Krefeld Überstunden für Michelle Obama

Krefeld · Mode und Kunst liegen nah beieinander, findet Dimitra Zervos. Die Krefelderin hat ihre eigene Kollektion jüngst bei der Fashion Week in Berlin präsentiert. Mode, sagt sie, verlangt nach Kreativität, Disziplin und sehr viel Fleiß.

 Michelle Obama zum Tee bei Prinz Harry im Kensington Palast. Sie trägt das Kleid von Mary Katrantzou

Michelle Obama zum Tee bei Prinz Harry im Kensington Palast. Sie trägt das Kleid von Mary Katrantzou

Foto: dpa

Es gibt ihn wirklich: den Glanz und Glamour in der Welt der Mode. Wenn auch nur für wenige kostbare Momente. "Der überwiegende Teil ist viel Arbeit, Disziplin und auch Verzicht. Wenn die anderen Party machen, muss man auch mal stattdessen an der Nähmaschine sitzen oder an einer Lösung für einen Stoff tüfteln", sagt Dimitra Zervos. Sie kennt die kreativen Nächte mit wenig Schlaf, in denen eine feine Seide oder eine Idee für Leder danach drängen, zu einem exklusiven Kleidungsstück kreiert zu werden.

 Dimitra Zervos am Zeichen- und Zuschneidetisch. Von der Skizze bis zum Lookbook hat die 28-Jährige ihre Kollektion gestaltet.

Dimitra Zervos am Zeichen- und Zuschneidetisch. Von der Skizze bis zum Lookbook hat die 28-Jährige ihre Kollektion gestaltet.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Aber die 28-Jährige kennt auch jene Momente, wenn der Stolz wohlig warm durch den Körper strömt. Wenn der Beifall ein Glücksgefühl auslöst, das alle Stresshormone augenblicklich vernichtet. Einen solchen Augenblick erlebte Dimitra Zervos in London. Als Mode-Studentin des Fashion Design Instituts in Düsseldorf absolvierte sie im vergangenen Jahr ein halbjähriges Praktikum bei der aufstrebenden Modeschöpferin Mary Katrantzou, die nicht nur für das New York City Ballet entwirft, sondern auch immer mehr Prominente einkleidet. "Wir mussten ein Paisley-Kleid ändern", erzählt die Krefelderin. Es sollte auf Wunsch der Kundin kurze Ärmel und einen anderen Halsausschnitt bekommen. Viele Überstunden mit Nadel und Faden waren für das ausführende Team, zu dem die Krefelderin gehörte, fällig. "Am Ende haben wir dann an einer nicht sichtbaren Stelle innen im Ärmel unsere Namen eingestickt." Unbeschreibbar findet sie noch heute jenen Moment, als sie im britischen Fernsehen das dunkle Kleid sah - getragen von Michelle Obama. Amerikas First Lady hielt darin eine Rede zur Bildung speziell für Mädchen. Und hinterher traf sie Prinz Harry zum Tee im Kensington Palace. "Zu wissen, dass man das Kleid nach ihren Wünschen umgestaltet hat, war schon faszinierend", erinnert sich die Krefelderin.

Viele wertvolle Erfahrungen hat sie in London gemacht. "Mary Katrantzou ist wie ich griechisch stämmig", erzählt die 28-Jährige. Da war man schnell auf einem gemeinsamen Nenner. Aber am liebsten entwirft Dimitra Zervos Mode selbst - weniger farbgewagt als Katrantzou. Ihre Abschluss-Kollektion von der Düsseldorfer Schule hat die Krefelderin jüngst bei der Fashion Week in Berlin präsentiert. "Das war toll, die eigenen Modelle auf dem Laufsteg zu sehen. Ich habe sehr viel Lob bekommen. Oft bin ich mit Chloe verglichen worden." Die romantische Cleanness der französischen Couture liegt ihr, aber auch den edlen Purismus von Jil Sander nimmt sie zum Vorbild. "Ich mag sanfte, pastellige Töne, weiche, schmeichelnde Mode. Mein Motto ist: Halte es simpel, aber signifikant."

Bei ihrer Abschlusskollektion - acht Outfits in harmonierenden Rosé- und Cremetönen - setzt sie auf konvexe Formen, viel Volumen, körperferne Linien. Mit Seide, Lack und auch mal Neopren schafft sie Spannung zwischen matten und glänzenden Elementen. Das kommt zunächst zurückhaltend daher, aber jedes Teil hat die Kraft, einen durchschnittlich bestückten Kleiderschrank mit Stil zu füllen. Mode ist ein Spiel, das von der Lust am Wagnis lebt. "Ich beobachte wahnsinnig gerne Menschen, sehe mir an, was sie tragen, was ein Look ist oder auch nicht. Das inspiriert mich", erzählt die Designerin. "Jeder soll sich wohlfühlen mit dem, was er trägt. Damit trifft er eine Wahl, wie er auf andere wirkt." Zervos' Mode gibt es derzeit noch nicht zu kaufen. Die acht Outfits für Berlin sind Unikate. Noch ist "Dimitra Zervos" kein Label, das in Auflagen produziert wird. In diesem Sommer will sich die junge Designerin entscheiden, ob sie sich selbstständig auf den Markt traut, mit eigenen Entwürfen in Serie geht oder sich einem Modehaus oder -label anschließen möchte, um mehr Erfahrung auch in puncto Marketing zu sammeln. "Nach den vielen Monaten, in denen ich nur auf die Kollektion fokussiert war und mein erstes großes Ziel einer eigenen Präsentation erreicht habe, muss ich alles einfach mal verarbeiten", findet sie. Wann ihr Interesse für Mode und das Kombinieren von Textilien begonnen hat, lässt sich nicht datieren. "Ich weiß aber, dass ich das Outfit, das meine Mutter mir für meinen ersten Kindergartentag zusammengestellt hatte, nicht anziehen wollte. Ich habe damals schon selbst bestimmt, was ich trage." Und da machte die Kreativität auch vor guten Strumpfhosen nicht halt. "Die habe ich zerschnitten, um Neues daraus zu gestalten." Dann fließen Mode und Kunst in einander, findet Dimitra Zervos. Kunst wäre auch eine Berufsoption gewesen: "Ich hatte Kunst-Leistungskurs. Die Avantgarde finde ich interessant - aber die gibt es in der Mode ja auch. Und Künstler war mir als Beruf doch zu unsicher", sagt sie. Wenn sie einen Stoff sieht, stellen sich bereits Bilder ein. "Ich weiß meist genau, was ich mit dem Material oder dem Muster machen kann, um das Optimale heraus zu holen." Klare Linien, tragbare Form und künstlerisch ausgearbeitete Elemente sind - mal elegant, mal seriös, mal sexy. "In der Mode darf man machen, wonach man sich fühlt." Der schlimmste Fehler: "Zu nackt wirkt immer billig. Qualität hat Stil."

(RP)
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