Krefelder Orgeln Walcker-Orgel – Die Königin der Romantik

Krefeld · 1904 wurde sie gebaut. Die Orgel in der Lutherkirche ist ein Prachtexemplar ihrer Zeit. 30 Jahre lang war sie verstummt. Nach der Restaurierung sang sie 2010 wieder mit romantischen Zungen. Der zehnte Jahrestag wird am 4. Juli begangen.

 Eine pneumatische Orgel ist wartungsintensiv: Karlheinz Schüffler im Pfeifenwerk des Instruments. Feuchtigkeit und Hitze richten Schaden an.

Eine pneumatische Orgel ist wartungsintensiv: Karlheinz Schüffler im Pfeifenwerk des Instruments. Feuchtigkeit und Hitze richten Schaden an.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Der 4. Juli 2010 war ein historischer Tag – nicht nur in der Geschichte der Krefelder Lutherkirche, sondern für die Orgelmusik auch weit außerhalb der Seidenstadt: An diesem Tag war erstmals wieder die Stimme der majestätischen Orgel zu hören. 30 Jahre lang hatte das Instrument geschwiegen, war nicht mehr spielbar gewesen und musste von einem kleinen Provisorium  ersetzt werden, das unscheinbar im Schatten des beeindruckenden Prospekts aus der Romantik-Epoche stand. Am kommenden Samstag, 4. Juli, wird der Tag vor zehn Jahren noch einmal gefeiert: mit einer Orgelvesper zum Jubiläum der Restaurierung.

Es ist eine außergewöhnliche Geschichte, dass ein Instrument nach so langer Stille wiederbelebt wird – und dann klingt wie am ersten Tag. Und das im wörtlichen Sinne. Die Walcker-Orgel war bei der umfassenden Restaurierung wieder mit allen Klangmöglichkeiten einer romantischen Orgel ausgestattet worden. 1904 war sie gemeinsam mit der Lutherkirche geweiht worden. Der Architekt Eduard Arnold hatte ein Gesamtkunstwerk geplant: Architektur, Innenausstattung und Orgelprospekt aus einer Hand. Das Instrument stammt aus dem Traditionshaus Walcker. Firmengründer Eberhard Friedrich Walcker (1794 - 1872) hat das Familienunternehmen zu weltweitem Ruf gebracht. Noch zu Zeiten seines Enkels Oskar, der 1916 die Leitung übernahm, galt der Titel „Hof-Orgelbaumeister unter König Wilhelm II. von Württemberg und Lieferanten des Vatikans“. Die Walckers waren im Orgelbau vergleichbar den berühmten Kollegen Stradivari und Amati für die Violinen.

 Warum die Orgel den Beinamen Königin der Instrumente trägt, wird klar beim Blick auf die Walcker-Orgel in der Lutherkirche. 1904 wurde sie gemeinsam mit der Kirche geweiht.

Warum die Orgel den Beinamen Königin der Instrumente trägt, wird klar beim Blick auf die Walcker-Orgel in der Lutherkirche. 1904 wurde sie gemeinsam mit der Kirche geweiht.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Und an diese Ära wollte der Förderverein Walcker-Orgel (FWO) anknüpfen. Es ist wesentlich sein Verdienst, dass das Instrument von Oktober 2009 bis Juni 2010 vollständig nach dem Originalzustand restauriert wurde. Er hat die Hälfte der Kosten von 205.000 Euro getragen. Professor Karlheinz Schüffler, Vorsitzender des FWO, erzählt: „In der Regel werden  die restaurierungsbedürftigen Orgeln durch moderne oder zeitangemessenere Instrumente ersetzt, auf denen man neuere Musik spielen kann. Widor, Franck oder Strawinsky sind auf Instrumenten der frühen Ära nicht spielbar.“ So ist auch die Walcker-Orgel in der Lutherkirche mehrfach den Moden angepasst worden: In den 1920er Jahren gab es erste Veränderungen an den Registern. Um 1960 folgte die vollkommene Umstellung auf Barock-Registrierung: Klangfarben der Oboen, der Schalmeien und Streicher fielen weg. Diese Klangfarben sind typisch für die Romantik. Das Neue Geistliche Lied, das in diesen Jahren populär wurde, brauchte sie nicht.

Die Jahre setzten der Orgel zu. Es ist ein pneumatisches Instrument. Das bedeutet: Der Anschlag der Tasten betätigt kleine Ventile, die Luft durch lange Bleiröhrchen auf kleine Blasebälge leiten und zu weiteren Ventilen, die die Pfeifen klingen lassen. „Das bedeutet einen hohen Wartungsbedarf“, sagt Schüffler. „Hohe Temperaturen und Feuchtigkeit sind Feinde. Wenn ein Ventilchen hakt und sich nicht mehr richtig öffnet, entsteht ein Dauerton, ein unangenehmer Heuler, den man nicht ohne weiteres stoppen kann. Das kann ein ganzes Konzert schmeißen.“

 Schüffler inspiziert die Orgel regelmäßig.

Schüffler inspiziert die Orgel regelmäßig.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

In den 1980er Jahren verstummte die Orgel. Schon vor der Jahrtausendwende mehrten sich die Stimmen, die wieder ein klangmächtiges Instrument wollten, weg vom Provisorium. „Allein der optische Eindruck und die hohe handwerkliche Qualität lassen den denkmalpflegerischen Wert dieses Instrumentes, das zu den originalen Ausstattungsstücken der Kirche zählt, erkennen. Demzufolge wäre eine funktionsfähige Wiederherstellung auf der Basis des ursprünglichen Zustandes unter allen Umständen angezeigt“, hieß es bereits 1991 in einem Gutachten des Orgelsachverständigen Franz-Josef Vogt vom  Rheinischen Amt für Denkmalpflege.

Etwa 20 Leute bildeten den festen Kern des FWO, der ein gutes Stück Arbeit vor sich hatte. „Nach mehreren Gutachten hatten wir uns auf Kosten von 300.000 Euro eingestellt“, berichtet Schüffler. „Jeweils ein Drittel sollten Landeskirche, Gemeinde und Förderverein tragen. Die Landeskirche zahlte ein Gutachten von 15.000 Euro und verabschiedete sich dann.“ Spenden und zahlreiche Konzerte, die pro Abend 500 bis 1000 Euro einspielten, brachten das Geld herein.

Heute geht der Ruf der Walcker-Orgel weit über die Region hinaus, namhafte Orgelkenner kommen nach Krefeld, um den Klang der Romantik zu hören. Der Konzertorganist Christoph Grohmann wird zum Jubiläum am Samstag Werke der deutschen Spätromantik spielen.

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