Führung durch jüdische Gemeinde in Krefeld Beten hinter der Sicherheitsschleuse
Krefeld · Die jüdische Gemeinde hat mit ähnlichen Problemen zu tun wie die christlichen Gemeinden. Organisiert von der VHS, führte Eldad Horwitz, der stellvertretende Vorsitzende, Besucher durch die Synagoge und berichtete aus dem Alltag.
Bereits am Eingang ist klar: Eine jüdische Synagoge zu besichtigen ist immer noch keine Normalität in Deutschland. Massive Türen sind nur von innen durch einen Pförtner, der seinerseits hinter Sicherheitsglas sitzt, zu öffnen. Durch die Außentür kommt der Besucher in eine Art Schleuse. Wieder muss der Pförtner die inneren Türen öffnen, erst dann geht es in das Gebäude. „Diese Sicherheitsvorkehrungen sind leider nötig. Wir haben sie schon sehr lange, seit in den 70er Jahren Anschläge auf Synagogen erfolgten“, erzählt Eldad Horwitz, der stellvertretende Vorsitzende der Gemeinde in Krefeld.
Dabei sei es allerdings nicht Antisemitismus von rechts, sondern eher muslimischer Fundamentalismus, der die Juden bedrohe. „Bei jedem Gottesdienst und jeder Veranstaltung steht auch ein Streifenwagen der Polizei vor der Tür“, berichtet Horwitz weiter. Für die Juden in Krefeld sei das heute schon Normalität, dafür aber nicht minder traurig.
Auf Einladung der VHS führt der 72-Jährige durch die vor elf Jahren im September 2008 feierlich eröffneten Räumlichkeiten mit der Synagoge im Zentrum und erzählt viel über das Gemeindeleben in Krefeld. „Wir waren eine sehr kleine Gemeinde mit rund 160 Mitgliedern vom gesamten Niederrhein. Erst mit dem Zerfall der UdSSR und der massenhaften Einreise von Juden von dort wuchsen wir und hatten zwischenzeitlich über 1000 Mitglieder“, sagt Horwitz. Das aber brachte auch Probleme mit sich. „Wir müssen immer wieder mal daran erinnern, dass Gottesdienste auf Deutsch, nicht auf Russisch gehalten werden müssen“, sagt er.
Dabei sei es auch zunehmend schwierig, genug Gottesdienstbesucher zusammenzubekommen. „Die jüdischen Regeln sehen vor, dass verschiedene wichtige Gebete nur gesprochen werden dürfen, wenn mindestens zehn jüdische Männer über 13 Jahre beisammen sind. Darum können wir manchmal keinen Gottesdienst abhalten“, sagt der ehemalige Kinderarzt.
Die Gemeinde habe die gleichen Probleme, wie sie auch christliche Gemeinschaften erleben. „Wir überaltern zusehends, und immer weniger Mitglieder sind wirklich aktiv“, sagt Horwitz.
Die Räumlichkeiten sind modern und ansprechend. Der Komplex ist trotz der einem Hochsicherheitstrakt ähnelnden Verhältnisse am Eingang hell und freundlich. Die Fenster über besagtem Eingang sind Nachbauten der alten Krefelder Synagoge. „Die alten Skizzen wurden in den Archiven des Kaiser-Wilhelm-Museums gefunden und die Fenster dann mit originalen Materialien gebaut“, erläutert der Gemeindevorstand.
Die Gemeinde möchte sich gern auch Nicht-Juden öffnen. Besucher können jederzeit vorbeikommen und auch Gottesdienste besuchen. Zu besagten zehn Männern zählen sie dann allerdings nicht, sofern es sich nicht um Juden handelt. Auch seien die Gemeinden in Deutschland, auch die in Krefeld, viel liberaler, als viele glaubten. „Wir haben uns schon vor langer Zeit geeinigt, dass wir alle Glaubensrichtungen, von orthodox bis ganz liberal, abdecken. Das Bild des Juden mit Hut und Ringellocken, das viele haben, trifft nur auf eine ganz kleine Gruppe zu. Am Ende muss jeder mit sich selbst ausmachen, wie er lebt“, sagt Horwitz.
Entsprechend halte sich längst nicht jeder Jude in Krefeld stets an die Speisegesetze oder verzichte am Sabbat auf das Auto. „Wir freuen uns, wenn Menschen bei uns vorbeischauen und sich mit uns befassen“, sagt Horwitz. Im Gottesdienst herrsche auch keine strenge Ordnung. Nur eine Kopfbedeckung müsse jeder Mann tragen. „Wir sind sonst sehr locker. Ich komme selbst meist erst später zum Gottesdienst. Andere gehen früher. Manche reden oder lesen gar Zeitung, weil sie des Hebräischen nicht mächtig sind“, erzählt er.