Krefeld Sorgen um Unicef zum Jubiläum

Krefeld · Vor 50 Jahren wurde die Krefelder Unicef-Gruppe gegründet. Die Feier des Jubiläums ist überschattet von Sorgen über die Existenz der Gruppe. „In einer Stadt wie Krefeld muss es ein Unicef-Büro geben“, sagt die Vorsitzende.

 Elke von Harpe, Vorsitzende der Krefelder Unicef-Gruppe im Büro am Westwall vor dem Regal mit den beliebten Unicef-Grußkarten, die es vor Weihnachten, aber auch mit Sommermotiven gibt.

Elke von Harpe, Vorsitzende der Krefelder Unicef-Gruppe im Büro am Westwall vor dem Regal mit den beliebten Unicef-Grußkarten, die es vor Weihnachten, aber auch mit Sommermotiven gibt.

Foto: Jens Voss

Wer Unicef hört, denkt unwillkürlich an die zauberhaften Weihnachtskarten alljährlich zur Adventszeit. Wer über Unicef nachdenkt, denkt über eine humane Katastrophe nach. Kinder, die bei uns meist behütet bis überbehütet aufwachsen, werden in anderen Teilen der Welt, versklavt, sexuell ausgebeutet und zu Kindersoldaten abgerichtet. Nach Unicef-Schätzungen müssen weltweit 73 Millionen Kinder unter sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten. Wo Armut und Gewalt vorherrschen, gehören Kinder zu den Schwächsten, einfach weil sie klein und hilflos sind. Unicef kämpft seit seiner Gründung 1946 dagegen an: für die Rechte von Kindern auf Nahrung, Bildung, Selbstbestimmung und Respekt. In Krefeld wurde 1968 - vor 50 Jahren - eine Unicef-„Arbeitsgruppe“ gegründet, die das blaue Unicef-Fähnchen der Hoffnung hochhält. Die Gruppe feiert das Jubiläum im September - und sendet einen Hilferuf: Die Organisation braucht dringend ehrenamtliche Helfer. „In eine Stadt wie Krefeld mit mehr als 200.000 Einwohnern muss es ein Unicef-Büro geben“, sagt die amtierende Vorsitzende Elke von Harpe.

Die Krefelder Gruppe wurde 1968 von Charlotte Nehmiz und Ilse Karrenberg gegründet, 1994 hat Elke von Harpe die Leitung übernommen. Damit steht auch sie kurz vor einem Jubiläum: Im kommenden Jahr ist sie seit 25 Jahren Vorsitzende. Es ist Zeit, die Arbeit in jüngere Hände zu legen, doch die finden sich nicht. Dazu kommt, dass die sechs ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen auch drauf und dran sind aufzuhören. Niemand von der Truppe legt die Arbeit leichtfertig nieder. „Meine Mitarbeiterinnen waren immer sehr engagiert“, berichtet von Harpe, „sie sind zwischen zehn und 24 Jahre in der Arbeitsgruppe tätig. Eine Dame ist über 80 Jahre alt. Ohne die Tatkraft aller hätten wir das alles nicht stemmen können“, resümiert von Harpe.

Ein Problem: Der Postkartenverkauf, der früher ganzjährig über das Unicef-Büro im CVJM-Haus am Westwall stattfand, findet heute vor allem vor Weihnachten auf den Märkten statt. Das bedeutet: Knochenarbeit. Stehen. Kälte. Nicht jeder hält das durch, das Alter setzt irgendwann Grenzen. Es gab Zeiten, da waren im Büro in der Vorweihnachtszeit mehr als 20 Frauen und Männer im Einsatz, denn das Büro war jeden Tag besetzt. „In den 70er und 80er Jahren haben wir mit den Karten bis zu 160.000 Mark jährlich für Unicef eingenommen“, berichtet von Harpe. Doch mittlerweile ist der Direktverkauf nahezu eingestellt; Unicef wickelt Bestellungen über die Zentrale in Köln ab. Das ist zwar kostengünstiger, hat aber den Nachteil, dass vor Ort ein wichtiges Standbein der täglichen Arbeit und der vielen Kontakte mit Menschen weggefallen ist. „Es macht ja auch Spaß, mit Menschen umzugehen“, sagt van Harpe. Heute wäre sie froh, wenn sie das Büro wenigstens dienstags und freitags zu Marktzeiten auf dem Westwall öffnen könnte. Generell geht es für sie auch nicht ausschließlich um den Verkauf. „Unicef muss präsent sein in Krefeld; das ist auch wichtig, damit die Themen wahrgenommen werden.“

