Entfesselungspaket Umweltschützer gegen Lanxess-Ausbau

Krefeld · Der deutsche Paragrafenwald erweist sich als Bremsschuh für die Wirtschaft. Die Politik arbeitet an einem Entfesselungspaket, um die Genehmigungsprozesse für Um- und Ausbauten in der Industrie und im Gewerbe zu beschleunigen. Umwelt- und Naturschützer horchen auf. Das ganze Dilemma am Beispiel Lanxess.

 Der Spezialchemiehersteller Lanxess betreibt im Uerdinger Chempark eine Vielzahl von Anlagen. Das Foto zeigt eine Lachgas-Reduktionsanlage.

Der Spezialchemiehersteller Lanxess betreibt im Uerdinger Chempark eine Vielzahl von Anlagen. Das Foto zeigt eine Lachgas-Reduktionsanlage.

Foto: Lanxess

Der Spezialchemiehersteller Lanxess will seine Anlage zur Herstellung von Adipol in Uerdingen erweitern. Der Antrag liegt bei der Bezirksregierung in Düsseldorf. In den Unterlagen weist Lanxess deutlich darauf hin, dass eine Genehmigung für die Kapazitätserweiterung Arbeitsplätze sichert. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland in Krefeld hält eine solche Argumentation für nicht zeitgemäß. „Mit Arbeitsplätzen lässt sich in Zeiten des Klimawandels, des Artenrückgangs und der Belastung der Umwelt mit Mikroplastik und anderen Schadstoffen nicht alles rechtfertigen“, sagte BUND-Expertin Angelika Horster. Die Umweltschützer halten in ihrer Stellungnahme den gewünschten Hydrierbetrieb samt thermischer Abluftreinigungsanlage für „nicht genehmigungsfähig“.

Die Lanxess AG sieht in ihrem Antrag im Grunde eher eine Modifikation: Das Verfahren zur Herstellung von Adipol werde seit vielen Jahren (faktisch seit dem Jahr 1966) betrieben. Die Herstellung von Adipol werde so wie bisher bereits genehmigt beantragt, heißt es in den Unterlagen. Dieser Antrag werde um einige Punkte ergänzt. Dabei handele es sich um „die Erhöhung der Prozessabwassermengen“, um die „Erhöhung so genannter Katalysatormengen“ (eine Art festes Filtermaterial) im Eingang und Ausgang sowie um „Schwersiedermengen“ (Rückstände, die als Brennstoffsubstrat Verwendung finden) im Ausgang.

Die bisher genehmigte „ungereinigte Überdachstellung der Abluftströme“ im Störfall werde durch die Errichtung und den Betrieb einer Fackel auf ein Mindestmaß reduziert. Übersetzt heißt das etwa so viel wie, bislang sind die ungereinigten Abluftströme über Schornsteine in die Atmosphäre geleitet worden. Demnächst werden sie mit einem Pilotbrenner vor dem Austreten verbrannt. Diese Prozedur ist auch bei Wartungsarbeiten an der Anlage vorgesehen.

Eine Umweltverträglichkeitprüfung zum Antrag hält die Bezirksregierung Düsseldorf für nicht erforderlich, weil „erheblich nachteilige Umweltauswirkungen ... offensichtlich ausgeschlossen werden können“. Der Hydrierbetrieb befinde sich in einem seit Jahrzehnten industriell genutzten Gebiet. Das Verfahren bestehe „faktisch bereits seit den 1960er Jahren unverändert“, urteilte die Bezirksregierung.

Die studierte Chemikerin und BUND-Expertin Angelika Horster verwundert die Einschätzung nicht. Irritiert sei sie über die Unverfrorenheit, sogar Formulierungen der Antragsteller weitgehend zu übernehmen. Das sei vertrauensschädigend, was die Unabhängigkeit und Neutralität der Behörde anbetreffe. Umweltverträglichkeitsprüfungen fänden heutzutage in Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz nur noch in Ausnahmefällen statt. Der Antrag von Lanxess weise zahlreiche Lücken auf. Etliche Passagen seien mit dem Argument, es handele sich um Betriebs- und Produktionsgeheimnisse, geschwärzt. Horster behauptet, dass die Bezirksregierung als Aufsichts- und Genehmigungsbehörde selbst die Übersicht über das komplexe Geschehen im Chempark Uerdingen und anderswo verloren habe. In der Genehmigungsbestandsliste seien zwar 159 Vorgänge seit dem Jahr 1909 aufgelistet, es fehle allerdings ein Eintrag über die grundsätzliche Erteilung einer Basisgenehmigung für die Hydrieranlage.

Die Liste der angeblichen Mängel und Unzulänglichkeiten im Antrag sei lang. Nicht nachzuvollziehen sei die Einschätzung der wieder in Betrieb zu nehmenden Anlagen. Die Gebäude und Apparate seien zum Teil Altanlagen aus den 1950er bis 1970er Jahren oder wie die Tanklager noch älter. Private Gasöfen oder Flugzeuge sollten nach 20 Jahren ausgetauscht werden“, sagte Angelika Horster. Aber Chemianlagen, in denen mit „hochexplosiven, brennbaren und giftigen Stoffen umgegangen wird“, werden auch nach mehr als 60 Jahren offenbar noch für geeignet gehalten.

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