kino dabei waren, genossen die Aufführung hörbar und amüsierten sich prächtig, während das übrige Publikum sich widerstandslos in den Bann dieses außergewöhnlichen Filmkunstwerks ziehen ließ. Die Arbeit daran war ein Stück gelebte Inklusion. Für manch einen Darsteller war es das erste Mal, dass er Entscheidungen treffen durfte, ja sollte, und erlebte, dass diese auch sofort umgesetzt wurden.Und einige machten in ihrer persönlichen Entwicklung unerwartet sprunghafte Fortschritte, steigerten zum Beispiel ihre Aufmerksamkeitsspanne von einer halben auf drei volle Stunden und wandelten sich von einsilbigen zu erzählfreudigen Menschen. Und ganz unabhängig von solchen Besonderheiten wurde der Film durch subtile Kameraführung, professionellen Schnitt und nicht zuletzt durch eine hervorragende akustisch-musikalische Untermalung zu einem spannenden Erlebnis. Den stürmischen Applaus des Publikums nahmen die Darsteller am Ende stolz entgegen.

Aber damit war der Abend noch längst nicht zu Ende. "Sounds of the Viertel" hieß es ab halb elf live mit den Bands Kassiopeia, SMURV und Omnibus Prime. Man darf annehmen, dass diese welcome!-Nacht viele Besucher motiviert hat, auch die Hauptveranstaltung im Stadttheater am 25. Mai mitzuerleben.

(RP)
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