Die Themen: Unicef wurde 1946 auf Initiative amerikanischer Politiker als Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen gegründet. Die Amerikaner waren entsetzt über das Leid der Kinder im vom Krieg zerstörten Europa. Europa erholte sich, doch der Blick auf die Lage der Kinder war geschärft und richtete sich in andere Teile der Welt. Heute arbeitet das Kinderhilfswerk vor allem in Entwicklungsländern und unterstützt Hilfsprojekte für Kinder in rund 190 Staaten.

Gibt es überhaupt Erfolge? „Ja“, lautet klar die Antwort von Krefelds Unicef-Chefin. So ist laut Unicef die Zahl der arbeitenden Kinder im Vergleich zum Jahr 2000 stark gesunken: von 246 Millionen auf 152 Millionen. Als Fortschritt wertet Unicef auch, dass mittlerweile 196 Staaten die 1990 in Kraft getretene UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert haben. Natürlich ist diese Konvention zunächst nur ein Stück Papier, doch hat sie nach Einschätzung des Kinderhilfswerks „terre des hommes“ eine Menge gebracht. „Die Kinderrechtskonvention hat in vielen Staaten dazu geführt, dass Gesetze angepasst und verbessert worden sind. In Indien wurde beispielsweise vor einigen Jahren die Schulpflicht gesetzlich festgeschrieben“, resümierte eine „terre des hommes“-Sprecherin im Jahr 2014.

Elke von Harpe hatte 2004 im Rahmen einer Unicef-Arbeitsreise nach Vietnam Gelegenheit, Unicef-Projekte aus der Nähe zu sehen. Bei solchen Reisen wird - bei erheblichem Eigenanteil der Finanzierung - Gruppenleitern die Möglichkeit gegeben, Eindrücke aus erster Hand zu sammeln, die sie dann später bei Vorträgen weitervermitteln. Sie habe, resümiert von Harpe, viel über Entwicklungshilfe gelernt, vor allem, dass Hilfe immer Hilfe zur Selbsthilfe sein müsse. Einen Brunnen mit modernsten Mitteln zu bauen ist demnach sinnlos; er wird beim ersten Problem verfallen, wenn die Nutzer ihn nicht verstehen. In Vietnam hat sie erlebt, wie ein solcher Brunnen vom ersten bis zum letzten Bauabschnitt mit den Einheimischen errichtet wurde. Nur so ist der Erhalt eines solchen Bauwerkes nachhaltig gewährleistet.

 Elke von Harpe, Vorsitzende der Krefelder Unicef-Gruppe im Büro am Westwall vor dem Regal mit den beliebten Unicef-Grußkarten, die es vor Weihnachten, aber auch mit Sommermotiven gibt.

Elke von Harpe, Vorsitzende der Krefelder Unicef-Gruppe im Büro am Westwall vor dem Regal mit den beliebten Unicef-Grußkarten, die es vor Weihnachten, aber auch mit Sommermotiven gibt.

Foto: Jens Voss

Zu tun gibt es genug. Wer bei Google das Wort „Kindersklaven“ eingibt, erhält 16.100 Einträge, darunter eine „Spiegel“-Reportage aus dem Jahr 2017 über Westafrika, wo Eltern ihre Kinder für 30 Euro in die Sklaverei verkaufen. In Krefeld haben Elke von Harpe und ihre Mitstreiter zahllose Benefiz-Läufe, Konzerte, Veranstaltungen zugunsten von Unicef organisiert. Das Geld zur Unterstützung des Kinderhilfswerks war das eine und natürlich wichtig, betont von Harpe, aber genauso wichtig war die stete Erinnerung an das millionenfach harte, zuweilen unfassbar grausame Schicksal der Kinder unserer Welt. Den Blick dafür scharf zu halten - darin sieht Elke von Harpe den Sinn einer lokalen Gruppe.

(vo)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort